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Fachkräfte aus dem Ausland?

… ein wenig provokant in der aktuellen politischen Diskussion, denken Sie? Und was soll das mit Urgeschichte zu tun haben? Viel mehr, als Sie glauben! Archäologische Funde belegen nämlich, dass das Thema Ein- und Auswanderung genauso alt ist wie die Menschheit selbst.

… ein wenig provokant in der aktuellen politischen Diskussion, denken Sie? Und was soll das mit Urgeschichte zu tun haben? Viel mehr, als Sie glauben! Archäologische Funde belegen nämlich, dass das Thema Ein- und Auswanderung genauso alt ist wie die Menschheit selbst.

Funde aus der Jungsteinzeit. Oben: Gusstiegel mit Kupferresten aus der Seeufersiedlung Risch-Oberrisch ZG; unten Kupferbeilklinge aus der Seeufersiedlung Zug-Riedmatt ZG und Kupferdolche aus der Seeufersiedlung Cham-Alpenblick ZG

Funde aus der Jungsteinzeit. Oben: Gusstiegel mit Kupferresten aus der Seeufersiedlung Risch-Oberrisch ZG; unten Kupferbeilklinge aus der Seeufersiedlung Zug-Riedmatt ZG und Kupferdolche aus der Seeufersiedlung Cham-Alpenblick ZG

(Bild: Res Eichenberger)

Spuren an einem Gusstiegel aus der jungsteinzeitlichen Seeufersiedlung Risch-Oberrisch bei Zug zeigen eindrücklich, dass die Kenntnis der Metallverarbeitung vor rund 5’500 Jahren aus dem Osten in die Zentralschweiz kam: Im tönernen Tiegel wurde Kupfer aufgeschmolzen, das gemäss Spurenelementanalysen aus den Ostalpen, der Slowakei oder Südosteuropa stammte. Metalle wurden nämlich im Vorderen Orient (dem Grenzgebiet von Türkei, Syrien, Iran und Irak) erstmals verarbeitet. Das damit verbundene Wissen verbreitete sich anschliessend von dort aus über das Schwarze Meer und entlang der Donau nach Mitteleuropa.

Wie dieser Wissenstransfer stattfand, geben die archäologischen Quellen (noch) nicht preis. Aus Amesbury (England) ist aber die Bestattung eines Metallhandwerkers bekannt. Durch Untersuchungen von Spurenelementen, die während dem Wachstum in seine Zähne eingelagert wurden, konnte nachgewiesen werden, dass er in Zentraleuropa – möglicherweise in der Schweiz – aufwuchs. Sein reich ausgestattetes Grab belegt eindrücklich, dass er in seiner neuen Heimat einen besonderen Status innehatte. Diesen verdankte er wohl seinen Fachkenntnissen über die Metallverarbeitung. Das Beispiel lässt vermuten, dass Wanderungen von «Spezialhandwerkern» für die Verbreitung von Innovationen eine wichtige Rolle einnahmen.

Landwirtschaft als neue Lebensgrundlage

Vor dem Kupfer erreichte noch anderes Wissen die Zentralschweiz: Wohl der bedeutendste Entwicklungsschritt der Menschheit war die Einführung der Landwirtschaft als Lebensgrundlage. Die nomadische Lebensweise der altsteinzeitlichen Wildbeuter ging über in das bäuerliche Leben der Jungsteinzeit. Das für die Sesshaftigkeit notwendige Wissen entstand dabei nicht einfach in den Köpfen der bereits ansässigen Menschen. Es gelangte aus dem Gebiet des so genannten fruchtbaren Halbmonds – dem nördlichen Rand der syrischen Wüste – in unsere Gegend. Die ältesten Nachweise von Getreidebau und Haustierhaltung datieren im Vorderen Orient ins 10. Jahrtausend vor Christus. Diese Lebensweise breitete sich ab dem 7. Jahrtausend v. Chr. nach Westen aus. So wurden ab dem 6. Jahrtausend v. Chr. auch bei uns Felder bewirtschaftet und Nutztiere gehalten – die Bevölkerung nahm zu, neue Sozialsysteme wurden etabliert und in der Zentralschweiz entstanden erste Dörfer mit Seeblick.

