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Butter-Polonaise vor Luzerner Rathaus

Luzerner Tanz um die wertvolle Butter

Butternot 1917, Warteschlange vor dem Rathaus. (Bild: F2a_ANLASS_EREIGNIS_0001_02-01-D, Stadtarchiv Luzern)

Die Beschaffung von Nahrungsmitteln war zu Kriegszeiten ein schwieriges Unterfangen. Besonders gefragt war dabei Butter. In der Stadt Luzern kam es unter der Egg zu einer eigentlichen Butter-Polonaise, während die Landbevölkerung häufig sogar ganz leer ausging.

Wenn in der Geschichte der Innerschweiz von Hungersnöten die Rede ist, werden meist das fehlende Getreide und der Mangel an Brot erwähnt. Vernachlässigt wird dabei, dass es insbesondere auf dem Land vor allem an Fett – und damit an Butter – fehlte. Denn die Milchbauern lieferten den Grossteil ihrer Butter in die Städte. Schliesslich war diese eines der wenigen Produkte, für das sie gutes Geld erhielten.

Geld, auf das sie zur Deckung ihrer Kosten dringend angewiesen waren. Was dazu führte, dass die Butter – trotz der allgegenwärtigen Milchwirtschaft – als Speisefett auf dem Land weit weniger Verwendung fand als das billigere Schweineschmalz oder das Rinderfett.

Butterhandel streng reglementiert

In der Stadt wiederum war der Butterhandel streng reglementiert. Dies, da man insbesondere ihre Ausfuhr mit allen Mitteln verhindern wollte, um der Stadtbevölkerung die dauerhafte Butterversorgung zu sichern. Denn auf pflanzliche Fette konnte man früher kaum ausweichen. Rapsöl galt als minderwertig und die wertvollen Öle insbesondere aus Walnüssen beanspruchte zu grossen Teilen die Kirche, die damit ihre Kirchenlichter erleuchten liess. Andere Fette, wie etwa jenes der Kälber und der Rinder, wurden wiederum für die Herstellung von Kerzen und Seifen verwendet.

Aus der Stadt Luzern – die das Handelsmonopol über dieses ländliche Gut besass – ausgeführt wurde die Butter nur in guten Jahren. Und auch dann nur in geringen Mengen. Von den rund 155'000 Pfund Butter, die 1768 unter dem sogenannten Ankenbogen an der Luzerner Egg verkauft wurden, ging die Hälfte an die Städter. Etwas mehr als ein Fünftel erhielten Kunden aus der Landschaft und nicht ganz ein Drittel wurde hauptsächlich nach Zürich und Basel exportiert.

Fette, wie wir sie heute kennen, waren lange fast unbekannt. Die günstigeren Pflanzenöle begannen ihren Aufstieg erst ab dem 18. Jahrhundert, dank Pflanzen aus der Neuen Welt. Erdnuss, Sonnenblume oder Mais (für das Maiskeimöl) stammen allesamt aus den beiden Amerikas.

Die erste Margarine

Für viele andere Nahrungsmittel war eine langfristige Lagerung (auch dank hoher Importe) möglich. Für das Korn baute man Lagerhäuser, das Obst wurde gedörrt oder gepresst, Fische und Fleisch wurden eingepökelt oder geräuchert, Gemüse wie Kohl oder Gurken wurden fermentiert.

Insbesondere der Anbau von Sonnenblumen und Mais begann sich hierzulande erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durchzusetzen. Dies nicht zuletzt nach der Erfindung der Margarine im Jahr 1869. Dabei wurden für die Margarine teilweise auch noch tierische Fette wie Milch oder Kalbsnierenfett verwendet. Die erste rein pflanzliche Margarine kam erst 1952 auf den Markt.

Von der Butter, die man zwar einkochen oder einsalzen konnte, blieben kaum je Vorräte übrig, Importe gab es so gut wie keine. Eindrückliche Bilder aus Luzern belegen den Mangel, der vom Herausgeber dieser Ansichtskarten süffisant mit dem Begriff der «Butter-Polonaise» untertitelt wurde. Bilder, die belegen, dass die Bewohner der Stadt Luzern während des Ersten Weltkriegs unter der Egg für ihre Butterrationen stundenlang Schlange standen.

Die Butter war in Luzern ein teures Gut

Edmund Müller-Dolder kommentierte damals: «Butterpolonaise kennen wir nun nicht mehr vom blossen Hörensagen. Die Luzernerinnen warteten gestern beim Rathaus, das in seinem Reusskeller das Butterhaus beherbergt. Um den Andrang zum Buttermarkt zu ordnen, hat die Polizei die Frauen paarweise eingestellt; die Prozession, die sich nur langsam vorwärts bewegen konnte, reichte bis auf den Kornmarkt hinaus. Diese Butterprozession ist würdig, in der Chronik erwähnt zu werden», heisst es in der Chronik von Beromünster.

Der Mangel an Käse und an Butter hatte kurz nach Kriegsausbruch nämlich dazu geführt, dass diese unter der Führung des Bundes rationiert wurden. Denn wegen des im Krieg verordneten Zwangsanbaus von Getreide und Kartoffeln brach die Milchproduktion völlig ein. Was hundert Jahre später unvorstellbar erscheint: Statt von Buttermangel ist heute eher von Butterbergen die Rede.

Die Butter-Polonaise in Luzern entstand aufgrund des Buttermangels.
Die «Butter-Polonaise» in Luzern entstand aufgrund des Buttermangels während des Ersten Weltkrieges. (Bild: dfl)
Verwendete Quellen
  • Hans Wicki: «Bevölkerung und Wirtschaft des Kantons Luzern im 18. Jahrhundert», 1979
  • Chronik von Beromünster, Haus zum Dolder, erschienen im «Anzeiger vom Michelsamt» 2014.
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