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Offizier erhielt 1690 zwei Schwäne

Ein königliches Geschenk brachte den Tierschutz nach Luzern

Die Schwäne auf dem Vierwaldstättersee sind bei Touristen beliebt. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Im Jahr 1690 bietet sich den Bewohnern Luzerns ein ungewohnter Anblick. Zwei Schwanenpärchen, ein Geschenk des französischen Königs Ludwig XIV., tummeln sich auf dem See. Doch die tierischen Hingucker benötigen zum Überleben den Schutz der Stadt Luzern. Motiviert, den Artenschutz zu gewährleisten, erlässt die Stadt daraufhin Tierschutzgesetze.

Erhaben und mühelos gleiten sie über das Luzerner Seebecken. Mit wachen Augen beobachten sie die Flanierenden an der Seepromenade. Wird ein Stück Brot oder dergleichen zur Fütterung ausgeworfen, kommen sie mit enormen Flügelschlägen herangeschnellt.

Sie sind ein fester Bestandteil des Luzerner Stadtbildes, Touristen lassen sich mit ihnen ablichten und bewundern ihre elegante Figur. Die langen Hälse, das schneeweisse Gefieder und ihre charakteristisch orangen Schnäbel stechen aus dem Wasser hervor.

Doch der Höckerschwan, wie wir ihn heute kennen, ist erst seit einigen hundert Jahren im Luzerner Seebecken zuhause. Ausgang der Luzerner Schwanenkolonie war eine Schenkung des französischen Königs Ludwig XIV. an einen Luzerner Offizier der Schweizergarde.

Dass der Schwan sich in Luzern und im Vierwaldstättersee etablieren konnte, ist also kein Zufall.

Ludwig Christoph Pfyffer von Wyher und das Schweizergarde-Regiment

Als Initiator der Schwanenkolonie gilt der Luzerner Stadtpolitiker und Hauptmann einer Kompanie der Schweizergarde, Ludwig Christoph Pfyffer von Wyher. Dessen militärischer Dienst vergütet der französische König Ludwig XIV. 1690 mit dem sogenannten Ludwigsorden. Dieser Militärverdienstorden war anscheinend jedoch nicht ausreichend, um den Luzerner Offizier zu ehren. Zu der militärischen Auszeichnung gesellte sich nämlich noch eine weitere, individuellere Schenkung in Form von «vier ausgezeichnet weissen Schwänen».

Um diese persönliche Anerkennung, welche auf eine Beziehung zwischen dem König und dem Offizier von Wyher schliessen lässt, besser verstehen zu können, muss man die Rolle der Familie Pfyffer von Wyher als Angestellte der französischen Monarchie kennen.

Pfyffer von Wyher: ein Luzerner Soldatengeschlecht

Eine Anstellung im französischen Solddienst hat in der Familie Pfyffer von Wyher Tradition. Die Bereitschaft, für die französische Krone zu kämpfen, wird von Generation zu Generation weitergegeben. Auch Ludwig Christophs Vater Franz Pfyffer von Wyher engagierte sich als Hauptmann im französischen Dienst.

Sogar ein eigenes Regiment wird nach den Pfyffern benannt. Das Regiment Pfyffer, das Vierte der Schweizer Regimenter, ist von 1672 bis 1792 König Ludwig dem XIV. verpflichtet. Über eine Spanne von hundert Jahren dienen verschiedene Generationen der Pfyffer von Wyher im Regiment und zeichnen sich in mehreren Kriegen aus. Auch Ludwig Christoph dient im Regiment als Offizier.

Die Familientradition fortführend, tritt er 1677 in die Schweizergarde ein. Erste Erfahrungen machte der junge Soldat im holländischen Krieg. Bei diesem Konflikt, der als Eroberungskrieg vonseiten der französischen Monarchie ausgeht, nimmt Pfyffer von Wyher erstmals aktiv an Kampfhandlungen teil. Was folgt, ist eine steile Karriere, welche 1689 mit der Übernahme einer eigenen Kompanie vergütet wird.

Vier Schwäne und ein Ludwigsorden

Ludwig Christoph Pfyffer von Wyher gilt als tapferer Soldat, welcher sich durch sein militärisches Talent auszeichnet. Sein Können fällt auch König Ludwig XIV. auf.  Als Belohnung für dessen Einsatz beschenkt er seinen Gardeoffizier mit dem sogenannten Ludwigsorden, dem militärischen Verdienstorden «pro virtute bellica», welcher den tapferen Einsatz im Krieg auszeichnet.

Doch wie wir bereits wissen, gesellt sich zum Ehrenorden noch eine weitere Belohnung in Form von vier Höckerschwänen hinzu. Leider ist dem heutigen Forschungsstand nicht zu entnehmen, wofür der französische König den Luzerner explizit auszeichnete. Es ist jedoch klar, dass dessen soldatische Befähigung ausschlaggebend war. Auch seine persönliche Beziehung zu Ludwig XIV. ist kaum erforscht, das aussergewöhnliche Geschenk deutet allerdings auf eine vertraute Bekanntschaft hin.

