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Nur vier Zuger Gemeinden waren für Frauenstimmrecht

«Au im Zugerland – Ma und Frau mitenand»

Auch in Zug wurde 1971 mit diesem Pro-Plakat geworben. Grafik: Peter Freis (1939–2015), Auftraggeberin: Aktionskomitee für das Frauenstimmrecht. (Bild: Gosteli-Stiftung, Plakatsammlung)

Mit dem Spruch «Au im Zugerland – Ma und Frau mitenand» warb das Aktionskomitee Frauenstimmrecht im Januar 1971 im «Zuger Tagblatt» für die Einführung des Frauenstimm- und -wahlrechts. Auf der Suche nach «noch originelleren Slogans» schrieb das Blatt gar einen kleinen Wettbewerb aus.

Und tatsächlich: Das männliche Zuger Stimmvolk nahm die Vorlage mit einem Ja-Stimmenanteil von 59 Prozent an. Als eines der letzten Länder der Welt hatte die Schweiz also am 7. Februar 1971 dem Frauenstimm- und -wahlrecht auf Bundesebene nach mehreren mühseligen Anläufen zugestimmt. 

Ein knappes Ja 1971

Gleichzeitig mit dem eidgenössischen wurde in Zug auch das kantonale und gemeindliche Frauenstimm- und -wahlrecht eingeführt. Eine Stimmenmehrheit wurde allerdings nur in den Gemeinden Zug, Cham, Baar und Steinhausen erreicht.

Gertrud Heinzelmann (1914–1999), Rechtsanwältin und von 1956 bis 1976 im Zentralvorstand des Schweizerischen Verbandes für das Frauenstimmrecht, brachte es nach dem Abstimmungssonntag auf den Punkt: «Fortan wird es nur noch Volksabstimmungen geben im wahren Sinn des Wortes.»

Frauen in der Zuger Politik seit 1971

Nach der Abstimmung 1971 versuchten die beiden staatstragenden Parteien im Kanton Zug, die FDP und die CVP, Frauen aktiv für politische Ämter zu gewinnen. Da die Wahlen für die laufende Legislatur 1971–1974 eben erst und noch nach altem Wahlrecht abgehalten wurden, dauerte es weitere vier Jahre, bis die ersten Frauen Einzug in politische Gremien hielten.

So wurde 1974 die erste Frau in den Zuger Kantonsrat gewählt. Es war die Freisinnige Margrit Spillmann (*1944), die 1978 auch Zugs erste Stadträtin wurde. Spillmann, Juristin aus gutbürgerlichem Haus, war 1969 den Jungliberalen beigetreten. Bereits ihr Urgrossvater, Fritz Spillmann (1846–1926), war FDP-Regierungsrat gewesen.

Parteien suchten Frauen

«Ich wurde angefragt und eh für freisinnig gehalten», wie die heute in Zürich lebende Spillmann in einem Interview im vergangenen Jahr erzählte. Die Partei habe nach der Abstimmung 1971 Frauen gebraucht. Auch auf städtischer Ebene wurde 1974 gewählt: Für die neue Legislatur zogen 1975 fünf Frauen in den Grossen Gemeinderat (GGR) ein.

Damit war – zumindest vordergründig – für die langjährigen Aktivistinnen der organisierten Frauenbewegung ein langer und zäher Kampf abgeschlossen.

Margrit Spillmann (*1944), die erste Zuger Kantonsrätin und Stadträtin.(Bild: Zuger Frauengeschichte(n). Hrsg. Zuger Frauenzentrale. Zug 1992, S. 121)

Grundlegende Veränderung gefordert

Dies sahen die jüngeren Aktivistinnen, die sich rund um 1968 zur Frauenbefreiungsbewegung (FBB) formiert hatten, ganz anders. Sie verstanden sich als ausserparlamentarische Aktivistinnen und forderten mehr als politische Rechte: eine grundlegende Veränderung der Gesellschaft.