Leben in der jungsteinzeitlichen Seeufersiedlung. Bild: Atelier Bunter Hund, Zürich.

Leben in der jungsteinzeitlichen Seeufersiedlung. Bild: Atelier Bunter Hund, Zürich.

Haustiere aus dem Orient und Bauern aus dem Osten

Aber wie lässt sich nachweisen, ob bloss die Idee in unser Gebiet wanderte, oder ob dieser Transfer an die Bewegung von Personen gebunden war? Genetische Analysen können zur Klärung dieser Frage beitragen: Jüngst konnte aufgezeigt werden, dass die heute bei uns lebenden Hausrinder von Tieren aus dem Orient abstammen. Die Haustiere wurden also eingeführt und nicht lokal domestiziert. Es dürften Gruppen von Menschen auf Wanderschaft gegangen sein und Saatgut und Tiere mit sich geführt haben. So zeigen auch genetische Analysen an unserem heutigen Erbgut, dass sich in der Jungsteinzeit lokal ansässige Jäger-Sammler-Gruppen und zugewanderte Bäuerinnen und Bauern aus dem Osten durchmischten. Angaben zum Ausmass dieser Durchmischung können noch nicht gemacht werden. Aber es kann belegt werden, dass mit dem neuen Fachwissen auch Menschen den Weg in unser Gebiet fanden.

Die Zuger Dörfer lagen idyllisch am Seeufer. Drei von ihnen wurden 2011 gemeinsam mit weiteren Pfahlbauten rund um die Alpen zum Unesco-Welterbe erklärt.

Die Zuger Dörfer lagen idyllisch am Seeufer. Drei von ihnen wurden 2011 gemeinsam mit weiteren Pfahlbauten rund um die Alpen zum Unesco-Welterbe erklärt.

Es würde nicht erstaunen, wenn diese Zuwanderung von Fremden – trotz ihres grossen Wissens – ähnlich wie heute auch Misstrauen hervorrief. So stellen sich die ArchäologInnen Fragen nach der Reaktion der ansässigen Bevölkerung: Nahmen die ZentralschweizerInnen die neuen Lebensweisen und Technologien skeptisch oder begeistert auf? Kam es zu Generationenkonflikten oder Meinungsverschiedenheiten zwischen Traditionalisten und jenen, die Innovationen begrüssten? Wurde jemandem die neue Wirtschaftsweise aufgezwungen? Oder machten sich die Menschen mit der neuen Lebensart ganz allmählich, im Laufe von Jahrzehnten oder Jahrhunderten, vertraut?

 Heute Leben dank früherer Zeit

Sie werden sich denken können, dass die Beantwortung dieser Fragen für uns Archäologinnen und Hisoriker schwierig ist – schliesslich können wir nicht einfach in die Vergangenheit reisen und die damaligen Bewohner des Kantons Zug fragen. Anderseits macht der Blick über die Jahrtausende hinweg klar, dass unser heutiges Leben ohne Innovationen und ihre Überbringer aus der Fremde nicht denkbar wäre.

 

Wenn Sie sich handwerklich mit einer dieser neuen Technologien der Jungsteinzeit beschäftigen möchten, nutzen Sie die Gelegenheit am 25. Oktober: Steinzeitwerkstatt von 14 bis 17 Uhr – ein Anlass für die ganze Familie im Museum für Urgeschichte(n) Zug.

Am 25. Oktober können Schmuck oder kleine Gefässe aus Kupfer hergestellt oder Gefässe nach jungsteinzeitlichem Vorbild zu getöpfert werden.

Am 25. Oktober können Schmuck oder kleine Gefässe aus Kupfer hergestellt oder Gefässe nach jungsteinzeitlichem Vorbild zu getöpfert werden.

(Bild: Res Eichenberger)

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