Viel Landwirtschaft und ein römisches Industriegebiet
Bekanntlich ist der Kanton Zug heute ein wichtiger Wirtschaftsstandort, vor allem auch für internationale Firmen. Doch wie stand es vor 1800 Jahren, als die Römer grosse Teile Europas – unter anderem das Schweizer Mittelland – beherrschten, mit Zug?
Bekanntlich ist der Kanton Zug heute ein wichtiger Wirtschaftsstandort, vor allem auch für internationale Firmen. Doch wie stand es vor 1800 Jahren, als die Römer grosse Teile Europas – unter anderem das Schweizer Mittelland – beherrschten, mit Zug?
Fernab der Zentren
Ich muss Sie enttäuschen: Das Gebiet des heutigen Kantons Zug war zwar von etwa 50 v. Chr. bis 450 n. Chr. Teil des römischen Weltreichs, lag jedoch fernab der Zentren. Die Hauptrouten über die Schweizer Alpen führten über den Grossen St. Bernhard und den Splügenpass.
Wege durch die Zentralschweiz waren wohl vorhanden, aber von untergeordneter Bedeutung und daher nicht sehr aufwendig ausgebaut. Dies ist wohl mit ein Grund, weshalb im Kanton Zug bisher keine römischen Strassen ausgegraben wurden. Archäologische Einzelfunde, Heiligtümer und Friedhöfe aus römischer Zeit geben uns trotzdem Hinweise auf den Verlauf der Verkehrswege. Gräber beispielsweise lagen immer entlang der Strassen und ausserhalb der Siedlungen. An Grenzen und Kreuzungen legten die Römer zudem Wegheiligtümer an. Dort brachten Vorbeiziehende kleine Gaben – zum Beispiel Münzen von geringem Wert – dar, um für eine sichere Reise zu bitten. So erstaunt es nicht, dass an diesen Stellen oft mehrere Dutzend Münzen gefunden werden.
Gutshöfe statt Dörfer und Städte
Das verbreitetste Gewerbe in römischer Zeit war die Landwirtschaft. Die Besiedlung des heutigen Kantons Zug erfolgte ausschliesslich durch Landgüter (villae). Dies waren weitläufige Landwirtschaftsbetriebe mit bis zu 200 Bediensteten und Landarbeitern. Wir kennen im Kanton Zug den Standort von fünf Gutshöfen: Cham-Heiligkreuz, Baar-Zentrum, Risch-Holzhäusern, Risch-Muriweid und Zug-St. Michael.
Der Gutsherr lebte mit seiner Familie im stattlichen Herrenhaus – selbstverständlich mit geheiztem Badegebäude –, das im Zentrum des Gutshofes stand. Eine Mauer umgab das Areal. Daran waren die Ställe und Speicher für die Landwirtschaft, aber auch Werkstätten und Unterkünfte für die Landarbeiter angebaut. Die Gutshöfe produzierten nicht nur für den Eigenbedarf, sondern waren auch verpflichtet, Steuern in Form von Naturalien abzuliefern, die zum Beispiel der Versorgung der römischen Armee dienten. Überschüsse wurden verkauft.
Ein römisches Industriegebiet wird freigelegt
Die wichtigste römische Fundstelle im Kanton Zug befindet sich in Cham-Hagendorn. Ihre Bedeutung weit über die Landesgrenzen hinaus verdankt sie allerdings nicht ihrer tatsächlichen Bedeutung in römischer Zeit, sondern den exzellenten Erhaltungsbedingungen im feuchten Boden.
Die Fundstelle wurde 1944 zufällig im Rahmen der «Anbauschlacht» zur Gewinnung von Ackerland entdeckt. 1944/45 konnte ein römisches «Industriegebiet» ausgegraben werden, darunter eine römische Wassermühle mit hervorragend erhaltenen Holzteilen. Sie gilt nach wie vor als eine der besterhaltenen römischen Mühlen überhaupt.
Im 2. und 3. Jahrhundert konnten in Hagendorn dank der Wassermühle grosse Mengen an Getreide gemahlen werden. Je nach Mahlgrad wurde das Getreide später zu Brei, Brot oder gar zu Bier verarbeitet. Um in römischer Zeit eine Wassermühle zu bauen, brauchte es nicht nur technisches Spezialwissen, sondern auch entsprechende finanzielle Mittel, welche durch Überschussproduktion erwirtschaftet wurden. Die Mühle gehörte sehr wahrscheinlich zum nur 1,4 km entfernten Gutshof Cham-Heiligkreuz. Das dazugehörende Umland dieses Landwirtschaftsbetriebes umfasste eine Fläche von 1100–2500 Hektaren. Es waren somit genügend Anbauflächen für Getreide vorhanden, um Überschuss zu produzieren. Man geht davon aus, dass in der Wassermühle von Hagendorn jährlich etwa 1100–1400 Tonnen Getreide verarbeitet wurden. Damit liessen sich pro Jahr 3500 bis 4500 Personen ernähren. Möglicherweise bezogen auch die römischen Truppen, die damals am obergermanisch-raetischen Limes zwischen Rhein und Donau stationiert waren, Getreide, Mehl oder sogar Bier aus Hagendorn.
Für den Unterhalt der Mühle befanden sich in Hagendorn zudem Werkstätten. Ein Schmied stellte Werkzeuge oder Ersatzteile aus Eisen her, ein Zimmermann oder Schreiner war für den Unterhalt der hölzernen Konstruktionsteile der Mühle und Kanäle verantwortlich.
In der Nähe befand sich sehr wahrscheinlich auch ein römisches Heiligtum. Bedeutende Funde wie Glasgefässe, Terrakotta-Figuren von Göttinnen, viel Geschirr für das Kultbankett und kostbare Kleinfunde geben Hinweise darauf. Es ist gut möglich, dass hier die Bewohner des nahe gelegenen Gutshofes von Cham-Heiligkreuz den Göttern opferten.
Eine Sonderausstellung im Museum für Urgeschichte(n) Zug
Möchten Sie mehr über die römische Zeit im Kanton Zug und die Wassermühle in Cham-Hagendorn erfahren? Dann besuchen Sie die aktuelle Sonderausstellung «Geschichte(n) am Kanal – Cham-Hagendorn in römischer Zeit» im Museum für Urgeschichte(n) in Zug. Weitere Informationen dazu finden Sie auf der Webseite des Museums.