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«Ochsen» Rothenburg: Wildgenuss mit spezieller Überraschung

  • Bewertung★★★★★★★★★★
  • Preiskategorie●●●●●●
  • Küche Schweizerisch
  • Ambiente Traditionell
Seit bald 500 Jahren im Rothenburger Dorfzentrum: Der «Ochsen». (Bild: hch)

Der weitherum für seine Wildspezialitäten bekannte «Ochsen» Rothenburg geht in das erste Jahr mit einem neuen Küchenchef. Ein Grund mehr also für einen Testbesuch – den die Restaurantcrew bravourös meisterte. Eine unbestellte Beilage gab es stattdessen auf dem Teller.

Seit bald 500 Jahren prägt der «Ochsen» das Rothenburger Dorfbild. Das von Gault-Millau mit 13 Punkten gelistete Lokal ist nicht zuletzt bekannt für seine Wildgerichte, zum Teil aus eigener Jagd. Die Beliebtheit zeigt sich auch darin, dass wir zwei Tage vor unserem Besuch den allerletzten Tisch reservieren.

Die Wildkarte umfasst fünf Gerichte, dazu ein Menü wahlweise in drei oder vier Gängen. Experimente oder exotischere Kombinationen sind darunter keine zu finden; Allan Bumann, der dieses Frühjahr vom mittlerweile geschlossenen «Chlöpfen» Eschenbach als Küchenchef nach Rothenburg stiess und die Nachfolge von Adrian Hostettler angetreten hat, mag es klassisch.

Wir bleiben einheimisch ...

Ich entscheide mich für den Dreigänger. Nachdem uns auf einer Wanderung tagsüber schon mehr Jäger als Wild über den Weg gelaufen sind, möchten wir anstelle des neuseeländischen Hirschfilets aber lieber einheimisches Wild. Der Tausch mit den auf der Karte geführten Rehschnitzeln klappt problemlos.

Zum Start gibt es ein geschmacklich intensives Tomatenmousse, bevor der erste Gang serviert wird: ein herbstlicher Nüsslisalat mit Ei und einer etwas gar dezenten, cremigen französischen Sauce. Die Speisenfolge wird bei der Menüwahl abgefragt, alles andere als alltäglich und zur Nachahmung empfohlen. So kommt als Nächstes die optisch sehr ansprechende Kürbis-Rahm-Suppe mit gerösteten Kernen und Kürbisöl. Die Suppe schmeckt durchaus harmonisch, dass die zu so früher Herbstzeit erhältlichen Kürbisse noch kein intensives Aroma entfaltet haben, liegt auf der Hand.

... auch beim Wein

Beim Wein schliessen wir uns der Mehrheit an und bestellen etwas von der Luzerner Manufaktur Brunner.  Der Cuvée Ochsen wurde eigens für das Lokal aus Seetaler Pinot Noir, Gamaret, Cabernet Jura und Merlot hergestellt. Ein Wein, der mit einem guten Volumen und Beerennoten bestens zu Wildgerichten harmoniert.

Nicht zu viel versprochen wird beim Hauptgang, Rehschnitzel an einer Wildrahmsauce mit hausgemachten Spätzli, Rosenkohl, Marroni und Preiselbeer-Apfel. Das in der Nähe erlegte Reh ist perfekt rosa gebraten und ausgesprochen zart, das Fleisch ist so grosszügig geschnitten, dass es fast schon als Medaillon durchgehen könnte. Bei der sämigen Sauce wurde mit Steinpilzen nicht gespart. Auch die mit leichter Muskatnuss-Note versetzten Spätzli gefielen uns sehr gut. Das Rotkraut hatte noch etwas mehr Biss als der Rosenkohl, beide Gemüse wurden in einem für meinen Geschmack optimalen Garzustand serviert. Dieselben Zutaten wurden beim schönen Rehpfeffer meiner Begleitung serviert, der eine intensive Speck-Note aufwies.

Ein Malheur und seine Lösung

Eine überraschende Zutat offenbarte hingegen mein Rotkraut: Gut versteckt lugte nach den ersten Bissen eine etwa zehn Zentimeter lange Kunststofflasche hervor, der obere Abschnitt eines Plastikbeutels. Schwer beeindruckt waren wir von Lisa Correia, die uns an diesem Abend bedient hat und eindrücklich zeigte, wie viel kompetentes Fachpersonal ausmacht. Sie wusste nicht nur Anekdoten aus der «Ochsen»-Geschichte zu erzählen, sondern löste auch die Situation mit der Plastikflasche elegant. Da ich das Angebot eines neu angerichteten Tellers ablehnte, machte sich der Übeltäter auch schon kurz nach Entdeckung auf einem Tellerchen zurück auf den Weg in die Küche.

