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Gewerkschaftsbund des Kantons Zug wird 80-jährig

Warum es in Zug jeweils zwei 1.-Mai-Feiern gab

Für viele Anliegen setzt sich der GBZ seit Jahrzehnten ein, so auch für die Lohngleichheit von Frau und Mann, wie am diesjährigen 1. Mai demonstriert wurde

(Bild: SGB)

Dieses Jahr feiert der Gewerkschaftsbund des Kantons Zug (GBZ) sein 80-jähriges Bestehen. Das gewerkschaftliche Engagement im Kanton Zug war von unterschiedlichen Hürden geprägt.

Bereits vor der eigentlichen Gründung des Gewerkschaftskartells Zug (GKZ) am 23. März 1938 gab es in Zug Arbeiterorganisationen und Gewerkschaften. So rief die Arbeiterunion Zug – in der verschiedene Gewerkschaften wie die Metallarbeitergewerkschaft, der Holzarbeiterverband oder Schneiderverband sowie die Sozialdemokratische Partei dabei waren – anlässlich des Landesstreiks am Montag, 11. November 1918, zu einer «Riesendemonstration» auf dem Zuger Postplatz auf.

Zwar folgten diesem Aufruf kaum 400 Streikende und die Arbeit wurde bereits am 13. November wieder aufgenommen (ein Artikel in diesen September erscheinendem Tugium geht der Frage nach, weshalb der Landesstreik in Zug keine grösseren Wellen geworfen hatte). Dennoch konnten die Arbeiterorganisationen aus ihrem Engagement Kapital schlagen. Weil die kantonalen Wahlen aufgrund der Spanischen Grippe auf den Dezember verschoben wurden, wurde im aufgeheizten innenpolitischen Klima jeweils ein Sozialdemokrat in den Regierungsrat und die Exekutiven in Baar und der Stadt Zug gewählt.

Dominierendes Triumvirat

Die striktere Trennung von politischen und gewerkschaftlichen Funktionen zwischen der Sozialdemokratie und dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) auf nationaler Ebene führte schliesslich zu einer Schwächung der Arbeiterunionen und der Gründung von kantonalen Gewerkschaftskartellen – 1938 auch in Zug. Doch die Zuger Organisation hatte zu Beginn nur schon Mühe, alljährlich eine Delegiertenversammlung einzuberufen. Dies änderte sich, als der spätere SP-Regierungsrat Clemens Meienberg 1944 die Fäden in die Hände nahm und sich als Präsident des GKZ wählen liess – wobei er insistierte, das Amt «nicht länger als bis zum [kommenden, Anm. d. Autors] Frühling» übernehmen zu wollen. Insgesamt wurden es 19 Jahre.

Meienberg führte die Geschicke von GKZ, der Zuger Sektion des Schweizerischen Metall- und Uhrenarbeiterverbandes (SMUV) und der SP Zug gemeinsam mit Fritz Jost und Paul Heusser praktisch im Alleingang. Die drei teilten sich nicht nur die wichtigsten Ämter innerhalb der Organisationen auf, sondern auch die politischen Mandate. So sass der gelernte Heizungsmonteur Jost während seiner Zeit im Nationalrat von 1943 bis 1947 auch im Kantonsrat und der städtischen Exekutive und amtete zudem als Präsident der städtischen SP und der Kantonsratsfraktion – eine heute nicht mehr denkbare Ämterkumulation!

Stimmfreigabe zur Schwarzenbach-Initiative

Zwar konnte die Zuger Gewerkschaftsbewegung nach dem Zweiten Weltkrieg ein Ausrufezeichen setzen, als am 1. Mai 1946 über 1’000 Personen am Demonstrationszug teilnahmen, doch dauerte das Frühlingserwachen nur kurz an. In der Folge konzentrierten sich SP und GKZ auf sozialpartnerschaftliche Verhandlungen, wobei sie in der katholisch-konservativen Hochburg beschränkten Einfluss nehmen konnten.

An den ersten Maifeiern nach dem Zweiten Weltkrieg organisierte das Gewerkschaftskartell noch Demonstrationszüge. Möglicherweise handelt es sich um eine Aufnahme von 1946

An den ersten Maifeiern nach dem Zweiten Weltkrieg organisierte das Gewerkschaftskartell noch Demonstrationszüge. Möglicherweise handelt es sich um eine Aufnahme von 1946

(Bild: Staatsarchiv Zug)

Die Maifeiern wurden von der Strasse in Kinos verlegt, bevor sie von 1970 bis 1972 ganz abgesagt wurden. Zunehmend konnten fremdenfeindliche Parolen in Kreisen der Arbeiterschaft vernommen werden. Nachdem die Zuger SP 1970 die Ja-Parole zur fremdenfeindlichen Schwarzenbach-Initiative gefasst hatte, entschied sich das GKZ – wohlwissend um den hohen Italieneranteil in den eigenen Reihen – für die Stimmfreigabe.

