Einzelkind – und das ist gut so
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Wenn rundherum Geschwisterchen geboren werden, steigt die Erwartung an Paare mit nur einem Kind. Wann kommt denn das zweite? Wie deplatziert solche Fragen nach dem zweiten Kind sind und warum die dreiköpfige Familie für sie das Richtige ist, erzählt uns Eltern-Bloggerin Julia Vonwyl.
Wir haben eine Tochter. Ein Kind. Eins. Eine frühere Arbeitskollegin hat einmal über eine uns bekannte Mama gesagt, dass diese doch ein Riesentheater mit ihrem Einzelkind veranstalte. Sie solle doch endlich einmal aufhören, zu jammern, wie streng es mit nur einem Kind sei, das sei doch kinderleicht.
Die Arbeitskollegin hat vier Kinder erzogen und wusste es also besser. Vermeintlich. Zu diesem Zeitpunkt wollte ich selbst noch gar keine Kinder, das Thema betraf mich also so mässig. Und trotzdem fand ich es irgendwie vermessen, jemanden so zu verurteilen, ohne die Situation genau zu kennen – und überhaupt.
Müssen wir uns denn rechtfertigen?
Irgendwann habe ich mich dann doch für Kinder, oder eben ein Kind, entschieden, und hier sind wir nun. Neulich machte mein Mann mit unserer Tochter einen Spaziergang in der Stadt und traf ebenfalls auf eine ehemalige Arbeitskollegin seinerseits. Nach den Floskeln wie «Ah, so gross schon? Herzig. Kita? Ah, ja? Ist aber weit für ihr Alter, hä?» kam dann schnell die fundamentale Frage: «Und wann kommt das Zweite?» Ihr denkt jetzt vielleicht: «Ach was, das fragen die Leute doch nicht WIRKLICH.» Doch. Tun sie. Immer wieder. Aber dazu später.
Mein Mann jedenfalls antwortete, dass kein weiteres Kind geplant sei und wir glücklich seien, so wie es jetzt sei. Die Kollegin kommentierte dies folgendermassen: «Ach wirklich? Ich finde, es sollten mindestens zwei Kinder sein. Drei wären perfekt. Aber eins? Eins ist doch eher so … ein Projekt.» Unfassbar.
Auch ich begegne der Frage nach einem weiteren Kind oft. Nicht gerade so unsanft, aber doch immer wieder. Wenn ich unsere Babysachen verschenke, zum Beispiel, oder den Kinderwagen verkaufe. Dann werde ich – ohne böse Hintergedanken – gefragt. Einfach nur, ob wir denn kein Kind mehr wollen. Und wenn es rundherum überall Geschwister gibt, spüre ich manchmal Blicke, fragende und irgendwie ein bisschen wertende. Bei denen wär’s doch jetzt ein guter Zeitpunkt?! Worauf warten die denn noch?
Meine eigene Geschwisterliebe
Vielleicht ist es nun Zeit, kurz über meine Geschichte zu reden. Ich bin mit einem Bruder und einer Halbschwester aufgewachsen. Das Verhältnis zu meiner Halbschwester war nicht einfach, nicht unseretwegen, doch den örtlichen und familiären Umständen geschuldet.
Das Verhältnis zu meinem Bruder war fantastisch. Wir waren uns als Kinder sehr nah und sind es heute noch. Wir lachen über die gleichen Witze, haben die gleiche politische Meinung und sogar ohne Absprache den gleichen Handycode. Ihr seht, «one love». Und ich möchte diese wertvolle Beziehung nicht missen. Auf keinen Fall.
Uns fehlt es an nichts
Meine Schwangerschaft war alles andere als leicht. Von vielen Ängsten durchzogen, mit Trauma bestückt und mit gesundheitlichen Langzeitfolgen. Doch ich möchte meine Tochter nicht missen. Auf gar keinen Fall. Aber ich möchte eine Schwangerschaft auch kein zweites Mal erleben.
Und so gern ich ihr auch eine solche Geschwisterliebe, wie ich sie habe, ermöglichen würde, möchte ich kein weiteres Kind. Und mein Mann übrigens auch nicht – aus diversen Gründen. Natürlich überlege ich ab und zu, wie es zu viert wäre, aber es ist gut, so wie es ist. Uns geht es gut, und wir sind glücklich. Ist das nicht die Hauptsache?
Kinderwunsch ist Privatsache
Ich finde, man sollte die grundlegende Kinderfrage immer mit Bedacht stellen oder im Zweifelsfalle besser gar nicht. Die Frage nach dem zweiten Kind ist grundsätzlich schwierig und oft deplatziert, die Gründe und Empfindungen des Gegenübers in der Regel unbekannt. Und sowieso ist die Familienplanung einfach privat. Punkt.
Aber das ist eine Seite, die andere Seite bin ich selber. Ich, mit meinen Gefühlen, mit meinen Erwartungen, mit meinen Ideen, wie die Gesellschaft funktioniert. Es ist nicht immer leicht, das Leben mit einem Einzelkind zu verteidigen und zu erklären.
Was wirklich zählt, sind die Menschen um uns
Das Wichtigste ist doch, dass unser Kind nicht einsam ist. Und dagegen haben wir die tollste Lösung überhaupt. Wo wir wohnen, wohnen ganz viele Menschen in der gleichen Strasse. Paare, Familien, Kinder – grösser, kleiner und gleich. Wenn man will, ist man nie allein.
Meistens treffen sich alle draussen auf der Quartierstrasse, und die Kinder spielen zusammen, nebeneinander oder beieinander zu Hause. Die Erwachsenen tauschen sich aus, erzählen Geschichten und spielen mit. Es ist das wahre Kinderparadies, mit Bäumen, Geheimverstecken, kleinen Gärten und gemeinsamen Projekten.
Da, wo wir wohnen, ist unsere Tochter nicht einsam. Und wir freuen uns über jedes Kind, das neu geboren wird. Ich glaube, es zählen die Menschen, die meine Tochter im Leben hat. Ob dies nun Geschwister oder Nachbarkinder sind.