Benito Mussolini am Bau der Dietschibergbahn beteiligt
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Aufgrund einiger Grossprojekte in der Baselstrasse steigt im 19. und 20. Jahrhundert der Bedarf an Arbeitskräften, welcher mit einer Zuführung von italienischen Gastarbeitern befriedigt wird. Darunter befindet sich der italienische Diktator Benito Mussolini. Er wird in Luzern von seinem Vorgesetzten der Brandstiftung verdächtigt.
Die Baselstrasse am ehemaligen Stadtrand Luzerns ist eines der vielfältigsten Quartiere der Stadt. Dutzende von Nationen leben neben- und miteinander und bereichern den Kulturraum. Einwanderer der ersten Migrationswelle, welche den Weg in die multikulturelle Gegenwart eingeleitet haben, kommen vornehmlich aus Italien.
Zwei Grossprojekte
Für verschiedene Tunnelbauprojekte und für Steinbrüche sind im 19. Jahrhundert Werktätige gefragt. Der Bau des ersten Gütschtunnels 1855, welcher Platz für eine Bahnlinie mit Zugang zum Bahnhof schaffen soll, sowie die diversen Steinbrüche rund um die Baselstrasse herum bringen einen grösseren Bedarf an Arbeitern. Um die Ausgaben so gering wie möglich zu halten, greift man auf italienische Gastarbeiter zurück.
Arbeiterviertel Baselstrasse
Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelt sich die einstige Vorstadt immer mehr zum Arbeiterviertel. Der Bedarf an günstigen Mietwohnungen in unmittelbarer Nähe zum Arbeitsort steigt. So wird der Standort Baselstrasse auch für Gastarbeiter und Migranten zum bevorzugten Wohnort. Doch vor allem in den Anfangszeiten fällt den Zuwanderern die Integration schwer. Teilweise arbeiten die Gastarbeiter in einem befristeten Verhältnis, sodass sie keinerlei Möglichkeiten haben, langfristige Beziehungen aufzubauen. Dies führt dazu, dass sich Vereine und Treffpunkte bilden, welche von Italienerinnen geführt und auch frequentiert werden.
Bis zu Beginn des Ersten Weltkriegs ziehen immer mehr italienische Migranten nach Luzern. Infolge einer Volkszählung stellt sich heraus, dass 1900 etwa ein Drittel aller Bewohner aus dem Ausland kommen, die meisten aus Italien.
Mit dem Heranwachsen der zweiten Generation und dem Aufkommen interkultureller Beziehungen festigen die Italiener ihren Platz im multikulturellen Miteinander im «Untergrund». Die Mehrheit der Einwanderer übt in der unmittelbaren Zeit nach ihrer Ankunft handwerkliche Berufe aus. Im Laufe der Jahre diversifizieren sich ihre Tätigkeiten, manche eröffnen ihre eigenen Baufirmen oder finden in anderen Branchen ihren beruflichen Werdegang. Einige gründen italienische Restaurants und Lebensmittelgeschäfte und bringen den Eingewanderten damit ein Stück Heimat in ihr zweites Zuhause.
«Foschi» und der kleine Diktator in Luzern
Für manche wird dieses zweite Zuhause zum Lebensmittelpunkt. Auch, weil ihre alte Heimat sie nicht mehr anerkennt. So geschehen im Falle des Baupoliers Oswald Foschio-Huber.
Foschio-Huber hat eine Schweizerin aus Luzern geheiratet und mit ihr eine grosse Familie gegründet. Eine Anstellung beim Bau der Dietschibergbahn verschlägt ihn nach Luzern. 1911 beginnen die Bauarbeiten. Als Polier fällt er positiv auf, seine Kollegen schätzen ihn und versehen ihn mit dem Spitznamen «Foschi».
Beim Bau der Standseilbahn untersteht ihm ein italienischer Maurer, welcher durch seine schwierige, träumerische und teils widerspenstige Art auffällt. Dabei handelt es sich um den künftigen Diktator Italiens, Benito Mussolini.
Mussolini: Schon in Luzern ein Brandstifter?
Auf der Baustelle wird aufgrund eines Einbruchs und anschliessenden Brandes in einer der Baracken ermittelt. Polizisten befragen mehrere Arbeiter nach dem Tathergang, auch Foschio-Huber. Dieser verdächtigt seinen Mitarbeiter Mussolini, bezichtigt diesen der «Träumerei» und «Undurchsichtigkeit». Der spätere Begründer des italienischen Faschismus wird daraufhin von der Polizei als dringend tatverdächtig eingestuft und beim städtischen Stadthalteramt vorstellig.
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Heimatlos
In der anschliessenden Untersuchung wird der Tatverdacht aufgrund mangelnder Beweise nicht aufrechterhalten. Die Reichweite des Vorfalls wird sich für Foschio-Huber aber erst noch zeigen. Nachdem Benito Mussolini 1922 infolge der faschistischen Machtergreifung zum Ministerpräsidenten ernannt wird, ändert sich Foschio-Hubers Leben.
Sein italienischer Pass wird aberkannt, wohl als direkte Folge seiner Denunziation Mussolinis. Sein Leben muss er ab diesem Moment als Heimatloser fristen, denn seine Bemühungen um das Luzerner Bürgerrecht bleiben erfolglos. In Luzern ist «Foschi» eine bekannte Figur, als zuverlässiger Handwerker angesehen und durch seine gesellige Art bei Nachbarn und Kollegen beliebt.
Es sind Menschen wie er, welche durch ihre Positivität und Lebensfreude die Baselstrasse nachhaltig verändert und den Weg in die heutige multikulturelle Gegenwart geebnet haben. Auch, wenn sie dabei Opferbereitschaft zeigen und ihre alte Heimat für eine neue eintauschen mussten.
- P. Schnider: Fabrikindustrie zwischen Landwirtschaft und Tourismus, Industrialisierung der Agglomeration Luzern zwischen 1850 und 1930, Luzern 1996 (Luzerner Historische Veröffentlichungen; 31).
- K. Zbinden: Von der italienischen Kolonie im Luzerner Quartier «Untergrund», Schweizerische Bauzeitung Band 85, Luzern 1967.