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Kostspielige Pilgerreise nach Israel

Touristenfallen warteten schon im 16. Jahrhundert auf Luzerner

Die Grabeskirche zu Jerusalem von Georg Macco (1863-1933), 1933. (Bild: zvg)

Pilgerreisen ins Heilige Land waren spätestens nach den Kreuzzügen en vogue. Ein Innerschweizer wagte im ausgehenden 16. Jahrhundert die Reise nach Jerusalem und erlebte scheinbar alles, was wir heute als Touristenfalle bezeichnen würden.

Seit der Spätantike ist Jerusalem aus unterschiedlichsten Motiven ein Anziehungspunkt für Christen aus aller Welt. Reiseberichte aus subjektiven Erzählungen über das Erlebte im Heiligen Land treten aber erst ab dem 13. und 14. Jahrhundert auf und geben Einblick in eine längst vergangene Art zu reisen und in die lokale Kultur.

Reiseberichte sind zwar wertvolle, aber mit Vorsicht zu geniessende Quellen. Sie sind keinesfalls wertfrei, dienen oft einem bestimmten Zweck und können deshalb auch gewisse Ereignisse oder Eindrücke verschweigen. Sie spiegeln also nicht die soziale Realität wider, sondern sind als Produkt eines langen Prozesses der Wahrnehmung, Deutung und Bewertung zu betrachten.

Ein Luzerner auf fremden Wegen

Auch Innerschweizer unternahmen Pilgerfahrten ins Heilige Land und hielten ihre Erlebnisse in Reiseberichten fest. Unter anderem im 16. Jahrhundert der Luzerner Johannes von Laufen. Er war der Sohn des Wirtes des Gasthofes «zum Schlüssel» und sein Stiefbruder war kein Geringerer als der bekannte Stadtschreiber Renward Cysat. Dieser ist auch verantwortlich dafür, dass wir heute so gut über die Reise von Laufen Bescheid wissen.

Warum entschied sich ein Luzerner, den langen und gefährlichen Weg durch osmanisches Gebiet auf sich zu nehmen, um ins Heilige Land zu reisen? Der Reisende selbst führt christliche Motive auf: Er wolle die heiligen Stätten des Christentums mit eigenen Augen ansehen, verehren und Ablass erhalten, schrieb Johannes von Laufen.

Andererseits bot ihm die Pilgerreise auch eine Chance, Networking zu betreiben, denn in seiner Reisegruppe von zehn Eidgenossen waren lokale Politiker und Geistliche dabei. Für den erst 23-Jährigen also eine gute Möglichkeit, um seine Karriere voranzutreiben.

Die Reiseroute

Am 11. Mai 1583 verliess die Pilgergruppe Luzern in Richtung Jerusalem. Nach 14 Tagen erreichte die Gruppe um Johannes von Laufen und Melchior Lussi Venedig. Von dort aus fuhren sie mit einem Handelsschiff via Kreta und Zypern nach Tripolis im heutigen Libanon. Mit französischen Pässen ausgestattet, die als Passierscheine galten, gelangten die Eidgenossen per Schiff von Tripolis nach Jaffa im heutigen Israel.

Offenbar absolvierte Johannes von Laufen eine geführte Gruppenreise. Auf dem Programm standen typische Besuche in der Grabeskirche in Jerusalem, der Kapelle neben dem Geburtshaus Marias, dem Grab der Gottesmutter und dem Grab des Lazarus.

Der Aufenthalt im Heiligen Land dauerte nicht allzu lang, denn um den 6. August trafen die Pilger wieder in Jaffa ein. Via Zypern gelangten sie nach Gallipoli in Italien und reisten von dort aus über Neapel und Rom nach Padua. In Padua trennte sich Johannes von Laufen von seiner Gruppe und kehrte erst 1584 auf Wunsch seines Stiefbruders nach Luzern zurück.

Erstellung des Reiseberichts

Wieder in Luzern übernahm Johannes von Laufen 1587 den Gasthof «Zum Schlüssel» und verfasste zusammen mit seinem Stiefbruder Cysat einen Bericht über seine Reise nach Jerusalem. Dieser basierte auf den Tagebucheinträgen und mündlichen Überlieferungen von Laufens, den Reiseberichten seiner Begleiter und Briefen.

Geld regiert bereits im 16. Jahrhundert

Über weite Teile liest sich der Reisebericht so, als sei die Reise eine sehr kostspielige Angelegenheit, und klingt, als ob Johannes von Laufen aus heutiger Sicht in eine Menge Touristenfallen getappt wäre. Muslime kommen in seinem Reisebericht überhaupt nicht gut weg.

Seinen Anfang fand dies bereits auf der Hinreise nach Tripolis, mit Geldforderungen und Erpressungen durch einen Hauptmann der osmanischen Flotte. Dieses Erlebnis veranlasste von Laufen die «Türgken» als «gottlose vnd trüwlose barbarische hund» zu bezeichnen.

Im gleichen Stil ging es weiter: Zollabgaben in Tripolis und Jaffa, kostenpflichtige Geleitbriefe und Empfehlungsschreiben, Einlassgebühren in Jerusalem, Überfälle und weitere Erpressungen. Auch das «Sightseeing» in Jerusalem selbst war nicht gratis: Sowohl in der Grabeskirche, dem Grab Marias und der Geburtskirche Jesu wurde von den Pilgern Eintritt verlangt. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als den Aufforderungen zu folgen, da sie den lokalen Gesetzen unterworfen waren.

