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Weil Luzerner Söldner gegen Luzerner Söldner kämpften

Stadt-Land-Graben: Vor 500 Jahren kam es zum Zwiebelnkrieg

Bei der Schlacht von Marignano kämpften Luzerner Söldner auf beiden Seiten. (Bild: Wikipedia)

In einer blutigen Schlacht im piemontesischen Novara kämpften im Jahre 1513 Luzerner Söldner gegen andere Luzerner. Dies führte schliesslich zum sogenannten Luzerner Zwiebelnkrieg, in dem sich Tausende Bauern vor den Luzerner Stadtmauern versammelten und die Vorgärten der Stadt verwüsteten. Auch nach der Belagerung kam es in Luzern und der Umgebung noch zu Kraftproben zwischen Stadt und Land.

Luzern agierte im Jahre 1500 weitgehend wie ein autarker Staat. Durch den wirtschaftlich hervorragenden Standort der Stadt hatte man viele Handelsmöglichkeiten und strategische Vorteile gegenüber anderen Orten. Dank der weiten Landschaft mit vielen Bauernhöfen rund um die Stadt Luzern herum konnten sich die Luzerner grösstenteils selbst versorgen und waren nur in wenigen Bereichen auf Importe angewiesen.

Das wohl lukrativste Geschäft der Luzerner und auch sonst vieler eidgenössischer Orte zu dieser Zeit hatte jedoch wenig mit Bauernhöfen zu tun. Viel mehr war es das Mobilisieren und Bereitstellen von hauseigenen Söldnern an ausländische Mächte, die Krieger brauchten (siehe Box am Ende).

Luzerner kämpften in der Lombardei in vielen Schlachten  

Um den Aufstand vor den Stadtmauern Luzerns – den Zwiebelnkrieg – vollständig nachvollziehen zu können, muss man ein wenig weiter ausholen und noch ein paar Jahre zurückdrehen. 1499 eroberte der französische König Ludwig XII. die Lombardei, welche bis anhin vom Herzog von Mailand, Ludovico Sforza, kontrolliert worden war. Einige Jahre später wollte dieser sein Reich zurückerobern. Dazu heuerte er Tausende Söldner aus der Schweiz an und belagerte die Franzosen.

Da die Söldner aus der Schweiz sehr begehrt und effizient waren, heuerte auch der französische König Tausende Söldner aus der Schweiz an. Die Eidgenossen, die für den mailändischen Herzog kämpften, hatten keine Chance auf eine siegreiche Schlacht. Bevor es zu einem Blutbad kam, handelten sie eine Kapitulation mit dem französischen König Ludwig XII. aus, die ihnen einen freien und sicheren Abzug aus der Lombardei gewährte.

Unbesiegbare Luzerner

Ludovico Sforzas Sohn, Massimiliano Sforza, versuchte im Jahr 1512 nochmals, das Gebiet in der Lombardei zurückzuerobern. Dieses Mal verbündete er sich mit den Eidgenossen, der Republik Venedig und dem kleinen spanischen Königreich Aragon. So gewann er den sogenannten «grossen Pavierzug» und eroberte die Lombardei zurück, woraufhin die Franzosen Italien verlassen mussten. Die Eidgenossen wurden nach dieser Schlacht zu den Schutzherren des Herzogtums Mailand. Die Krieger aus Luzern und den anderen Orten der alten Eidgenossenschaft galten nahezu als unbesiegbar.

Frankreich gab sich so jedoch nicht geschlagen und ein Jahr später, im Sommer 1513, griff der französische König Ludwig XII. nochmals an. Der Schultheiss aus Luzern, Petermann Feer, konnte vor der Schlacht Tausende Söldner aus Luzern mobilisieren, welche er König Ludwig zur Verfügung stellte. So kam es erneut zu einer blutigen Schlacht, in der Luzerner gegen Luzerner kämpften. Die Schweizer auf der Seite des mailändischen Herzogs konnten die Franzosen in dieser Schlacht abwehren und gewannen den Kampf. Aber wieder starben Hunderte, wenn nicht Tausende Söldner. Das Blutbad war aber noch nicht zu Ende. Das letzte Kapitel war die berühmte Schlacht von Marignano, in der die Franzosen den Mailändern den endgültigen Todesstoss versetzten.