«Traditionelle» und «offizielle» Maifeier

Erst die Zuger Ausläufer der «68er»-Bewegung mischten die zuweilen ideenlosen und überalterten Arbeiterorganisationen auf. Zunächst in der Zuger SP, danach ab 1973 in der Revolutionären Marxistischen Liga (RML), die den 1. Mai in den 1970er-Jahren zurück auf die Strasse brachte, was zur Besonderheit führte, dass es in Zug jeweils zwei 1.-Mai-Feiern gab – die «offizielle» des GKZ mit Ansprachen auf dem Landsgemeindeplatz oder im Coop-Restaurant und die «traditionelle» der jungen Revolutionäre mit Demonstration und klassenkämpferischen Parolen.

Rangierarbeiter mit Regierungsrat Clemens Meienberg (Mitte, vordere Reihe) anlässlich des 50 Jahre-Jubiläums des Zuger SEV-Rangierpersonalverbands, 1948

Rangierarbeiter mit Regierungsrat Clemens Meienberg (Mitte, vordere Reihe) anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums des Zuger SEV-Rangierpersonalverbands, 1948.

(Bild: Archiv Familie Windlin)

Ab den 1980er-Jahren hatte das GKZ, 1983 in Gewerkschaftsbund des Kantons Zug (GBZ) umbenannt, mit den Folgen der einsetzenden Deindustrialisierung in der Metallwarenfabrik, Verzinkerei und Landis & Gyr zu kämpfen. Gleichzeitig traten die jungen Linken den Marsch durch die Arbeiterorganisationen und – teilweise – politischen Gremien des Kantons an. Von 1992 bis 2007 präsidierte der langjährige RML-Aktivist Bruno Bollinger den GBZ, holte die mit je einem Sitz im Regierungsrat vertretenen SP und Sozialistisch-Grüne Alternative (SGA) an denselben Tisch für gemeinsame Abstimmungskampagnen und engagierte sich intensiv für die (Weiter-)Bildung der Arbeitnehmenden.

Steuervorlage 17 als Bewährungstest

Im Zuge verstärkter Globalisierungsprozesse und des Aufkommens nationalkonservativer Kräfte spielte das Verhältnis der Gewerkschaften zur Migrationspolitik in den letzten Jahren eine grosse Rolle. Gerade auf einem Terrain wie Zug, wo sich internationale Grosskonzerne in hoher Dichte tummeln, fällt den Gewerkschaften die Aufgabe zu, nicht nur die Interessen der hier Beschäftigten zu vertreten, sondern auch auf die Folgen des globalen Lohndumpings und die Verflechtungen vom Reichtum einiger weniger Grossunternehmen und der Armut im globalen Süden hinzuweisen und die Konzerne in die Pflicht zu nehmen.

Insofern verfügt die Positionierung der Gewerkschaften bei der Steuervorlage 17 respektive dem geplanten Paket mit der AHV-Revision über eine bedeutende Signalwirkung hinsichtlich der Zukunft zugerischer, schweizerischer und internationaler Gewerkschaftspolitik und bietet eine ungewohnte Möglichkeit, die Gewerkschaften in der Öffentlichkeit als bedeutenden Player wahrzunehmen.

Berichterstattung der Luzerner Neuste Nachrichten über die beiden 1. Maifeiern von 1975

Berichterstattung der Luzerner Neuste Nachrichten über die beiden 1.-Mai-Feiern von 1975.

(Bild: www.munggenverlag.ch)

Denn die Geschichte des GBZ lehrt, dass dessen grösste Errungenschaften nicht in spektakulär gewonnenen Abstimmungen oder Streiks, sondern im Abwehren von Abbauvorlagen wie dem jüngsten Zuger Sparpaket und ausufernden Erweiterungen der Ladenöffnungszeiten auf Kosten der Arbeitnehmenden oder mühsam erkämpften und verhandelten Teilerfolgen wie einem verbesserten Arbeitnehmerschutz, anständigen Löhnen und Kinderzulagen bestehen, ohne die das Leben im Kanton Zug für ein Gros der Arbeitnehmenden noch weniger erschwinglich wäre.

Der Autor gehört dem Vorstand des GBZ an, welcher diesen Freitag, 14. September, einen öffentlichen Jubiläumsanlass durchführt. Weitere Infos zum Anlass finden Sie unter folgendem Link: https://www.sgb-zg.ch/aktuell/artikel/details/jubilaeumsanlass-80-jahre-gbz/

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