Vor dem Alphorn ist vor dem Swissness-Ärger
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Unser Flaneur hat so seine liebe Mühe mit gut schweizerischen Werten. Zu viel Swissness ist ungesund. Und manchmal ist man der angepriesenen Souvenirs, der vielen Reisecars und der Touristenströme einfach überdrüssig. Doch es gibt eben auch die andere Seite.
Ich bin kein Freund der Folklore. Infolgedessen mag ich auch keine Volksmusik und deren Drumherum – abgesehen vielleicht von dieser Show im Stadtkeller während der Sommermonate. Die ist wirklich gut aufgezogen und lustig dazu (zentralplus berichtete).
Und ich muss zugeben, dass ich da auch hin und wieder – während ich an der Stadtkeller-Bar ein sehr leckeres und üppiges Faustbrot mit einem Glas Weissen verdrücke – beim Gang auf die Toilette hängen bleibe. Dies zwar häufig nur, um den zahlreichen Asiaten beim unbeholfenen Fondue-Verzehr zuzuschauen; und natürlich wegen der Polonaise am Schluss mit der Kuh.
Überdruss ist selten lustig
Aber im Allgemeinen behagt mir dieser volkstümliche Firlefanz nicht wirklich. Diese zahlreichen Schwing- und Älplerfeste überall in der Schweiz mit ihren übersteigerten Heimatglorifizierungen sind mir ein Graus.
Da passt man mal kurz nicht auf und schon sitzt man an der GV der Ems Chemie – obwohl das Essen und Martullo-Blochers Gesangseinlage mit Öschs den Dritten schampar gut gewesen sein müssen.
Das Schwingfest entschädigte für vieles
Aber ok, ich gebe es ja zu: Auch ich habe mir den Schlussgang des ESAF angeschaut – und mir heimlich ins Fäustchen gelacht, als der personifizierte Innerschweizer Lokalpatriotismus Wicki Joel durch das Berner Monster Stucki Christian im Sägemehl platt gemacht wurde.
Ich meine, sind wir mal ehrlich: Wenn die Berner schon finanziell überhaupt nichts auf die Reihe bringen und mit Abstand am meisten vom kantonalen Finanzausgleich profitieren, dann sollen sie doch wenigstens heim Hoselupf obenaus schwingen.
Gott sei dank gibt es das Alphorn
Doch nun genug von diesem merkwürdigen Sport, dessen Paarungseinteilungen so willkürlich und unverständlich sind wie Trumps Twitter-Nachrichten zu Migration, Mauerbau und Mord-Korea. Stattdessen möchte ich nun über etwas schreiben, das zwar nicht minder schweizerisch ist, mir jedoch im Gegensatz zum helvetischen Kraftexhibitionismus das Herz aufgehen lässt.
Die Rede ist von Musik. Urschweizerischer Musik. Nein, nicht dieser schreckliche Möchtegern-Rechtsrocker Gölä mit seinem Hampelmann im Schlepptau.
Der Klang des Alphorns – der Ruf der Berge
Die Rede ist vom Alphorn. Ohne Ironie und ungeschönt muss ich zugeben, dass mir dieser Holz gewordene Riesenphallus schon als Knirps die Ohren gestreichelt und meine Seele angezapft hat. Und noch heute lausche ich gerne diesen warmen und unaufgeregten Klängen. Am liebsten, wenn ich am frühen Abend auf der Rigi bin und sich die lautstarken Rentner mit ihrer beigen Wanderkleidung wieder ins Tal verzogen haben.
Vor dem Alphorn ist vor dem Ärger
Ich geniesse jene Musik aber auch dann, wenn die Alphornisten sich im Kreis auf dem Kornmarkt in der Luzerner Altstadt aufstellen und mit ihrem Gebläse Einheimische und Touristen verzücken; dann kommt selbst in mir eine gewisse heimatliche Sehnsucht auf ...
Und dies meist so sehr, dass ich schon zwei Stunden später Teil der Stadtkeller-Polonaise bin und mich mit betrunkenen Koreanern und anderen alkoholunverträglichen Asiaten im «Bier-Exen» messe. Und wenn sich dann noch der laktoseintolerante «Kim sung-was-weiss-ich» das Fondue nochmal durch den Kopf gehen lässt, kommt erst richtig Stimmung auf.
Das ist noch Heimat, you dreamer, you!