Der Flaneur
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Hallo Österreich!

Flanieren hinter der Ostfront – auf ein Achtel mit dem Feind

Wien zehrt vom Glanz vergangener Tage. (Bild: Pixabay)

Der Flaneur hat Luzern hinter sich gelassen und besuchte unsere Nachbarn in Österreich. Dabei hat er Land und Leute unter die Lupe genommen. Hier sein erheiterndes Fazit.

So gut mir Luzern gefällt und so ungern ich meine Komfortzone verlasse, hin und wieder zieht es auch mich in fremde Länder. Und weil mir diese neolateinischen Sprachen langsam auf die Nerven gehen und ich mittlerweile weder Spanisch, Italienisch noch Französisch wirklich beherrsche, habe ich letztes Jahr beschlossen, mir mal unseren östlichen Nachbarn vorzunehmen und mich in unbekümmerter Weise, von wohliger Trunkenheit ummantelt, durch diesen Schurkenstaat zu parlieren.

Der Zufall wollte es dann auch, dass sich gleich mehrere Österreich-Reisen ansammelten. Ich war in Wien (der Hammer!), in Vorarlberg (schönes Casino in Bregenz übrigens; hab mich leider verzockt), in Innsbruck (hässlich wie die dritte Welt), in Hallstadt (das Luzern Österreichs – nur was die Asiaten betrifft), in Salzburg (Mozart und dann lange nichts mehr) und in der Hauptstadt der Steiermark und Arnold Schwarzeneggers Heimatstadt – in Graz (herrlich!).

Mein Fazit lässt mich indes verstört zurück: Denn unter uns gesagt haben diese Neo-Habsburger nicht mehr alle Knödel in der Suppe. Ein Volk geprägt vom kollektiven Grossmachtverlust-Trauma. Ob Kaiserreich oder Grossdeutschland; die Österreicher haben den Niedergang in die Bedeutungslosigkeit nie richtig verkraftet, was auch an allen Ecken und Enden dieses gigantischen Freiluftmuseums zu erkennen ist. Die Sehnsucht nach K&K ist allgegenwärtig. Und ginge es nach gewissen Herren der FPÖ, wäre anstelle einer K&K-Monarchie auch eine KKK-Ideologie denkbar. Man müsste eigentlich wirklich mit dem Schlimmsten rechnen.

Selbst im Skifahren nicht mehr spitze

Aber weit gefehlt und für den Schweizer völlig unverständlich: Diese Österreicher sind einfach immer freundlich, humorvoll und in absolutem Masse liebenswürdig, obwohl sie eigentlich gar nichts zu lachen haben. Ich meine, jetzt mal ehrlich: Monarchie vorbei, einen kindlichen Kaiser...äh...Kanzler, die Schande von Ibiza, Red Bull Salzburg, Hitler und zu guter Letzt: Sissi! Aber als wäre das nicht schon schlimm genug, verlieren sie nun auch noch die Nationenwertung beim Skifahren nach 30 Jahren Vorherrschaft an die Schweizer. Im Grunde spräche alles für eine landesweite Massendepression.

Doch die lachen, labern und saufen einfach weiter, als wäre nichts. Der Schweizer geht ja schon zum Psychiater, wenn er auf seinem Portfolio keine zweistellige Rendite ausweisen, oder sich der Nachbar das teurere Birchermüesli leisten kann. Nicht so der Össi; der hat sogar die Frechheit, sich Empathie zu leisten. Ein Wort, das mit der Schweiz in etwa gleich viel verbindet wie das Wiener Schnitzel mit der Anorexie.

«Pfusch am Vorbau»

Und auch beim Humor könnte sich so mancher steifärschiger Helvetier ein Beispiel nehmen. Tabus gibt’s beim östlichen Nachbar nämlich so gut wie keine. Und so bleiben auch direkte Verwandte und Bekannte im Verlaufe eines versoffenen Abends vom Kreuzfeuer der Witzkanone nicht verschont. Auf die Geschichte des fahrlässigen Busendoktors will ich jetzt nicht weiter eingehen, doch den unzulänglichen Eingriff dieses Lügen-Professors als «Pfusch am Vorbau» zu bezeichnen, fand ich dann doch grosses Kino.

Nicht umsonst kursiert auch das schöne Sprichwort: «Der Wiener Zentralfriedhof ist halb so gross wie Zürich, aber doppelt so lustig!» Ach Österreich! Auch wenn ich mich noch immer wie ein kleines Kind über jeden Einfädler deiner Skifahrer freue und deine Wirtschaftskraft so lachhaft ist wie dein Fussballnationalteam, so machst du es mir doch immer schwieriger, dich zu verachten. Vielleicht finden wir ja doch noch zu einander...

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Claudio Fenner ist ein passionierter Stadtmensch mit Hang zu hedonistischer Landstreicherei, Glücksspiel und Schrebergärten. Als Traumtänzer und Schlafwandler zieht er in Luzern seine Runden, beobachtet und taucht auch mal in einer Bar auf. Dabei passieren dem Flaneur oft seltsame und skurrile Dinge, die es verdienen, aufgeschrieben zu werden.
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