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Ein Selbstversuch

Experten, deren Ratschläge und ich

Es ist für Eltern oft eine Kunst, inmitten der Ratgeberflut die für sich richtige Mitte zu finden. (Bild: Fotolia)

In Sachen Erziehungstipps finden Eltern sich oftmals in einem wilden Dschungel von Büchern und Ratgebern wieder – Papi Sergio Maurizi startet den Selbstversuch.

Sie sind die Rockstars der Kinderärzte, die Cristiano Ronaldo’s der Kinderpsychologen und Familientherapeuten. In hunderten von Büchern und Ratgebern sind ihre unantastbaren Tipps und Empfehlungen rund um Kinder und deren Erziehung nachzulesen und doch findet man sich als Eltern oftmals in einem wilden Dschungel wieder – ohne Wegweiser, der annähernd zur Lösung des eigentlichen Problems führt. Dennoch erlaube ich mir, hin und wieder eine solche Niederschrift durchzulesen.

Kürzlich las ich den ratgeberischen Bericht eines dänischen Familientherapeuten. In seinem Artikel wies der Experte kundig darauf hin, dass es nicht die Schuld des Kindes wäre, wenn es aufs Neue einen Tobsuchtanfall kriegt, sondern jene der Eltern. Nun, ich kann diese Erkenntnis nachvollziehen. Denn es ist durchaus meine Schuld, wenn meine Kleine beispielsweise mit einer scharfkantigen Schere spielt, ich ihr diese aus nachvollziehbaren Gründen gerne wegnehme und sie deswegen lautstark protestiert. Schliesslich habe ich (oder meine Frau) die Schere in Griffweite unseres Kindes platziert. Es erscheint mir also logisch, das Kind nicht zu bestrafen für etwas, wofür es nichts kann. So weit so gut. Nun fuhr der Therapeut in seinem Bericht aber fort, dass man viel mehr dem Kind seine Wünsche vermitteln soll, anstatt mit ihm zu schimpfen oder es zu bestrafen. Also wagte ich den Selbsttest.

Gelegenheit dafür bot sich bereits tags darauf am frühen Morgen. Am Frühstückstisch pflegt meine Tochter nämlich regelmässig den Teller samt Inhalt in weitem Bogen auf den Boden zu schmeissen. An diesem Tag sollte diesbezüglich keine Ausnahme herrschen und so wurde das Parkett erneut mit Brotstücken dekoriert – selbstverständlich mit der klebrigen Konfiseite nach unten liegend. Was nun mit der Aussprechung eines Machtwortes hätte fortgesetzt werden müssen, entwickelte sich für einmal anders. Motiviert erinnerte ich mich an die fachmännische Empfehlung des dänischen Experten und sprach mit bestimmter und liebevoller Stimme zu meiner Tochter: «Liebes, Papi wünscht sich, dass du deinen Teller nicht zu Boden wirfst, auch wenn du noch so wütend bist.» Kaum hatte ich mich ausgedrückt, segelte auch schon die warme Milch im Trinkbecher durch die Luft, um Sekundenbruchteile später in gleichmässigem Rhythmus von den Vorhängen zu tropfen. Nach einer kurzen aber intensiven Putzrunde griff ich erneut zum Bericht, um nachzulesen, ob ich eventuell etwas falsch verstanden habe. Hatte ich aber offensichtlich nicht. Allerdings suchte ich vergeblich nach einer passenden Lösung für den Fall, dass die vorgeschlagene Methode nicht greifen sollte. Interessant wäre auch, nachlesen zu können, wie viele Wiederholungen beim durchschnittlichen Kind anzuwenden sind, um zum ultimativen Erfolgserlebnis zu kommen. Leider suchte ich auch eine Textstelle solcher Art vergeblich im Therapeutenbericht.

Man verstehe mich bitte nicht falsch. Viele der Tipps und Empfehlungen sind äusserst einleuchtend und können uns Eltern durchaus hilfreich sein. Meine Erfahrung ist aber, dass man bei all den gutgemeinten Ratschlägen oft die Orientierung verliert. Denn zur Meinung eines Experten findet sich ganz bestimmt ein anderer Grossmeister, der das exakte Gegenteil davon behauptet. Ich habe gelernt, dass es gut ist, auf die eigene Intuition zu vertrauen. Denn wenn ich mich zu sehr von fremdem Expertenwissen verleiten lasse, werde ich inkonsequent und verliere meine Linie. Und dies wird der Erziehung meiner Tochter ganz bestimmt nicht förderlich sein.

Meine Tochter wirft ihren Teller jedenfalls nur noch ganz selten zu Boden. Warum sie dies kaum mehr tut? Keine Ahnung. Entweder war dieses Tellerwerfen einmal mehr nur eine Phase oder sie erinnert sich an die bestimmte und liebevolle Stimme, die zu ihr sagt: «Liebes, Papi wünscht sich, dass…»

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Kinder: Neun Monate sehnt man sie herbei und dann machen sie einen Haufen Arbeit. Und bestimmen ab sofort Mamis und Papis Leben. Fünf Mütter und ein Vater schreiben über ihren Alltag mit dem Familienzuwachs. Von Herausforderungen, Veränderungen, Ängsten und Freuden.
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