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Die Filmbranche macht Archäologie interessant

Archäologische Fakten & fiktive Spielfilme

Ansicht einer Grabungsfläche. Archäologie wird u.a. durch Filme an die Öffentlichkeit gebracht.

(Bild: Bild: Amt für Denkmalpflege und Archäologie, Zug)

Geschichten, wie sie uns die Hollywood-Filmbranche vorlegt, sind in der Lage, das Publikum für neue Dinge zu interessieren. So auch für die Archäologie und Historie aus der Umgebung.

Als Mitarbeitende eines archäologischen Museums machen wir die Erfahrung, dass eine Mehrheit des Publikums Spielfilme wie «Gladiator» (USA 2000), «Alexander» (USA 2004), «Troja» (USA 2004) oder «10.000 BC» (USA 2008) kennt. Oft informieren sich Museumsbesuchende auch im Fernsehen oder Internet über das Thema Archäologie und Geschichte, beispielsweise durch die Sendung «Einstein».

Die Sendungen über die Schlacht am Morgarten lösten im Sommer 2015 rege Diskussionen aus. Im Anschluss daran sprachen uns Besuchende auf Inhalte und Fakten an. Im Austausch mit dem Publikum stellen wir fest, dass vor allem Spielfilme, aber auch Dokumentarfilme mit vielen nachgestellten Szenen eine immense Wirkungskraft auf die Vorstellungswelt von Archäologie und Geschichte haben.

Der Einfluss von Spielfilmen

Mehr als jedes Buch und jede Ausstellung, sogar mehr als der Schulunterricht beeinflussen populäre Spielfilme und TV-Serien das Geschichtsbild der Menschen. Diese Erkenntnis ist nicht neu und bekräftigt die These, dass Bilder bzw. Filme viel einprägsamer sind als Worte.

Im Gegensatz zu wissenschaftlichen Publikationen können Spielfilme mit Vergangenheitsbezug ein Millionenpublikum finden. Darunter sind viele Menschen ohne besonderes Interesse an Archäologie oder Geschichte. Die Filme handeln meist von bekannten historischen Ereignissen wie den Schlachten von Alexander dem Grossen oder von bedeutenden Persönlichkeiten wie dem römischen Kaiser Nero.

Neben realen Ereignissen aus der Vergangenheit werden auch Legenden und Mythen wie der Trojanische Krieg gerne filmisch auf- und umgearbeitet. Als Setting für die fiktiven Storys der Kino- und Fernsehspielfilme dienen heute noch bekannte Schauplätze der Geschichte wie das Kolosseum in Rom.

Hauptsache Spannung

Spielfilme sind darauf angelegt zu unterhalten. Ziel sind primär volle Kinokassen und hohe Einschaltquoten. Dazu braucht es eine spannende und melodramatische Geschichte, nicht historische Faktentreue oder eine authentische Ausstattung. Entsprechend gross ist der Anteil an Fiktion und Emotion und kleiner die Sachlichkeit. Durch inszenierte Spannung statt Wahrhaftigkeit, emotionale Dichte statt historischer Genauigkeit ergibt sich ein einprägsames – aber nicht unbedingt «wahres» – Bild von der Geschichte und den Hintergründen.

«Im Film «Anuk – Der Weg des Kriegers» (CH) treffen sich filmische Fiktion und museale Archäologievermittlung.»

Drama statt wissenschaftliche Korrektheit

Mit der Nennung von Fachpersonen, die als Berater beim Filmprojekt mitgearbeitet haben, betont der Regisseur, dass die Darstellungen wissenschaftlich korrekt sind, was jedoch meist nur ein Marketingtrick und Lippenbekenntnis ist. In Tat und Wahrheit verzichtet man meist auf die wissenschaftliche Korrektheit zu Gunsten einer spannenderen Dramaturgie bei der Gestaltung historischer Gebäude, Kostüme, Waffen etc.

Im Film «Anuk – Der Weg des Kriegers» (Schweiz 2005) wählte der Obwaldner Regisseur Luke Gasser für die Innenaufnahmen die Rekonstruktion eines bronzezeitlichen Hauses in der Dauerausstellung des Museums für Urgeschichte(n). Hier treffen sich filmische Fiktion und museale Archäologievermittlung.

Durch Filmemacher betonte Authentizität

Andererseits gibt es Beispiele wie der Spielfilm «Gladiator» (USA 2000), bei dem es viele offensichtliche Fehler gibt, obwohl der Regisseur einen Berater mit Fachausbildung zugezogen hatte und die Kenntnisse der Archäologie über die Ausrüstung, Waffen, Kampftechniken und Trainings der Gladiatoren dank Funden und schriftlichen Quellen sehr detailreich und umfassend sind.

Selbst Regisseure, die sich aufgrund anderer Zielsetzungen nicht für eine korrekte Geschichtsvermittlung interessieren, wollen für die Zuschauer trotz allem eine Illusion von Authentizität herstellen. In den Köpfen der Öffentlichkeit werden dadurch Geschichtsbilder und Vorstellungen der Vergangenheit geprägt, die sehr verfänglich sind. Bedenklich auch, da Spielfilme das Schlüsselmedium des Geschichtsbewusstseins sind, da sie von Millionen von Zuschauern gesehen werden, während Fachpublikationen nur einen Bruchteil an Lesern erreichen.

«Spielfilme wecken das Interesse an der Vergangenheit und können archäologische Erkenntnisse an die Öffentlichkeit vermitteln.»

Dilemma zwischen Spannung und Wahrheit

Wissenschaftler stehen vor dem Dilemma, dass die wirkungsvoll gemachten Spielfilme vom wissenschaftlichen Standpunkt aus gesehen meist fehlerhaft sind. Andererseits dient ihre grosse Bekanntheit durchaus als positiver Imageträger. Spielfilme wecken das Interesse an der Vergangenheit und können als Anknüpfungspunkt dienen, archäologische Erkenntnisse an eine grosse Öffentlichkeit zu vermitteln. Daher können Filme nicht pauschal verurteilt werden. Schliesslich haben sie von ihrem Genre her bewusst keine Ambitionen auf Wahrheit.

Geschichte bedeutet im Spielfilm oft, Geschichten von Persönlichkeiten zu erzählen, was etwa an Produktionen wie «Cleopatra» (USA 1963) deutlich wird. Auf Menschen als Identifikationsfiguren setzen auch die archäologischen Museen mehr und mehr, wenn es um die Vermittlung und die Darstellung geht.

So wird in einer Szene im Museum für Urgeschichte(n) ein Mädchen dargestellt, das Korn mahlen muss, während sein Bruder Pfeilbogenschiessen geht. Die Geschichte ist zwar fiktiv, weist aber auf sozialhistorische Fragen hin: Gab es damals geschlechterspezifische Unterschiede im Alltag der Kinder? Auch im Film stehen persönliche Aufgaben häufig stellvertretend für historische Situationsbewältigungen, und die Lösung persönlicher Probleme ist eng mit historischen Ereignissen verknüpft.

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Ob Hintergründe zu alten Gebäuden, Geschichten zu Plätzen, stadtbekannte Personen, bedeutende Ereignisse oder der Wandel von Stadtteilen – im «Damals»-Blog werden historische Veränderungen und Gegebenheiten thematisiert.
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