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Papiersterne und Kartonelefanten – der günstigste Christbaumschmuck

Montgolfière (Ballon) als Füllbehälter aus Dresdner Karton, um 1900. (Bild: Museum Burg Zug)

Engel aus zerschnittenen PET-Flaschen, Kugeln aus Papiermaché und Wichtelmännchen aus Goldfolie. Alljährlich werden wir Göttis, Mütter, Grosseltern und Tanten von unseren lieben Kleinen mit selbst gebasteltem Christbaumschmuck beschenkt.

Engel aus zerschnittenen PET-Flaschen, Kugeln aus Papiermaché und Wichtelmännchen aus Goldfolie. Alljährlich werden wir Göttis, Mütter, Grosseltern und Tanten von unseren lieben Kleinen mit selbst gebasteltem Christbaumschmuck beschenkt. Was unsere Tochter in all den Jahren im Kindergarten oder in der Schule hervorgebracht hat, droht inzwischen den gekauften Christbaumschmuck zu verdrängen. Mich freuts, obwohl ich selbst mit gemischten Gefühlen an meine Jugend zurückdenke, als der Advent mit Schere, Karton und Lametta meine Geschicklichkeit herausforderte.

Die Kommerzialisierung unserer Bastellust

Fertigen wir heute den Christbaumschmuck aus Lust am Basteln, Familientradition oder auch mal als schulische Pflicht an, behängten viele Familien ihre Christbäume im 19. Jahrhundert mit selbst hergestelltem Baumgehänge aus Mangel an Kaufkraft. Handwerklich produzierte gläserne Kugeln oder hölzerne Figuren waren nicht für alle Haushalte erschwinglich.

1878 erschien «Das goldene Weihnachtsbuch» mit Anleitungen zur «Ordnung und Verteilung des Schmucks» am Christbaum wie von dessen Herstellung. Ab dem Ende des Jahrhunderts entdeckte die Industrie die Familie als bastelfreudige Zielgruppe und belieferte den Weihnachtsmarkt mit Schaumsilber, Goldflitter und Bastelanleitungen. Die weihnächtliche Bastellust wird seither mit Bastelbüchern, Fernsehsendungen und Video-Tutorials auf Youtube befeuert und gestillt.

«Je glänzender der Baum, desto grösser der Jubel»

So pries 1888 ein thüringischer Grosshändler seine neuartigen «Christbaumverzierungen» an. Und ergänzt: «Dieselben sind in unzähligen Mustern fabriziert und stellen die verschiedensten Gegenstände dar. Da findet man auf das Sauberste gearbeitet und auf das Täuschenste nachgebildet Körbchen, Sterne, Leiterwagen (…), Gewehre, Musikinstrumente, Fässchen (…) usw. usw. und dabei alles zu solch niedrigen Preisen, dass meine Verzierungen den billigsten Christbaumschmuck darstellen.»

Diese günstig hergestellte, aber luxuriös und edel aussehende Neuheit drängt ab 1875 von Sachsen und Thüringen aus auf den Markt: die Dresdner Pappe. Maschinen prägten teils gold- oder silberkaschierten Karton in dreidimensionale Papierformen, welche anschliessend ausgestanzt wurden. Geschickte Hände montierten und klebten anschliessend diese Halbfabrikate in aufwändiger Heimarbeit zu Christbaumschmuck zusammen. Es entstand eine Vielzahl von verschiedenen Objekten. Beliebt waren zu dieser Zeit etwa technische Motive wie Lokomotiven oder Schiffe, aber auch Tiere.

Aufschwung des Dresdner Kartons

Dank dem in Massen produzierten Dresdner Karton konnten sich grosse Bevölkerungskreise zum ersten Mal nicht selbst hergestellten Baumschmuck leisten.

Der Baarer Alfred Dünnenberger hat in den letzten 30 Jahren die schönsten Exemplare aus Dresdner Karton, aber auch historischen selbst gefertigten Schmuck gesammelt, zusammen mit einer unglaublichen Vielfalt an Christbaumschmuck und Krippen aus Holz, Metall, Karton, Wachs oder Watte. Das Museum Burg Zug zeigt diese bisher nur in kleinem Kreis bekannte riesige Sammlung in der grossen Weihnachtsausstellung «Obacht – Weihnacht! Die Sammlung Alfred Dünnenberger» erstmals öffentlich. Am 13. Dezember findet zudem ein Familien-Bastelnachmittag statt.


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