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Als Pfarrer Müller gegen das Nacktbaden wetterte

Wer in der Stadt Luzern badete, erhielt einst Zuchthaus

Badegäste vergnügen sich im Strandbad Weggis. (Bild: Gemeinde Weggis)

Die Geschichte des Badens in Luzern ist äusserst vielfältig. Lange Zeit war das Nacktbaden üblich. Später wurde mit zwei Wochen Zuchthaus bestraft, wer in der Stadt Luzern im See badete. Vom Baden in kleinen Badstuben im Mittelalter über die ersten Badeanstalten mit zahlreichen Regeln bis hin zu den ersten «gemeinsamen» Bademöglichkeiten im 20. Jahrhundert.

An einem schönen Tag während der warmen Sommermonate kurz in den Vierwaldstättersee eintauchen und sich danach von der Sonne trocknen lassen? So mancher wünscht sich in den kalten Wintermonaten diese Seite Luzerns zurück. Nicht nur heutzutage ist das so, auch Jahrhunderte zuvor war der Vierwaldstättersee ein verlockender Ort für eine kurze Abkühlung.

Baden gingen die Menschen schon im «dunklen Mittelalter»

Das Baden in Luzern ist seit dem 14. Jahrhundert durch ein Ratsbüchlein belegt. Schon der berühmte Luzerner Apotheker Renward Cysat wusste im späten 16. Jahrhundert von der heilenden Wirkung des Badens zu berichten. In den kleinen Badstuben in Luzern, zum Beispiel in der Pfistergasse, neben der Hofkirche oder am alten Inneren Weggistor konnte man in den Badstuben entspannen. Oder sich kleineren ärztlichen Eingriffen unterziehen. Man konnte sich waschen, sich massieren, schröpfen oder sogar schlagen lassen (um die Blutzirkulation zu fördern). Scheiterten die «einfacheren» Methoden, wurde auch zum Aderlass gegriffen oder auch einmal Blutegel an die Haut gesetzt, um gesundheitliche Effekte zu erzielen.

Aber es wurde nicht nur im gesundheitlichen und hygienischen Kontext gebadet. Ein Zeitzeuge Cysats beschrieb, wie er viele junge Männer und Knaben in die Reuss springen sah, welche im See baden gingen. Man kann davon ausgehen, dass öffentliches Baden im See oder in der Reuss wohl doch eine eher seltene Freizeitbeschäftigung war. Wer einmal vereinzelt ganz schamlos ohne Kleider baden ging, wurde lange Zeit wohl nicht belangt oder gerügt. Erst ab 1800 entwickelte sich dies langsam zu einem Problem, wie die Quellen ab dem 19. Jahrhundert zeigen.

Anstössiges Baden – auch an Sonntagen nackt in der Reuss

Der Luzerner Historiker und ehemalige Direktor des historischen Museums Luzern, Heinz Horat, beschreibt in seinem Buch «Seelust», die Anfänge des Badens in Luzern und zeigt auf, dass das Baden ab dem 19. Jahrhundert grosse Beliebtheit erlangte. Doch auch kritische Stimmen erhoben sich. Einer, der sich vor allem wegen der immer grösser werdenden Begeisterung für das Schwimmen ärgerte, war der damalige «Pfarrer Müller». Neben ihm beklagten sich auch sonst zahlreiche Bürger, dass das «anstössige» Baden in der Öffentlichkeit allen Regeln des Anstandes widersprach.

So beklagte sich Müller einmal, dass über 30 Knaben in der Reuss, nahe der Baselstrasse, badeten, im Wasser herumsprangen und Lärm verursachten. Dies vermittelte einen schlechten Eindruck der Stadt und entsprach allem anderen als den Normen der damaligen Gesellschaft. Sogar an Sonntagen würde gebadet. Und das sogar nackt, was «doppelt anstössig» war.

Die Regeln des Badens

So brachte er den Stadtrat, welcher ebenfalls der Meinung war, dass das öffentliche Schwimmen ein Problem war, schon bald dazu, einige neue Regelungen für das Baden einzuführen. In einer Zeit, in der für praktisch alles Verbote und Regelungen eingeführt wurden, wurde ab dem 19. Jahrhundert auch das Baden einer Handvoll Regelungen unterworfen.

Doch weil das Baden nicht nur schlecht war, sondern eben auch viele positive gesundheitliche Auswirkungen hatte, wollte der Stadtrat dieses nicht gänzlich verbieten. Vielmehr wollte er «die badende Menge» von der Stadt fernhalten. Horat beschreibt, dass im Jahre 1815 deshalb folgende Regeln für das Baden galten:

  1. Wer keine Schwimmhose oder ein «Schamtuch» trug, durfte nicht baden gehen
  2. Baden war nur an Werktagen erlaubt
  3. Baden war erst ab 16 Uhr erlaubt
  4. Frauen und Männer mussten getrennt baden
  5. Badende durften keinen Lärm verursachen
  6. Das Baden durfte niemals zur «Zügellosigkeit» führen

Falls die Trennung von Mann und Frau architektonisch nicht möglich war, wurde ganz einfach eine grosse Holzfassade als Sichtschutz aufgestellt. Wie es Horat ironisch ganz treffend beschreibt: «Um 1900 war die Welt noch in Ordnung. Da wusste man noch, wo man hingehörte. Jedenfalls in der Badeanstalt: die Frauen links, die Männer rechts. Holzwände trennten die Abteilungen.»

