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Der Fall Peter Breitenmoser

Die finstere Geschichte des einzigen Luzerner Werwolfs

Heute in der Popkultur fest verankert, mussten früher als Werwölfe verurteilte Menschen um ihr Leben fürchten. (Bild: Symbolbild Adobe Stock)

Zum Höhepunkt der Hexenverfolgung machten Menschen und Gerichte auch Jagd auf angebliche Werwölfe. In Luzern stand ein Mann aus Wolhusen deswegen vor Gericht – und gestand.

Die Tage werden kürzer, die Nächte länger. Während sich viele auf Weihnachten einstimmen, nutzen andere die nebligen und düsteren Tage, um sich einen Schauer über den Rücken jagen zu lassen. Und dafür bietet sich der lokale Sagenschatz als Lektüre wunderbar an.

Denn dieser hat so einige Geschichten über Monster, Hexen und Geister zu bieten. Seien es angebliche Riesenschlangen im Rotsee (zentralplus berichtete) oder die kindermordende Hexe «Sträggele» (zentralplus berichtete).

Unser heutiger Ausflug in die Welt der Fabelwesen handelt jedoch von einem Grauen der ganz anderen Art: der Geschichte der vermeintlichen Werwölfe.

Aus menschlichen Tragödien wurde ein Kultmonster

Werwölfe sind aus der heutigen Popkultur nicht wegzudenken. Sei es als kultiges Hollywood-Monster in «The Wolfman», als Lehrer in der «Harry Potter»-Reihe oder als jugendlicher Sixpack-Strahlemann in «Twilight». Die Geschichte der Werwölfe reicht aber weiter in die Vergangenheit und erlebte ihren unrühmlichen Höhepunkt zur Zeit der Hexenverfolgungen. Einer Zeit, die von Leid, Unrecht und Willkür geprägt war und die auch in Luzern verbreitet war.

Denn auch hier soll ein angeblicher Werwolf sein Unwesen getrieben haben. So steht es in den Hexenprozessakten von Luzern und Sursee aus den Luzerner Turmbüchern, die Joseph Schacher 1947 für eine Publikation zusammengetragen hatte. Und die zeigen, dass die Verwandlung in Tierwesen stark mit der Hexerei in Verbindung gebracht wurde.

Wird auch heute wieder gejagt, wenn auch aus anderen Gründen: der Wolf. (Bild: hch)

Der Fall Peter Breitenmoser

Wir schreiben das Jahr 1664, die Hexenverfolgung erlebt in Europa ihren traurigen Höhepunkt und damit auch die Angst, das Misstrauen und das Denunziantentum in der Bevölkerung.

In Luzern steht ein gewisser Peter Breitenmoser vor Gericht: ein Mann aus Wolhusen, von dessen Leben kaum etwas überliefert ist. Was bleibt, ist sein Geständnis, das er vor den Luzerner Ratsrichtern ablegt. Er habe sich «zu einem wolff gemacht» und in der Folge zwei Schafe seines Nachbarn gerissen, sagt der Luzerner.

Für die Verwandlung sei er einen Pakt mit dem Teufel eingegangen, gesteht er weiter. Dafür habe er einen Stecken in einen Topf mit Salbe gesteckt und den Ast dreimal «in teüffels nammen» umgerührt und gesagt «ietz bin ich ein wolff» und da sei er zum Wolf geworden.

«Sternen» in den Augen

Als weiterer Beweis werden Breitenmosers Augen gewertet. In Bezug auf Zauberei und Magie wurden seit Jahrhunderten oft die Augen als mögliches Indiz gewertet. «Unholde» hätten bisweilen rote «Mönli» in den Augen, die sie verrieten, heisst es in einem Buch von Alois Lütolf über Sagen und Mythen von 1862. Darum suchte man in Hexenprozessen oft nach körperlichen Besonderheiten und eine solche schien auch Peter Breitenmoser zu haben.

«er hat spitzig sternen in den augen»

Margreth, Mutter von Peter Breitenmoser

Seine eigene Mutter Margreth sagte gemäss Prozessakten gegenüber der Obrigkeit aus, dass ihr Peter «spitzig sternen in den augen» hatte. Eine Aussage, die Peter Breitenmosers Urteil weiter festigte. Er wird 1664 hingerichtet. Dass ihm das Geständnis wohl unter Folter abgerungen wurde, spielt – wie bei zahlreichen Hexenprozessen – für die Richter keine Rolle.

Wie der Neffe, so die Tante

Die Hexerei scheint in der Familie zu liegen. Auch Breitenmosers Tante Anna Guoterin sei im Gesicht immer «verkritzt» gewesen – immerhin hat sie sich nicht in einen Wolf verwandelt. Vor dem Richter versuchte Anna Guoterin verzweifelt, das Leiden mit der «Röte», einer Hautkrankheit, zu erklären, die ihr Gesicht anschwellen liess. Aber wozu auf Fakten setzen, wenn man auch einfach aburteilen kann?

