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Geschichte und Aberglaube um Kaminfeger

Wieso in Luzern Ochsen- oder Pferdeschädel im Kamin hängen

Ein Kaminfeger mit seinem Gesellen. Postkarte um 1900. (zvg. Kurt Lussi)

(Bild: zvg. Kurt Lussi)

Kaminfeger sind beliebte Glücksbringer. Ihnen wird die Fähigkeit zugesprochen, einen Blick in die Zukunft werfen zu können. Blogger Kurt Lussi erklärt, mit welch abenteuerlichen Methoden man im Luzerner Hinterland Dämonen, Hexen und Krankheitsgeister im Kamin abwehrte.

Kaminfeger. Zwischen Weihnachten und dem Neujahrstag kommt man nicht um sie herum. Kein Wunder. Sie sind beliebte Glücksbringer und kaum eine Luzerner Bäckerei oder Konditorei, die etwas auf sich hält, kommt in dieser Zeit ohne sie aus: Zusammen mit rosaroten Schweinchen, Hufeisen und Kleeblättern zieren Kaminfeger Kuchen, Schokoladen und Neujahrstorten.

Die Inflation der schwarzen Männer am Ende des Jahres hat zur Folge, dass der Kurator für Volkskunde besonders häufig mit der Frage konfrontiert wird, weshalb das so ist. Und wie so oft, wenn es um Magisches geht, sind es verschiedene Gründe, die etwas Licht ins Dunkel bringen.

Nun, die Rolle des Kaminfegers im Zauberglauben des Volkes hat in erster Linie mit seiner Tätigkeit zu tun. Als eine Art Peter Pan lebt er zwischen Himmel und Erde, zwischen Tag und Nacht, Licht und Dunkelheit. Von ihm, der täglich Rauch atmet und mit glühenden Kohlen hantiert, glaubte man, er habe einen besonderen Bezug zu Dämonen und Engeln, wenn er im Innern der grossen Kamine hochstieg, um deren Wände von Russ zu befreien. Denn dies war eine ziemlich gefährliche Sache. Manch einer rutschte aus und fiel in die Tiefe oder erstickte jämmerlich, wenn er sich im engen Kamin verhedderte.

Wie man sich ein Stück vom Glück sichert

Das Volk begegnete dem Kaminfeger daher mit einer Mischung aus Faszination und abergläubischer Furcht, denn ein Mann, der dem Tod täglich in die Augen sah und der es zugleich verstand, den Knochenmann immer wieder von Neuem auszutricksen, musste über besondere Kräfte verfügen, die es ihm gestatteten, einen Blick in die Zukunft zu werfen oder Glück zu vermitteln.

Letzteres hat sich in der Volksmeinung niedergeschlagen: Wer einen Kaminfeger sieht oder seinen Weg kreuzt, wer einen seiner Jackenknöpfe berührt oder wem es gelingt, sich mit dem Russ seiner Kleider zu beschmieren, der sichert sich eben ein Stück von jenem Glück, das dem Mann mit dem besonderen Bezug zu den jenseitigen Mächten auf Schritt und Tritt zu folgen scheint.

Mit Unterstützung des Teufels

Zurück auf sein tägliches Pendeln zwischen der russigen Dunkelheit des Kamins und dem hellen Licht des Tages geht vielleicht der alte Glaube, wonach der Kaminfeger die Macht haben soll, Geister zu bannen. Im Gegensatz zu den von der Kirche bestellten Exorzisten tut er dies jedoch nicht mit der Hilfe Gottes, sondern mit der Unterstützung des Teufels.

Deswegen – und sicher auch wegen seines Äusseren – nennt man ihn an manchen Orten auch der «Schwarze». Dies rückt ihn in die Nähe des Teufels, der zuweilen «der Schwarze» genannt wird. Dies erklärt denn auch, weshalb der Satan oft als Kaminfeger mit Bocks- und Geissfüssen dargestellt wird.

Die Mythologie des Kamins

All das hat zu einem guten Teil mit dem Aberglauben zu tun, der sich auf Schornsteine bezieht. Nach dem Volksglauben verbindet der nach oben offene Kamin nämlich nicht nur das Innere des Hauses mit der Aussenwelt, sondern im übertragenen Sinne auch die diesseitige mit der jenseitigen Welt: In der nordischen Mythologie fährt der Weihnachtsmann mit einem von Rentieren gezogenen Schlitten durch die Luft. Durch den Schornstein klettert er hinab ins Haus und füllt die beim Kamin hängenden Strümpfe mit Gaben.

Andererseits brauen nach altem Glauben die Hexen am Kamin ihre geheimnisvolle Flugsalbe, die es ihnen ermöglicht, durch den Schornstein hinaus zum Hexensabbat zu fliegen. Auf einer französischen Postkarte aus der Zeit um 1900 sieht man eine alte Hexe, die eben ihre zwei Gespielinnen mit der Salbe eingerieben hat. Während von der einen bloss noch die Beine zu sehen sind, macht sich die andere nackt auf einem Besen sitzend bereit, ebenfalls durch den Kamin auszufahren, sobald der Weg nach oben frei ist.

Zwischen den Welten

Da der Schornstein von Dämonen, Hexen und Krankheitsgeistern missbraucht werden könnte, um ins Haus zu gelangen, brachte man in seinem Innern Unheil abwehrende Zeichen an. Im Luzerner Hinterland hängte man Ochsen- oder Pferdeschädel in die Rauchfänge oder Schornsteine, wie dies für die Gemeinden Altbüron und Wolhusen belegt ist (zentralplus berichtete). Diese Massnahme sollte Pest bringende Dämonen abwehren und so die Bewohner der Häuser vor seuchenartigen Krankheiten schützen.

Genau dort also, wo dunkle Mächte und magische Schutzzeichen aufeinandertreffen und ihre Kräfte gegeneinander ausspielen, befindet sich das geheimnisvolle Reich des Kaminfegers, der von der einen Welt in die andere pendelt, in Wirklichkeit wie auch im übertragenen Sinne.

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