Die Eidgenossen, die mit dem mailändischen Herzog und dem Papst verbündet waren, verloren die Schlacht und wieder starben auf beiden Seiten Schweizer Söldner. Bei dieser Schlacht waren es zusammengerechnet rund 10'000 tote Schweizer Söldner. Danach unterzeichneten die Anführer der Eidgenossen einen Friedensvertrag mit Frankreich und mussten eine Kriegsentschädigung zahlen, sowie jedes Jahr mindestens 6000 Söldner an Frankreich abtreten.

Die Luzerner wollten eine Veränderung

Immer wieder kamen Nachrichten nach Luzern, dass bei einer weiteren Schlacht Hunderte oder Tausende Luzerner Söldner im Krieg gestorben waren. Doch nach der Schlacht von Novara im Sommer 1513, in der abermals Tausende Luzerner gegen Luzerner gekämpft hatten und ihr Leben lassen mussten, hatten viele Menschen aus der Bevölkerung rund um Luzern endgültig genug. Die Söldner wurden für enorme Geldsummen verkauft und nur sehr wenige Familien profitierten davon. Die Bauern und die Bevölkerung auf dem Land war wütend und wollte eine Veränderung.

Trotz eines geltenden Verbots gegen Versammlungen, die ohne Erlaubnis des Luzerner Rats organisiert wurden, trafen sich um die 5000 Luzerner und liefen bewaffnet nach Luzern, um die Stadtmauern zu belagern. Sie kamen aus diversen Orten, von Ruswil, Emmen über Rothenburg bis hin zu Grosswangen oder Sempach. Vor der Stadt angekommen, verwüsteten sie die Vorgärten mitsamt der sehr beliebten Zwiebelgärten. Die Unruhestifter wendeten ansonsten aber wenig Gewalt an. Sie verwüsteten «lediglich» die erwähnten Gärten. So kam es, dass dieser Aufstand «Zwiebelnkrieg» genannt wurde.

Die Luzerner waren mit dem Luzerner Rat unzufrieden

Nicht nur die Söldner- und Pensionspolitik lieferten Grund für den Aufstand. Die Bauern auf dem Land wollten mehr Mitbestimmung und weniger Diskriminierung. Denn diejenigen, die innerhalb der Stadtmauern lebten, genossen vielerlei Privilegien. So durften etwa handwerkliche Arbeiten nur an gewissen Orten ausgeführt werden. Nämlich in Luzern, Sursee, Sempach, Willisau, Münster und Wolhusen. Eine komplette handwerkliche und gewerbliche Freiheit galt lediglich innerhalb der Stadtmauern von Luzern.

Die Bauern waren auch mit verschiedenen Steuern, mit dem Kauf und Verkauf von Land und Leuten, Bündnissen oder Kriegs- und Friedensbeschlüssen nicht einverstanden. Man forderte das Verbot von den Pensionen und wollte, dass die Pensionen des Herzogs von Mailand an alle Ämter verteilt würden. Sie forderten auch eine Bestrafung der Stadtherren, welche die Luzerner Söldner an den französischen König verkauften. Diese Forderungen wurden vom berühmten Luzerner Renward Cysat in einer seiner Chroniken, der «Collectanea 1/2» erwähnt.

Dieser Sachverhalt veranschaulicht, dass die Luzerner Patrizierfamilien stets – oft auch mit missfallenden Blicken – in ihren Taten beobachtet wurden. Grundsätzlich waren die ländlichen Regionen um Luzern herum der Stadt zwar wohlgesinnt. Trotzdem gab es einige Momente, in denen es zu Kraftproben zwischen Stadt und Land kam. Auch nach der Belagerung der Stadt gab es in Luzern und der Umgebung noch weitere kleine Unruhen, doch als die Stadt die beiden Anführer der Aufständischen in den Jahren 1515 und 1516 hinrichten liess, kamen die Unruhen zum Erliegen.