Von Laufen machte seiner Wut über das Erlebte Luft, indem er die «Türcken» verallgemeinernd als geldgierig und diebisch betitelte. Er unterschied die Muslime, welche er traf, weder nach Herkunft noch nach sozialer Stellung. «Von bossheit vncl gytz wegen» verlangte offenbar der Statthalter von Ramla, einer Stadt zwischen Jaffa und Jerusalem, sowohl auf dem Hin- wie auch auf dem Rückweg Geld und Ehrengeschenke.  

Auch vor den Geleitleuten, die eigentlich für die Sicherheit der Pilger sorgen sollten, waren die Eidgenossen scheinbar nicht sicher: Beim Ablegen des Schiffs in Jaffa am 6. August 1583 forderten diese ebenfalls noch Geld. Entsprechend froh war von Laufen also, dem «vnsinigen, gelltgirigen, gottlosen, vnchristlichen volck» entkommen zu sein.

Das Islambild Johannes von Laufens

Augenfällig ist, dass sich der Autor auch über die baufälligen Gotteshäuser und Verwahrlosung von Städten wie Jaffa beschwert und die Schuld für deren Zerfall oder Zerstörung den Osmanen zuschiebt. Bei der Rückkehr stiessen die Pilger in Zypern auf enteignete Bauern, einen Bischof und Klosterbrüder, was die Wahrnehmung von Laufens kaum zum Positiven veränderte.

Nicht unerwähnt bleibt im Reisebericht die Umwandlung von Kirchen in Moscheen. Das Betreten der Moscheen war den Pilgern übrigens strengstens verboten und bei einer Widerhandlung drohte entweder der Tod oder die Konversion zum Islam.

Über die Kultur, auf welche die Pilger stiessen, wie zum Beispiel die Beschreibung des Aussehens, der Lebensgewohnheiten und des Glaubens der Muslime erfahren wir im Reisebericht beinahe nichts und wenn dann nur in beiläufiger Form.

Das negative Islambild von Laufens geht über die persönlichen Erlebnisse des Pilgers hinaus und wurzelt offenbar in der muslimischen Herrschaft des Heiligen Landes. Bei Johannes von Laufen vermischten sich gängige Stereotypen wie die vermeintliche Lüsternheit, die Geldgier, die Unfähigkeit schöpferisch tätig zu sein und zur Instandhaltung, Geldgier und Hinterhältigkeit zu einem mächtigen muslimischen Feindbild.

Warum einen Reisebericht verfassen?

Um den Bogen zum Anfang zu spannen, ist zu betonen, dass Reiseberichte auch immer eine Möglichkeit zur Selbstinszenierung geboten haben. Die vermeintlich erlittenen Demütigungen und Misshandlungen und die Ablehnung, zum Islam zu konvertieren, sind schlagkräftige Argumente für den starken Glauben der eigenen Person.

Das erlittene Leid veranlasste Johannes von Laufen, sich sogar mit Jesus zu vergleichen, oder zumindest zu glauben, auf «seinen Spuren gewandelt zu sein». Der Bericht über seine Reise nach Jerusalem im Jahr 1583 kann also abschliessend als Versuch Johannes von Laufens gesehen werden, die Kontrolle über das Erlebte auf seiner Reise von Luzern nach Jerusalem wiederzuerlangen.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Billie Holiday
    Billie Holiday, 17.07.2020, 16:55 Uhr

    Muss jetzt wirklich auch noch ein bunter Bericht aus dem späten 16. Jahrhundert vor das Inquisitionstribunal zeitgeistiger Sprachregelung und besserwisserischer Psychologisierung post festum gezerrt werden? Man könnte sich ja auch einfach über eine originelle und saftige Abenteuererzählung freuen. So haben‘s die Leser genossen, an die der Autor sich richtete. Was einer heute rummoralisiert, ist im Grunde vollkommen egal. Schade hat er über den Bericht nichts Interessanteres zu berichten.

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    • Profilfoto von philippebucher
      philippebucher, 17.07.2020, 21:57 Uhr

      Vielen Dank für Ihre konstruktive Kritik, darüber freue ich mich immer sehr, da sie mir bei der Verbesserung meiner zukünftigen Beiträge hilft. Der Artikel ist als journalistischer und nicht als wissenschaftlicher Beitrag gedacht, deshalb der Versuch das Thema mit «zeitgemässen» Begriffen nahbarer zu machen. Offenbar ist dieser Versuch nicht gelungen, weshalb ich in Zukunft darauf verzichten werde.
      Wenn Sie mit der besserwisserischen Psychologie auf den letzten Abschnitt anspielen, dann verweise ich Sie gerne auf den Artikel, auf welchen ich mich in diesem Beitrag beziehe. Denn dieses «Urteil» stammt vom Autor und nicht von mir.
      Siehe: Michael Gabathuler, Von «kotzenden Hunden» und anderen «Beobachtungen». Innerschweizer Jerusalempilger und ihr Schreiben über Muslime, in: Der Geschichtsfreund, 172. Band 2019, S. 85-105.

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