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Schneesport in den Voralpen

Wintervergnügen dank weissen Hügeln: Wie lange noch?

Alles bereit, aber vergebliches Warten auf den Schnee: Zugerberg im Winter 2020/21. (Bild: Museum Burg Zug)

Der Schnee liegt in Hülle und Fülle. Wer will, kann mit seinen Skiern vom Zugerberg bis in die Stadt hinuntersausen. Und schlitteln kann man endlich gleich vor der Haustür, selbst in der Stadt. Also ist alles Gerede um den Klimawandel umsonst?

Eines scheint sicher: Wetterkapriolen mit starken Schneefällen wird es auch in den nächsten Jahrzehnten geben, auch schneearme Winter sind nichts Neues. Aber allein in den letzten 50 Jahren sind die winterlichen Durchschnittstemperaturen um ein Grad Celsius gestiegen.

Immer wärmer

«Die momentane Erwärmung in Zahlen klingt zwar nach sehr wenig», sagt Christoph Marty, Klimatologe am WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF in Davos, «wenn man aber die Geschwindigkeit der Erwärmung im Verlauf der letzten 2000 Jahre aufzeigt, sieht man, dass die aktuelle Erwärmung massiv und extrem schnell ist. Die erwartete Erwärmung stösst definitiv in Bereiche vor, in welchen die Menschheit noch gar nie gewesen ist.»

In der Folge schneit es heute schon weniger und der Schnee liegt weniger lange am Boden. Marty gehört einer internationalen Forschergruppe an, welche die zu erwartenden Auswirkungen des Klimawandels auf den Wintersport untersucht hat.

Der Wissenschaftler: Christoph Marty, Klimatologe am WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF, Davos GR. (Bild: Museum Burg Zug)

Bis wann können wir noch Ski fahren?

Die Klimaforschung ist sehr vorsichtig mit Prognosen. Gesichert ist einzig: Es wird wärmer. Und dies bedeutet, dass es wegen der steigenden Nullgradgrenze öfter regnen statt schneien wird. Am meisten betroffen vom Klimawandel sind momentan also vor allem die Voralpen. Unterhalb von 2000 m ü.M. ist in den letzten 50 Jahren die Periode mit einer geschlossenen Schneedecke schon jetzt stark zurückgegangen.

Dies betrifft vor allem tief gelegene Gebiete: Seit dem Ende der 1960er-Jahre haben die Tage, an welchen Wintersport betrieben werden kann, um 20–30 Prozent abgenommen. Laut dem vor wenigen Jahren publizierten Klimabericht Schweiz, steigt die Schneegrenze bis zum Ende des 21. Jahrhunderts um bis zu 700 Meter. Dies verkürzt die Skisaison um einen bis zwei Monate.

Kein Schneesport in den Voralpen mehr?

Selbst wenn die globale Temperatur um weniger als zwei Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit ansteigt, wie es das Pariser Klimaabkommen anstrebt, wird es in den Voralpen nicht mehr möglich sein, Wintersportgebiete profitabel zu betreiben. Dies heisst allerdings nicht, dass man nie mehr auf dem Zugerberg, auf dem Hochstuckli oder in anderen tief gelegenen Skigebieten Ski fahren kann. «Klassischer Wintersport in kleinen Voralpenwintersportgebieten ist noch relativ lange möglich, solange genug Fronarbeit geleistet wird», meint Marty.

Findet sich eine Gruppe von Freiwilligen, die bereit ist, in den wenigen Wochen, in welchen Naturschnee liegt, den Skifahrerinnen und Snowboardern ihr Vergnügen zu ermöglichen, kann auch ein kleines und tief gelegenes Skigebiet bestehen. Die Zuger oder Schwyzer Voralpenwintersportgebiete werden also noch eine Weile betrieben werden können, wenn auch nicht rentabel und nur während einer kürzeren Saison. Gegen Ende des Jahrhunderts wird Schneesport allerdings ein teures Luxusvergnügen in wenigen hochalpinen Skigebieten sein.

Tiefe Lage, hohe Investitionen, kurze Einsatzdauer: Pistenfahrzeug auf dem Raten in Oberägeri ZG. (Bild: Museum Burg Zug)

Frau Holle ein Schnippchen schlagen?

Seit den späten 1970er-Jahren ist es möglich, Kunstschnee zu erzeugen. Viele Skigebiete rüsteten mit Beschneiungsanlagen auf. Dank dem künstlichen Schnee können Skigebietsbetreiber tatsächlich die Skisaison verlängern. Sogar die Betreiber des Skilifts auf dem Raten prüften Anfang der 1980er-Jahre die Anschaffung von Schneekanonen, verwarfen das Vorhaben jedoch wieder wegen der immensen Anschaffungskosten und zu hoher Durchschnittstemperaturen. Auf dem Hochstuckli hingegen können die Pisten seit den 1990er-Jahren auch künstlich beschneit werden.

Unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten funktioniert die künstliche Beschneiung, solange genügend Wasser zur Verfügung steht und die Temperaturen unter dem Gefrierpunkt liegen. «Wenn es noch Schneefenster mit Temperaturen deutlich unter dem Gefrierpunkt gibt, kann man eine Piste herrichten. Wenn aber, wie im letzten Winter, auf jede Schneefallperiode zwei Tage später ein Westwindsturm mit Temperaturen über 10 Grad und Regen bis auf eine Höhe von 2000 Metern folgt, dann wird es echt schwierig.»

Dies sagt Pirmin Moser, Verwaltungsrat der Sattel-Hochstuckli AG. Und der «Schneekanonier» Yves Umbricht doppelt nach: «Grundsätzlich kann man, wenn es immer wärmer wird, dem Klimawandel mit Kunstschnee ein Schnippchen schlagen. Aber wenn es in den nächsten Wintern zu warm wird, dann werden wir keinen Kunstschnee mehr machen.»

Für diesen Winter heisst es also: Den Schnee auch im Flachland und auf den Voralpenhügeln geniessen, damit man dereinst den verdutzten Enkeln von eleganten Schwüngen und Schlittenfahrten bis vor die Haustüre erzählen kann. Sie werden dieses Vergnügen wohl nur noch in den Hochalpen geniessen können.

Museum für zu Hause – virtueller 3D-Rundgang

Und wer vom Sofa aus dem Schlitteln, Skifahren und Snowboarden frönen möchte und dabei nicht nur in die Zukunft blicken, sondern vielleicht in eigenen Erinnerungen schwelgen will, der kann einen virtuellen 3D-Rundgang durch die Sonderausstellung «Schnee war gestern – in den Voralpen» im Museum Burg Zug absolvieren: www.burgzug.ch.

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