Was war also das Resultat des «Zwiebelnkrieges»?

Die Forderungen der Bauern wurden nur zum Teil erfüllt. Der Schultheiss Petermann Feer oder Hans Ratzenhofer und andere fehlbare Stadtherren wurden hart bestraft, weil sie Söldner für den französischen König bereitstellten. Grundsätzlich wurde am System der Pensionen und Söldnern aber nichts verändert. Es gab wohl keinen richtigen Sieger in diesem «Krieg». Die ländlichen Regionen hatten weiterhin wenig bis keine Mitbestimmungsmöglichkeiten. Abschliessend zeigte es den städtischen Herren definitiv auf, dass sich die Bauern rund um Luzern, wenn nötig, versammeln konnten, zusammenhielten und auch die Mühen eines bewaffneten Aufstandes nicht scheuten.

Söldnertum in Luzern

Die Käufer der Luzerner Söldner waren oft sehr mächtige Leute, wie Herzöge, Könige oder gar der Papst. Schweizer Söldner, auch Reisläufer genannt, waren zu dieser Zeit eine überaus begehrte Ware, denn sie galten als effiziente und gute Kämpfer. Das Wort «Reisläufer» hat seinen Ursprung im Wort «Reise», welches vor 500 Jahren so viel bedeutet wie «ins Feld ziehn» oder «Kriegsdienst tun».

Zu dieser Zeit begannen die Eidgenossen auch, die Hellebarde als neue Waffe in Kriegen zu nutzen, was ihnen gegenüber anderen Kämpfern grosse Vorteile brachte. Das Geld, das durch die Söldner eingebracht wurde, machte rund die Hälfte der gesamten Einnahmen der Stadt Luzern aus. Die Bevölkerung in der ländlichen Umgebung Luzerns musste den reichen, städtischen Kriegsherren folglich stets eine grosse Anzahl an Söldnern bereitstellen, um ausgehandelten Verträgen und Abkommen nachkommen zu können.

Die Söldner verliessen ihre Heimat oft wegen des wirtschaftlichen Anreizes. Ein Söldner verdiente deutlich mehr als ein Arbeiter auf einem Bauernhof. Durch diesen Anreiz gab es viele bereitwillige Soldaten, die das Geschäft für die Kriegsherren zu einer äusserst profitablen Sache machten. Die Kriegsherren verdienten ihr Geld zu Hause in Sicherheit während in den Schlachten Tausende Luzerner Kämpfer starben oder mit Traumata zurückkehrten.

Profitables Geschäft

In Luzern kam eine Handvoll Männer, etwa Mitglieder der Pfyffer-Familie, der Schultheiss Petermann Feer oder Hans Ratzenhofer, durch das Bereitstellen von Luzerner Söldnern an ausländische Mächte, zu grossem Reichtum und Macht.

Die profitable Seite des Söldnertums war sehr einseitig. So schrieb Diebold Schilling, der Notar und Priester in Luzern war, in seiner «Diebold Schilling-Chronik» von 1513 ausführlich, wie es durch diese Söldner- und Pensionspolitik zu den wütenden Bauernaufständen kam. Diese gab es nicht nur in Luzern, auch in Zürich, Bern oder Solothurn kam es zu Unruhen und Aufständen von Bauern, welche mit der Söldnerpolitik unzufrieden waren.

Wie Schilling berichtete, verdienten sich die reichen Patrizierfamilien also eine goldene Nase. Nach und nach erhoben sich die Bauern gegen diese unfaire Sold- und Pensionspolitik. Das vor allem für die Kriegsherren lukrative Geschäft wurde unter anderem auch vom Reformator Ulrich Zwingli stark verurteilt und gar als Blutverkauf oder Fleischhandel bezeichnet. Das kam bei den Stadt- und Kriegsherren natürlich überhaupt nicht gut an.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Laura
    Laura, 13.08.2021, 12:07 Uhr

    Super spannend!

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