Kalender 2021

Das Stadtarchiv Zug hat zum 50-Jahr-Jubiläum in Zusammenarbeit mit der Bibliothek Zug einen Kalender der besonderen Art kreiert: Das neue Jahr beginnt mit dem 7. Februar 2021. Darin finden sich Geschichten zu einer am Waldrand parkierten Schnecke, zu roten Herzen an Männerkitteln oder zu einer FDP-Frau auf einem Töffli.
Der Kalender ist ab dem 3. Februar 2021 kostenlos zu beziehen bei:
Stadtarchiv Zug
St.-Oswalds-Gasse 21
6301 Zug
[email protected]

Der Kampf um das Frauenstimmrecht sei passé! Diese gemäss der Historikerin Elisabeth Joris teilweise «ignorante Überheblichkeit» gegenüber den Protagonistinnen der alten Frauenbewegung irritierte und schmerzte, zumal die älteren Kämpferinnen in ihrem Jahrzehnte dauernden Kampf zahlreiche Rückschläge hatten erleben müssen.

Ein wuchtiges Nein 1959!

Gute zehn Jahre früher hatten die Kämpferinnen für das Frauenstimmrecht nämlich eine bittere Niederlage erleben müssen. Die eidgenössische Vorlage war in allen Zuger Gemeinden mit 76 Prozent Nein-Stimmen wuchtig abgelehnt worden.

Überraschend war dies jedoch nicht, hatten doch die meinungsbildenden Kantonalparteien FDP und die «conservativ-christlichsoziale Volkspartei» (heute CVP) Stimmfreigabe bzw. die Nein-Parole beschlossen. Aber nicht nur Männer waren im Abstimmungskampf gegen die Einführung aktiv. Auch die «staatsbürgerliche Vereinigung katholischer Frauen (STAKA)» plädierte für ein Nein.

Unrühmlich ist in diesem Sinne die promovierte Historikerin Josefine Steffen (1902–1964) in die Geschichte eingegangen: Sie war Mitbegründerin des eidgenössischen Komitees gegen die Einführung des Frauenstimm- und -wahlrechts und verfasste eine dünne Broschüre mit einem Kontra-Argumentarium.

Die Rhetorik blieb jahrzehntelang dieselbe: die gleichberechtigte Frau vernachlässigt ihre Mutterpflichten! Plakat gegen die Einführung des Frauenstimm- und -wahlrechts im Kanton Zürich, 1920. (Grafik: Ernst Keiser (1894–1960) Quelle: Gosteli-Stiftung, Plakatsammlung)

2021: Wir feiern, trotz allem!

Überfällig war es also, 1971 das Stimm- und Wahlrecht für Schweizer Staatsbürgerinnen einzuführen. Eigentlich hochnotpeinlich und schäbig, dass den Schweizer Frauen die politischen Rechte erst 123 Jahre nach der Gründung des Bundesstaates und der Einführung des sogenannten allgemeinen Stimm- und Wahlrechts eingeräumt wurden.

Und es ist kein «Betriebsunfall der Geschichte», wie es die Geschichtsprofessorin Caroline Arni neulich formuliert hat. Die Geschichte der Rechte sei keine Agenda mit Deadlines, die eingehalten oder verpasst und nachgeholt werden. Es sei vielmehr eine Geschichte von Kämpfen um Teilhabe.

In diesem Sinne geht der Kampf auch heute weiter, wie schon nach 1971, als sich der Schweizerische Verband für Frauenstimmrecht nicht etwa auflöste, sondern in «Schweizerischer Verband für Frauenrechte» umbenannte.

P.S. Nachdem im vergangenen Jahr die Zuger Kirschtorte zum «geschützten Kulturgut» geworden ist, sei zum Abschluss noch ein zweiter Spruch des Aktionskomitees Frauenstimmrecht verraten:

«Wie Zuger Kirsch so hell und klar, isch's Ja für d' Fraue im Februar!»

So klar war dieser Zuger Kirsch 1971 allerdings nicht.

Pussyhat der Hünenbergerin Virginia Köpfli, Mitorganisatorin des Frauenstreiktages vom 14. Juni 2019.(Bild: Museum Burg Zug, Inventarnummer 17048)

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