Obwohl der Werwolf-Glaube in der ganzen Schweiz weit verbreitet war, bleibt Peter Breitenmoser der einzige offizielle Fall im Kanton Luzern. Das hat der Luzerner Volkskundler und ehemalige Kurator des Historischen Museums Luzern, Kurt Lussi, in jahrelanger Recherche festgestellt. Lussi setzt sich seit Jahrzehnten mit Volksglauben und Sagengestalten auseinander und stellt diese in Publikationen in den Kontext von gesellschaftlichen Gepflogenheiten (zentralplus berichtete).

Der Werwolf-Glaube war weit verbreitet

Tatsächlich war der Werwolf-Glaube in der ganzen Schweiz verbreitet. Ihre frühesten Auftritte hatten Wölfe als magische Unwesen hierzulande im frühen 15. Jahrhundert als Begleiter von Hexen. So besagen es zumindest angebliche Augenzeugen oder die meist unter grässlicher Folter erzwungenen Geständnisse von angeklagten Frauen und Männern.

Auch Elisabeth Hilltprandt von Schüpfheim bekannte sich 1584 im Verhör zu einem solchen Fall. Sie gab an, dass ihr der Teufel in Form eines Wolfes Gesellschaft geleistet und sie aufgefordert habe, sich auf seinen Rücken zu setzen. Dann seien sie gemeinsam an einen anderen Ort «darvon gfaren».

Später sollen Hexen und Zauberer sich selbst sogar in eine haarige Wolfsbestie verwandelt haben – um allerhand Unheil unter der Bevölkerung und dem Vieh angerichtet zu haben. Wie Swissinfo in einem Artikel schrieb, gab es besonders im Kanton Wallis ein regelrechtes Gemetzel an Menschen, die sich angeblich in Wölfe verwandeln konnten. Während weniger Jahre sind in der Westschweiz rund 200 Menschen hingerichtet worden.

Werwolf: Ja, Vampire: Nein

Oft behaupteten Ankläger, die vermeintlichen Werwölfe seien Menschen, die mit dem Teufel im Bunde steckten, der ihnen die Fähigkeit lehrte, sich in die beanstandete Bestie zu verwandeln. Laut Swissinfo nutzten Menschen solche Beschuldigungen eher, um unliebsame Konkurrenz oder anderweitig unbeliebte Menschen aus dem Weg zu räumen. Etwa Menschen am Rande der Gesellschaft. Oder mit psychischen Erkrankungen, wie Kurt Lussi im 2019 in einem Interview zu zentralplus sagte. Psychische Krankheiten seien zu dieser Zeit kaum erforscht gewesen. «Vielmehr glaubte man, dass jemand von einer bösen Macht oder Magie besessen war, wenn er sich abnormal verhielt.»

Menschen wie der Luzerner Peter Breitenmoser mussten oft als Sündenböcke für Naturkatastrophen, schlechte Ernten oder anderes Elend herhalten. Der Wahnsinn der Werwolf-Verfolgungen versiegte im Verlauf des mittleren 18. Jahrhunderts. Die angeblichen Verwandlungen wurden von Staat und Kirche als eine Hexerei unter vielen betrachtet – und gingen entsprechend in der Menge unter. Etwas länger hielt sich der Hexenglaube, obschon dieser zu jener Zeit europaweit starke Kritik erfuhr. Die letzte in der Schweiz als Hexe verurteilte Frau war Anna Göldi. Sie wurde 1782 in Glarus durch das Schwert hingerichtet.

Immerhin sind im Luzernischen Vampire bekannt. Wie Kurt Lussi sagt, ist dieser Mythos im Balkan entstanden – wo er bis heute teils noch für Angst sorgt. Weil es jedoch ein tief verwurzelter Volksglaube sei, habe er kaum den Weg nach Westeuropa gefunden. Zum Glück, denn sonst wären wohl noch viel mehr unschuldige Menschen ums Leben gekommen.

Verwendete Quellen
  • Kurt Lussi, «Mythisches, Magisches, Makabres – Das Leben, der Tod und die Welt der Geister», Edition Voldemeer Zürich
  • Joseph Schacher, «Das Hexenwesen im Kanton Luzern nach den Prozessen von Luzern und Sursee 1400 bis 1665», Räber, 1947
  • Artikel «Werwölfe in der Schweiz», Swissinfo, 2019
  • Alois Lütolf, «Sagen, Bräuche, Legenden aus den fünf Orten Lucern, Uri, Schwiz, Unterwalden und Zug», 1862
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