Gastgeber René Adler erklärte das Malheur mit dem in der Küche abgepackten Rotkraut, das etwa einmal jährlich vorkomme, beim Abschied souverän. Und auch, weshalb er trotz seiner Mitgliedschaft der Jagdgesellschaft Rothenburg-Ost das Hirschfleisch aus Neuseeland bezieht. Sein Bedarf von jährlich von gegen 300 Kilogramm Filet liesse sich selbst mit allen in Luzern geschossenen Tieren – letztes Jahr waren dies 175 Tiere – kaum decken.

Statt des angebotenen Desserts oder Digestifs bescheide ich mich mit einem Espresso – die Portionen des Menüs waren schlicht zu grosszügig bemessen. Für uns war es insgesamt ein gelungener Abend mit hochstehendem Wild, der professionelle Umgang mit dem kleinen Missgeschick spricht für das Lokal.

Autor: Christian Hug, September 2021

Preis/Leistung
Die Preise sind für die Agglomeration Luzern fair und angemessen: Das Wildmenü mit 3 Gängen kostete 59.50, der Rehpfeffer 33 Franken. Der in zwei Gängen servierte Rehrücken schlägt mit 57.50 Franken zu Buche. Klassische Hauptgänge mit Fleisch liegen zumeist zwischen 30 und 40 Franken, Desserts eher etwas über dem Durchschnitt. Es empfiehlt sich, beim Besuch ausreichend Hunger mitzubringen. Mittags steht eine kleinere Karte zur Auswahl.

Bei den Weinen findet sich das ganze Spektrum, vom Vier-Franken-Weisswein bis zum hochpreisigen Toskaner. Das Schwergewicht liegt auf Luzerner und Schweizer Weinen, dazu sind verschiedene europäische Vertreter zu finden. Das Angebot an offenen Weinen bietet für jeden Geschmack etwas. Das Hahnenwasser gibt’s dazu kostenlos.
**** von *****

Service
Wir verbeugen uns. Das Malheur wurde sofort entdeckt und perfekt gelöst, auch die Kommunikation mit der Küche klappte gut. Sonderwünsche wurden erfüllt, sämtliche Fragen wurden kompetent beantwortet. Der Kaffee war offeriert. Die Wartezeiten sind angemessen, die Menüfolge wurde zusammen mit dem Gast bestimmt, das Wasser ungefragt nachgefüllt. Bei der telefonischen Reservation wird gefragt, ob ein Rehrücken gewünscht ist (auf Vorbestellung).
***** von *****

Ambiente
Klassisch mit viel Holz. Die Gaststube bietet Platz für 40, das Restaurant für 30 Personen, ausserdem besteht ein Sääli mit alter Kassettendecke. Interessant ist eine Aussenaufnahme des «Ochsens» von der Jahrhundertwende, die auf eine Glaswand vis-à-vis dem Buffet gedruckt wurde und von einer bei der letzten Renovation zufällig gefundenen Postkarte stammt. Die Tische sind mit frischen Blumen und Kerzen dekoriert, Tische und Sets wirken leicht rustikal.
 *** von *****

Online-Auftritt
Alles wichtige inklusive Speise- und Weinkarte ist vorhanden, dazu einige Impressionen des Lokals und eine Auflistung der zumeist regionalen Lieferanten. Neben einigen Medienberichten über das Lokal findet sich auch eine sympathische Vorstellung des Teams. Keine Online-Reservation möglich.
**** von *****

Umsetzung Corona-Massnahmen
Direkt beim Eingang werden das Corona-Zertifikat und Ausweis geprüft, eine allfällige Warteschlange ist so draussen. Danach herrscht in den Innenräumen der Normalzustand.
***** von *****

Gasthof Ochsen

Adresse:
Flecken 32
6023 Rothenburg

Telefon:
041 280 12 72

E-Mailadresse:
Webseite:
https://ochsen-rothenburg.ch/

Öffnungszeiten:
Dienstag bis Freitag 10–14 und 17–24 Uhr
Samstag 17–24 Uhr
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