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Das Ende einer Ära für die Luzerner Frauen

Ausschnitt aus der «Frauenpetition» von 1871. (Bild: StALU AKT 35/10A.8)

Die Schweizer Bundesverfassung von 1848 legte fest, dass alle Schweizer vor dem Gesetz gleich seien. Damit waren allerdings vorerst nur die Männer gemeint. Die sogenannt natürliche Geschlechterordnung stellte die Frauen ganz klar unter die Vormundschaft der Männer. Auch Luzern bildete dabei keine Ausnahme.

Die Schweizer Bundesverfassung von 1848 legte fest, dass alle Schweizer vor dem Gesetz gleich seien. Damit waren allerdings vorerst nur die Männer gemeint. Die sogenannt natürliche Geschlechterordnung stellte die Frauen ganz klar unter die Vormundschaft der Männer. Auch Luzern bildete dabei keine Ausnahme.

Geschlechtsbeistandschaft: unmündige «Weibspersonen»

Im Bürgerlichen Gesetzbuch des Kantons Luzern von 1840 wurde erneut festgelegt, dass allen ledigen oder verwitweten «Weibspersonen» ein männlicher Beistand zugeteilt wird, der ihr Vermögen verwaltete und ohne den die Frauen keine rechtlich gültigen Handlungen vornehmen durften. Konkret bedeutete dies, dass Frauen ohne Zustimmung des Beistands weder ihr eigenes Geld abheben noch ihr Testament verfassen durften. Als Beistand eingesetzt wurden nahe Verwandte oder ein Bürger der Heimatgemeinde. Die Frauen hatten zwar das Recht, einen Mann vorzuschlagen, die endgültige Entscheidung lag aber beim Gemeinderat. Verheiratete Frauen unterlagen automatisch der Vormundschaft ihres Ehemannes. Begründet wurde die Geschlechtsbeistandschaft unter anderem damit, dass die Frauen, sobald sie aus der Vormundschaft ihres Vaters entlassen wurden, zu ihrem eigenen Schutz mit ihrem Vermögen nicht alleine gelassen werden dürften. Sie seien zu ungeübt in Geschäften und leicht zu betrügen – nicht zuletzt bestehe die Gefahr, dass sie sich ihr Geld durch fälschliche Eheversprechen ablocken liessen.

«Sollen allein wir armen Luzernerinnen geistig so weit hinter unseren Mitschwestern zurückstehen?»

Mittels Petitionen wurde mehrfach versucht, gegen dieses Gesetz vorzugehen. 1871 erfolgte eine weitere Unterschriftenaktion. In dieser Petition wurde damit argumentiert, dass bereits fast alle anderen Kantone diese veraltete und ungerechte Institution aufgehoben hätten: «Sollen allein wir armen Luzernerinnen geistig so weit hinter unseren Mitschwestern zurückstehen?» Die ungleiche Stellung von Mutter und Sohn sollte die Absurdität der Geschlechtsbeistandschaft verdeutlichen. So hiess es, dass schliesslich auch die Söhne mit 21 Jahren über ihr Vermögen verfügen dürften, egal ob sie denn vernünftig mit dem Geld umgehen oder es sinnlos ausgeben würden. Die Mütter hingegen hätten ihr Vermögen durch grosse Anstrengungen erworben und zusammengehalten und würden aber gegenüber ihren erwachsenen Söhnen wie unmündige Töchter behandelt. Dies, obschon sie die Knaben liebevoll und aufopfernd gepflegt und in jungen Jahren von manch törichten Handlungen abgehalten hätten.

Gleichheit vor dem Gesetz war damit aber noch lange nicht erreicht.

Schlussendlich wurden über 1’700 Unterschriften gesammelt und der Grosse Rat von Luzern nahm die Vorlage an. Die Geschlechtsbeistandschaft wurde somit 1871 auch in Luzern endgültig abgeschafft. Gleichheit vor dem Gesetz war damit aber noch lange nicht erreicht.

Frauenstimmrecht: Frauen als «Vernunftbegabte Wesen»

Rund hundert Jahre später wurde, nach einigen gescheiterten Anläufen, wieder einmal über das allgemeine und uneingeschränkte Stimm- und Wahlrecht von Frauen abgestimmt. Die Gegenargumente waren vielfältig und wurden durchaus nicht nur von Männern propagiert. So wurde etwa angeführt, dass die Politik ein schmutziges Geschäft und daher für Frauen ungeeignet sei. Sie seien im Haus und bei der Kindererziehung viel besser aufgehoben.

Das Frauenstimmrecht würde lediglich zu einer Verdoppelung führen: doppelt so viele Stimmen für Ja und Nein wie früher.

Auch vor negativen Konsequenzen bei Annahme wurde gewarnt: Wenn die ahnungslosen und mit zu wenig Reife ausgestatteten Frauen mitentscheiden dürften, würden sie die Grundfesten der Politik gefährden. Auch könnten sie, da sie mit etwas über 52 Prozent tatsächlich in der Mehrheit wären, die Männer gar überstimmen. Andere führten an, das Frauenstimmrecht würde lediglich zu einer Verdoppelung der Demokratie führen. Das heisst, es gäbe doppelt so viele Stimmen für Ja und Nein, weswegen eine Beteiligung der Frauen in der Politik überflüssig sei.

Die Luzerner waren dem eidgenössischen Ja zum Stimm- und Wahlrecht von Frauen etwas voraus.

In Luzern initiierte die Konservative Volkspartei 1969 eine Volksinitiative für das Frauenstimmrecht. Diese prangerte beispielsweise an, dass es mit einer modernen Demokratie nicht mehr vereinbar sei, die Hälfte der Erwachsenen von der Mitbestimmung auszuschliessen. Auch handle es sich um eine selbsterfüllende Prophezeiung, davon auszugehen, dass es das Wesen der Frau nicht erlaube, auch ausserhäuslicher Tätigkeit wie der Politik nachzugehen, denn die dahingehende «weibliche Beschränktheit» sei lediglich so anerzogen worden. Am 25. Oktober 1970 schritten die Luzerner schliesslich zur Abstimmung und das Frauenstimmrecht wurde auf Kantons- und Gemeindeebene angenommen. Somit waren die Luzerner dem eidgenössischen Ja zum Stimm- und Wahlrecht von Frauen vom 7. Februar 1971 immerhin ein paar Monate voraus, wobei die Umsetzung in einigen Kantonen bekannterweise noch jahrzehntelang auf sich warten liess.

 

Der Verein Frauenstadtrundgang Luzern bietet im historischen Rundgang «Mit Pfeffer und Pfiff» weitere Informationen zur Geschlechtsbeistandschaft und zum politischen Engagement von Frauen in Luzern. Bis Oktober finden öffentliche Rundgänge zu weiteren Themen statt, welche sich auch privat buchen lassen.

Autorinnen für den Frauenstadtrundgang Luzern: Carole Lüscher, Eva Bachmann

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