Wer in der Stadt Luzern badete, musste ins Zuchthaus

Weiter wurde auch ein Bussgeld eingeführt, welches bezahlt werden musste, falls man irgendwo innerhalb der Stadt Luzern baden ging. Vier Franken Busse musste man bei einmaligem Baden bezahlen, acht bei einem weiteren Male, und wer gar dreimal illegalerweise baden ging, wurde zu zwei Wochen Zuchthaus verurteilt. So wurden in den nächsten Jahren zahlreiche Bürger gerügt und von Mitbürgern angezeigt, weil sie die Regeln missachteten.

Natürlich brauchte es nun aber andere Möglichkeiten zu baden, weil es in Stadtnähe nicht mehr erlaubt war. So wurde 1827 schliesslich der erste öffentliche «Schwimmbereich» eröffnet. In der Nähe des heutigen Verkehrshauses, an der Bellerive, wurde mit grossen Holzbalken ein grosser Teil des Sees markiert, in dem die Menschen baden gehen konnten. Weil der Fremdenverkehr und der Tourismus ab den 1850er-Jahren exponentiell zunahm, berücksichtigten natürlich auch die Hoteliers das neue Bedürfnis des Badens.

Getrennt und abgesperrt

Die Dutzenden von neuen Hotels wurden praktisch alle in Seenähe gebaut, um den Gästen das Baden im atemberaubenden Vierwaldstättersee zu ermöglichen. So entstanden Badebereiche im Tivoli, an der Alpenstrasse, neben der Spreuerbrücke, das Geissmattbad oder das Bad bei St. Karli. Diese wurden komplettiert von einem grosszügigen Badeangebot im Alpenquai. Überall musste jedoch getrennt und innerhalb des Badebereiches gebadet werden.

Schwimmen im See beim Lido Luzern, 1938. (Bild: Karl Manz/AURA)

Das erste nicht getrennte Strandbad: das «Schandbad»

Diese Veränderungen mündeten schliesslich darin, dass 1919 das erste offene Strandbad eröffnet wurde. Das Strandbad Weggis. Es war ein Strandbad, wo Männer und Frauen gemeinsam baden konnten. Schnell wandelte es sich im Volksmund jedoch vom Strand- zum «Schandbad».

Mit Dutzenden Umkleidekabinen und zahlreichen Möglichkeiten zu Baden und sogar mit einem Sprungbrett war dieses Bad ähnlich wie die Badis, die wir heute kennen. Trotz einigen Reklamationen und zeitweiliger Kontrolle durch die Polizei im Strandbad funktionierte das gemeinsame Baden ganz gut.

Als «Zuschauer» in die Badi

So scheint, dass das Strandbad vor 100 Jahren in etwa so aussah wie heute. Doch war einiges grundsätzlich anders. So kam nur etwa die Hälfte der Besuchenden des Strandbades auch wirklich zum Baden. Über ein Drittel ging als sogenannte «Zuschauer» in die Badi. Das Strandbad Weggis vermerkte in seinen jährlichen Statistiken über die Besucherzahlen eine Sparte, welche für Stirnrunzeln sorgt. So badeten im Jahr 1919 von den etwas mehr als 30'000 Besuchern nur 18'000.

Über 13'000 sind in der Sparte «Zuschauer» vermerkt. Horat beschreibt, dass es ganz alltäglich war, normal gekleidet in die Badi zu gehen und seine Fotokamera mitzunehmen, um die zahlreichen Menschen im Wasser zu fotografieren. Die prüde Gesellschaft von damals erfreute sich an den reizvollen Badekostümen ungemein. Die grosse Anzahl an Fotografierenden wurde schon bald zu einem Problem und nahm derartige Dimensionen an, dass es bald wieder verboten wurde.

So nahm die Entwicklung ihren Lauf. Der Grundstein für die Strandbäder war gelegt und bereits einige Jahre nach dem Strandbad Weggis wurde das noch heute so beliebte Lido gegründet. Neben den bereits existierenden Bädern wurden auch die «Seebadi» und die «Ufschütti» zu äusserst beliebten Badeorten. Langsam hatte sich das Baden so also zu einer der beliebtesten Sommertätigkeiten entwickelt, wie wir sie bis heute kennen.

Fotografierender Besucher im Strandbad Weggis. (1928) (Bild: «Seelust – Badefreuden in Luzern von Heinz Horat» HMLU H 60)
Verwendete Quellen
  • Heinz Horat, Seelust, Badefreuden in Luzern, Luzern im Wandel der Zeiten, Heft 12, Stadt Luzern (Hg.), Luzern, 2008.

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