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Als im Herbst noch Äpfel von den Bäumen fielen…

Ein Ast bricht und das Kind fällt vom Baum. Was tun?

Solange bloss die Äpfel von den Bäumen fallen, ist alles gut… (Bild: Symbobild: pexels)

Süss sind die Erinnerungen an Herbste, in denen noch die Äpfel und die Zwetschgen von den Bäumen fielen. Und man sich darüber freute, sich danach bückte und das Gesicht darüber mit einem Lächeln bezaubert wurde. Heuer aber fiel das Kind vom Baum. Ein dumpfer Ton läutete dem Lachen der Baumkrone das jähe Ende ein. Vom grossen Schrecken und vom schlechten Gewissen handelt dieser Beitrag.

Ein traumhafter Tag. Herbstmagie liegt in der Luft. Freundschaftsmagie auch. Wir treffen nach dem strengen Herbstquartal endlich eine Freundin und deren beiden Kinder. Wir picknicken beim Nordpol, die Kinder essen Käsebagels und wir Mütter lassen uns die Gesichter von der Sonne küssen.

Wie alles begann…

Die süsse Eislust der Kinder und die mütterliche Bewegungsidee lässt uns an der Reuss entlang bis nach Emmen spazieren. Unter den goldenen Baumkronen schlendernd fallen uns die leuchtenden Herbstblätter auf die Köpfe und wir fühlen uns wie Goldmarie.

Es ist wie im Traum.

Vor uns steht ein besonders grosser Baum und lädt die Kinder zum Klettern ein. Magisch angezogen von seinen unwiderstehlichen Ästen turnen die Kinder alsbald in vier Metern Höhe herum. Wir schauen empor, versuchen den wunderbaren Moment des Kinderglücks festzuhalten, zücken das Handy, schiessen ein paar Fotos.

Dann unterhalten wir uns. Die kindervolle Baumkrone jauchzt. Ihre hellen Stimmen könnten glücklicher nicht sein.

Und wir mit ihnen. Wir trinken einen Coffee to go, unterhalten uns und ich lächle immer wieder in mich hinein, weil ich diesen schönen Nachmittag so geniesse. Im Hintergrund das Lachen der Kinder, das Sirren ihrer Kletterkonzentration. Die gelben Blätter erleuchten den ganzen Baum.

Immer wieder habe ich den Gedanken, dass die Kinder ganz schön hoch sind, dass es gefährlich ist… Aber der Baum wirkt so sicher mit seinen starken Ästen. Und ich will sie nicht immer bremsen mit meiner Angst. Also entscheide ich mich bewusst dagegen, etwas hochzurufen.

Dann ein leises Knacken…

Ein Ast bricht. Ein Kind fällt. Ein dumpfer Ton. Das Kind liegt regungslos auf dem Boden. Sein Kopf verformt sich augenblicklich. Die Augen schielen. Sein Geist entgleist. Wir sehen zu, unsere Gedanken wirbeln. Das Herz pocht. Die Panik schleicht im Laub umher, packt uns an den Beinen, steigt daran empor, dringt in unseren Körper ein und lässt die Knochen zu Schaum werden.

Geistesgegenwärtig teilen wir uns auf. Die Mutter des Kindes holt den beinahe verloren geglaubten Sohn mit ihrer Stimme zurück ins Hier und Jetzt. Ich hole die drei andern Kinder vom Baum.

Und rufe die Ambulanz. Eine Premiere. Ich wünschte, es wäre nur die Hauptprobe. Das Kind beginnt zu weinen, zum Glück. Es zappelt, zum Glück. Aber das Glück kollidiert mit dem Gewissen. Wieso habe ich nicht besser aufgepasst? Wieso haben wir nicht direkt unter dem Baum gestanden? Hätten wir ihn auffangen können? Es nützt alles nichts. Nun ist es, wie es ist. Wir warten und kühlen den Kopf des Kindes mit gefrorenen Erbsen vom Laden um die Ecke.

Weltbewegende Neuigkeiten

Als der Notarzt die Erstuntersuchung gemacht hat, gibt er Entwarnung. Soweit er es beurteilen könne, habe das Kind eine Gehirnerschütterung, es sei also nichts «Weltbewegendes». Was er damit gemeint hat, wird mir auf dem Weg nach Hause mit den drei anderen Kindern bewusst.

«Weltbewegend», was für ein Wort. Meine kleine Welt wurde gerade sehr intensiv bewegt. Wie es meiner Freundin, also der Mutter des verunfallten Kindes gehen muss, kann ich nur erahnen. Weltbewegend war dieser Nachmittag für uns alle. Aber immerhin durfte sich unsere Welt weiterdrehen. Sich wieder entspannen, erholen. Wie sehr sie sich bewegt hätte, wäre diese Geschichte anders ausgegangen, das möchte ich mir ehrlich gar nicht ausmalen.

Premiere: Das erste Mal Leben

Mit diesem traurigen Schauspiel wurde mir bewusst, dass das Leben immer eine Premierenbühne ist. Dass wir hier nichts proben. Es ist immer die Aufführung. Und so sollten wir das Leben auch gebührend feiern. Viel mehr wollen statt müssen. Auf unsere Herzen hören. Jeden Moment mit unseren Kindern geniessen, sie zum Lachen bringen, uns die Welt von ihnen erklären lassen, Eis zum Frühstück essen und viel mehr ja als nein sagen. Und niemals die Umarmung als erste lösen.

Lasst uns die Premiere feiern! Das erste Mal Leben!

Vielen Dank, du liebes Kind, dass du am Leben geblieben bist. Wir sind glücklich, dass es dir gut geht und wir haben dich sehr sehr lieb.

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Kinder: Neun Monate sehnt man sie herbei und dann machen sie einen Haufen Arbeit. Und bestimmen ab sofort Mamis und Papis Leben. Fünf Mütter und ein Vater schreiben über ihren Alltag mit dem Familienzuwachs. Von Herausforderungen, Veränderungen, Ängsten und Freuden.
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