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Wenig beachtet, doch wohl bedeutsam wie Musegg-Türme

Die bewegte Geschichte des Seeburg-Turms

Die Natur erkämpft sich ihren Platz zurück. Aufnahme vom Seeburg-Turm am 23. Juni 2019.

(Bild: Philippe Bucher)

Unscheinbar liegt er in einem kleinen Wäldchen auf einem Hügel oberhalb der Überbauung Seefeld. Selbst mir ist der Seeburg Turm auf meinem täglichen Arbeitsweg nie ins Auge gefallen. Zu gross sind die Ablenkungen der heutigen digitalen Welt. Dabei ist er von grossem stadtgeschichtlichem Wert und seine Bedeutung zieht sich wie eine Konstante durch die Jahrhunderte: vom Spätmittelalter bis in die Gegenwart. 

Zwischen den Bushaltestellen Giseli und Oberseeburg führt ein kleiner Pfad, dicht gesäumt von hohen Bäumen, auf den Kegel hinauf, wo der alte Seeburg-Turm seit dem 13. Jahrhundert steht.Seine runde Form besteht aus Bruchsteinen, Sandsteinen und Granitsteinen und ragt zwölf Meter in die Höhe. Von Beobachtern wird häufig die beeindruckende Mauerdicke erwähnt: Mit 2,80 Meter ist sie dicker als die Museggmauer. Nicht nur dicker, sondern auch älter als die Türme der Museggmauer ist er. Der Seeburg-Turm ist aufgrund der Farbe seines früheren Dachs auch als Roter Turm bekannt.

Vom Wachturm zum Eigenheim

Nachdem wir nun die Eigenschaften des vergessenen Turms zur Seeburg geklärt haben, möchte ich mehr zu dessen ursprünglichen Funktion herausfinden. Darüber ist weitaus weniger bekannt als über die wechselnden Besitzer des Turmes im 18. und 19. Jahrhundert.

Anfänglich diente der Turm nach seiner Errichtung um 1291 als Wachturm. Dabei reihte er sich in eine Kette von Wachtürmen zwischen Rothenburg, Luzern, Küssnacht, Hertenstein und Weggis ein. Luzern, Anfang des 14. Jahrhunderts noch unter habsburgischer Herrschaft, stand mit den drei alten Eidgenossenschaften Uri, Schwyz und Unterwalden auf Kriegsfuss.

Die militärische Funktion des Seeburg-Turms kam primär in diesem 16-jährigen Krieg zum Zug. Als diese kriegerischen Zeiten durch den Anschluss Luzerns an die eidgenössischen Stände vorbei waren, wandelte sich auch die Funktion des Seeburg-Turmes. Er diente fortan als Hochwacht und stand in Sichtverbindung mit dem Schnitzturm in Stansstad und der Neuhabsburg in Meggen.

Die Legende vom Erdmännchen

Blätter, Moos und Efeu waren nicht das einzige, was den Seeburg-Turm umrankte; in der Gegend kursierte folgende Legende: «Vom Turm, der bei Seeburg steht, führt ein Gang bis zum Fusse des Hügels. Darin wohnte früher ein Erdmännchen und bewahrte in einem schwarzen Kästchen geheimnisvolle Schätze.

Noch vor hundert Jahren hat ein alter Mann das Männchen gesehen. Es erschien immer in den Hundstagen, war zwei Schuh hoch, hatte weisse Locken und einen weissen Bart und trug auf dem Kopf ein rotes Käppchen mit einer Feder.

Auf dem Gras trocknete es sein grünes Röcklein, das in dem unterirdischen Gang nass geworden war. Vier Luzerner Studenten wollten einst dem Erdmännchen nachspüren und drangen mit einer Fackel in die Höhle ein. Aber sie krochen rasch wieder heraus, denn sie stiessen auf ein Tier mit grossen, feurigen Augen.»

Von den häufigen Besitzerwechseln

Als das Gut Seeburg im 15. Jahrhundert vom Benediktinerkloster Luciaria an private Besitzer veräussert wurde, begann eine wechselhafte Zeit für den Turm zur Seeburg. Seinen früheren Ruhm hatte das Gebäude im 16. Jahrhundert längst eingebüsst, als es vom stadtbekannten Geschichtsschreiber Renward Cysat als baufällig bezeichnet wurde. 1577 wurde der Turm deshalb renoviert und bewohnbar gemacht.

Längst wieder eine Ruine, wurden Pläne des Besitzers Moritz Baumgartner von Malters zur Abtragung des Turmes in der Mitte des 19. Jahrhunderts juristisch blockiert und vom «historischen Verein der fünf alten Orte» vehement bekämpft. Trotz der Einstufung als stadthistorisch relevant, überliessen die nachfolgenden Besitzer den Turm sich selbst und förderten so seinen weiteren Zerfall.

Zur Sanierung durch die Familie Vallaster

Aufrufe zur Rettung des Turmes in den 1920ern stiessen in der Stadt Luzern zunächst auf wenig Widerhall. Der Zerfallsprozess wurde erst aufgehalten, als Josef Vallaster das Land 1946 erwarb. Er baute dort die bekannte Vallaster-Villa und liess den Turm im Sommer 1961 aufwändig sanieren und einige der Bäume entfernen, um die Sichtbarkeit des Turmes zu erhöhen.

Begeistert war nicht nur der Präsident des Quartiervereins Seeburg und Umgebung. Nicht ohne Stolz sprach man in der Quartierzeitung nach der erfolgreichen Sanierung davon, dass es der scheinwerferbeleuchtete Seeburg-Turm mit dem einen oder anderen Museggturm aufnehmen könne. Vallaster übergab den Turm der Stadt Luzern und er wurde 1963 unter Denkmalschutz gestellt.

Den Turm im Gedächtnis behalten

Mittlerweile hat die Natur den Turm zurückerobert, die Bäume sind nachgewachsen und Gewächs umschlingt den Turm. Wer den Turm zur Seeburg aber aufgrund dessen aus dem kollektiven Gedächtnis der geschichtsträchtigen Gebäude der Stadt tilgt, tut ihm unrecht. Begrüssenswert wäre die Schaffung einer Aussichtsplattform, wie sie Friedrich Zelger schon in den 1920ern befürwortet hat: Durch die Entwaldung des Hügels könnte der Besucher den Blick über das malerische Luzern und die «klaren Fluten des Vierwaldstättersees schweifen» lassen.

Verwendete Literatur:
Müller, Kuno, Geschichte und Kultur Luzern. Die Luzerner Sagen, Luzern 1942.

Bulinksy, Dunja, Historische Zeugnisse. Zeugen der Vergangenheit, in: Quartierverein Seeburg-Würzenbach-Büttenen (Hg.) Der See der Bach die Bütten, Luzern 2008.

Staatsarchiv Luzern:
– StA LU, PA39/1405 und PA39/1406: Familienarchiv Zelger. Franz Zelger (1864–1944).

Stadtarchiv Luzern:
– SA LU, D059/01 bis D059/06: Nachlass Familie Vallaster. Turm auf Seeburg/Vallaster-Turm/Roter Turm.
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