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Mit Flip-Flops und Faserpelz

Ein Tag im Depot des Museums Burg Zug

Blick ins Depot des Museums – hier herrschen auch im Sommer kühle 17 Grad. (Bild: Museum Burg Zug)

Zu einem Museum gehören nicht nur Ausstellungsräume. Das historische Museum des Kantons Zug besitzt auch ein Depot, wo historische Objekte gelagert werden können. Wie es dort aussieht und was bei der Lagerung verschiedener Gegenstände beachtet werden muss, erfährst du in diesem Beitrag.

Sommerferienzeit. Das Radio hat für heute 34 Grad angesagt. Nach dem Ausschalten der Alarmanlage gehen im Depot des Museums Burg Zug die Leuchtstoffröhren automatisch an. Die Klimaanlage surrt verlässlich, die Temperatur ist hier permanent um 17 Grad und die Luftfeuchtigkeit liegt bei 45 Prozent. Darum lohnt es sich, auch bei diesem Sommerwetter eine warme Jacke dabeizuhaben.

Über 50'000 Objekte und 100 Neueingänge

Über 100 Neueingänge sind bereit für eine lange Zukunft im Museum. Denn dessen Auftrag ist es, die Objekte, die in die Museumssammlung aufgenommen werden, so aufzubewahren, dass sie für die nächsten Generationen erhalten bleiben. Die Neueingänge wurden bereits letzte Woche, in Rakoboxen sorgfältig verpackt, ins Depot transportiert.

Nun sollen sie im Sammlungsdepot des Museums Burg Zug, das bereits 50'000 Objekte umfasst, versorgt werden. Das «materielle Gedächtnis des Kantons Zug» wird so aufbewahrt, dass die Kuratorinnen mit ihnen noch viele Zuger Geschichten erzählen können. Dafür müssen die Neueingänge authentisch bleiben. Das heisst: Sie müssen genau dokumentiert, fotografiert und objektgerecht gelagert werden.

Im Spannungsfeld zwischen Zinnpest und Holzwurmbefall

Der Knackpunkt aus konservatorischer Sicht ist die materielle Vielfalt der historischen Sammlung, denn jedes Material stellt andere Anforderungen an seine Lagerung und altert anders. Das Depotklima ist zentral. Unter 13 Grad Celsius kann beispielsweise bei Zinn ein Phänomen auftreten, das Zinnpest heisst und zuerst die Oberfläche und im schlimmsten Fall das ganze Material zersetzt.

Spätestens wenn das Thermometer über 19 Grad Celsius steigt, werden hingegen Insekten-Schädlinge aktiv. Zum Beispiel Holzwürmer fangen dann an, barocke Kommoden anzuknabbern, Eier zu legen und sich zu vermehren. Und das muss unter allen Umständen vermieden werden. Es gilt also, eine Temperatur zu finden, die möglichst allen Objekten gerecht wird.

Bei der Lagerung von Zinnobjekten ist die Depottemperatur zentral.
Bei der Lagerung von Zinnobjekten ist die Depot-Temperatur zentral. (Bild: Museum Burg Zug)

Die Krux mit den Materialien: Wie wird ein Rinderhorn zur Waagschale?

Neu in der Sammlung ist eine Balken-Waage aus der Drogerie Luthiger, die von 1730 bis 2001 in Zug bestand. Die Waage wurde gemäss Expertenmeinung zwischen 1890 und 1900 hergestellt. Die Waagschalen scheinen aus Horn gefertigt. Aufgrund der überraschenden Form kann man sich aber auch vorstellen, dass sie aus Kunsthorn oder Galalith sind, einem frühen Kunststoff, der auf der Basis von Milch hergestellt wird. Rezepte gibt es bereits aus dem 16. Jahrhundert.

Es sind kleine dunkle Punkte, die dem geübten Auge verraten, dass die Waagschalen tatsächlich aus Horn sind. Erstaunlich, dass aus einem Rinderhorn solche Schalen hergestellt werden können. Aber wer geschickt ist, kann mit einer Säge ziemlich dünne Platten aus Horn herstellen. Mit Hitze lassen sich daraus schliesslich Schalen formen.

Nicht alles, was wie Pappe aussieht, ist auch harmlos

In vielen harmlos aussehenden Objekten lauern gesundheitlich bedenkliche Stoffe wie Schädlingsbekämpfungsmittel. Das ist einer der Hauptgründe, warum wir im Umgang mit Museumsobjekten Plastikhandschuhe und Masken tragen.

Richtig giftige Biozide sind natürlich längst verboten, aber in historischen Gegenständen kommen sie trotzdem noch vor. Manche Objektteile sehen aus wie aus Pappe, bestehen aber aus Asbest; und nicht wenige Spielzeuge wurden in früheren Zeiten ahnungslos mit giftigen Farben bemalt. Solche Objekte müssen als gesundheitsschädlich markiert und mit Vorsicht behandelt werden.

Diverse Pigmente und Giftstoffe.
Diverse Pigmente und Giftstoffe. (Bild: Museum Burg Zug)

Federbälle unbekannter Herkunft

Im Hinblick auf Sonderausstellungen und auch für die tägliche Kommunikation des Museums geraten neben Neueingängen auch ältere Sammlungsobjekte wieder in den Fokus. Bei einem Gang durchs Depot schwingt im Hinterkopf immer die Frage mit «welche Objekte erzählen eine spannende Geschichte?» Manche wurden in einer Zeit in die Sammlung aufgenommen, als man Neueingänge noch nicht ausführlich dokumentierte, es fehlen also genauere Informationen.

Hier ist dann Forschergeist gefragt wie zum Beispiel bei diesen schönen Federbällen. Sie stammen schätzungsweise aus dem 19. Jahrhundert und sind vor allem darum interessant, weil man an ihnen sehen kann, wie sich Dinge, die wir auch heute noch in unserem Alltag finden, im Laufe der Jahrhunderte verändern. Und dann ist auch klar, wieso Federbälle so heissen, wie sie heissen.

Wenn die angenehme Kühle im Depot beginnt, sich wirklich kalt anzufühlen, ist es 17 Uhr. Zeit zu kontrollieren, dass alle Standorte der Museumsschätze gewissenhaft in die Datenbank eingetragen worden sind. Der Schritt aus der Kühle des Depots in den Sommertag macht in einer Sekunde einen Temperaturunterschied von 17 Grad Celsius aus. Da tauscht man gerne den Faserpelz wieder gegen die Flip-Flops.

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Ob Hintergründe zu alten Gebäuden, Geschichten zu Plätzen, stadtbekannte Personen, bedeutende Ereignisse oder der Wandel von Stadtteilen – im «Damals»-Blog werden historische Veränderungen und Gegebenheiten thematisiert.
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