Beginn der Luzerner Schwanenkolonie

Im Zuge einer Beurlaubung kehrt Ludwig Christoph 1690 für einige Zeit nach Luzern zurück. Auch die geschenkten Schwäne bringt er mit und vermacht diese nach Ankunft sogleich der Stadt Luzern. Zunächst kommen die Schwäne auf dem heutigen Inseli unter. Das Inseli, damals Eigentum der Familie Sonnenberg, in welche Pfyffer von Wyher einheiratet, bietet ihnen eine erste Unterkunft. Da sie weder in einem Gehege eingesperrt noch überwacht werden, erkunden die Schwäne intensiv den Vierwaldstättersee. In ihrer Abenteuerlust verschlägt es sie gar bis zum Urnersee.

Besorgt um die Schwäne, erlässt der Luzerner Schultheiss ein Standesschreiben an den Urner Landrat, in welchem er um den Schutz der Kolonie bittet. Die Bitte wird prompt umgesetzt. Der Urner Landamman verbietet unter Androhung einer Geldstrafe das Schiessen und Fangen der Schwäne. Sogar die Beleidigung der majestätischen Schwimmvögel führt zu einem Bussgeld.

Erlass von Tierschutzgesetzen

Der Schutz der Luzerner Schwanenkolonie löst in der Stadt das Begehren aus, die Vogelwelt des Vierwaldstättersees ebenso unter Protektion zu stellen. 1703 wird deshalb in einem Luzerner Ratsbeschluss der Schutz der bedrohten Enten besiegelt. In einer Folge von Mandaten werden verschiedene Wasservögel wie Möwen, Blässhühner und die bereits genannten Enten und Schwäne unter Tierschutz gestellt.

Die Stadt nimmt ihre progressive Politik sehr ernst, wie eine Anekdote vom 19. April 1692 aufzeigt.

Die exotische Schwanenkolonie verzückt die Luzerner Bevölkerung – und anscheinend besonders die jungen Studierenden – derart, dass die Kolonie beim Brüten gestört wird. In den Tribschen werden Studierende des Jesuitenkollegs dabei beobachtet, wie sie die Schwäne stören und aufscheuchen.

Dies veranlasst den Luzerner Schultheiss Aurelian zur Gilgen dazu, das Stören der Schwäne während der Brutzeit unter «Straff [sic] und Ungnad» verbieten zu lassen.

Der Tierschutz wird im folgenden Jahrhundert immer wieder erweitert. Sogar ein persönlicher Beschützer wird den Schwänen zugewiesen, welcher jegliche Misshandlungen sofort zu melden habe.

1713 gehen bei der Stadt mehrere Klagen ein, welche von illegalen Abschüssen der Schwäne und anderen Wasservögeln berichten. Um sich der Wilderei zentralisierter annehmen zu können, schafft die Stadt ein offizielles Amt, welches sich dem Schutz der Vögel widmet. Oftmals als Entenvogt bezeichnet, ist es das Ziel des Amtsträgers, die Vogelpopulation im Luzerner Seebecken zu schützen.

Ein fester Bestandteil des Luzerner Stadtbildes: Schwäne vor der Kapellbrücke.
Ein fester Bestandteil des Luzerner Stadtbildes: Schwäne vor der Kapellbrücke. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Gründung des ornithologischen Vereins Luzern

Trotz dieser Massnahmen bevölkert 1833 nur noch ein einziges Schwanenpaar den ganzen Vierwaldstättersee. In den Folgejahren verlangt die Öffentlichkeit deshalb wieder vermehrt den Schutz der Schwäne. Dies führt 1881 zur Gründung des ornithologischen Vereins Luzern.

Die Schwäne gliedern sich mit der Zeit immer besser in ihre Umgebung ein und können sich erfolgreich vermehren. Heutzutage geht man davon aus, dass ungefähr 600 Schwanenpaare den Vierwaldstättersee bevölkern.

Diese bilden mittlerweile einen festen Bestandteil des heutigen Stadtbildes. Dass wir sie Ludwig XIV. zu verdanken haben, ist eng mit dem Solddienst verknüpft. Ein unscheinbares Vermächtnis.

Verwendete Quellen
  • Franz Zelger (1963): Historisches Luzern, gesammelte Studien von Dr. jur. Franz Ziegler. Luzern: Kommisionsverlag Räber & Cie. AG Luzern
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4 Kommentare
  • Profilfoto von Sven Camenzind
    Sven Camenzind, 25.02.2022, 10:48 Uhr

    Bildhaft und schön geschrieben!

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  • Profilfoto von Luca Kobza
    Luca Kobza, 12.02.2022, 19:46 Uhr

    Spannende Geschichte! 🙂

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  • Profilfoto von K. Reisch
    K. Reisch, 11.02.2022, 12:42 Uhr

    «Wird ein Stück Brot oder dergleichen zur Fütterung ausgeworfen, kommen sie mit enormen Flügelschlägen herangeschnellt.» Wirklich? Verwechselt der Autor dies nicht mit den Buchali?

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    • Profilfoto von Yann-Alexander
      Yann-Alexander, 12.02.2022, 18:17 Uhr

      Vielen Dank für Ihre Rückmeldung und Lektüre!

      Aus persönlicher Erfahrung kann ich sagen, dass es Schwäne waren. Sind ja schwer zu verwechseln!

      Freundliche Grüsse
      Yann-Alexander Hage

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