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Landgierige Bauern und fromme Schwestern

Ägerer Sagen zu heiligen Grenzen

Die frommen Schwestern von der Bogenmatt in Unterägeri benutzten auf ihren Pilgerreisen ein zauberhaftes Transportmittel, um über den See zu gelangen. (Bild: Illustration: Brigitt Andermatt)

Das Ägerital ist reich an Sagen und Legenden. In einigen Sagen wird über verschobene Grenzzäune berichtet. Für dieses Vergehen, wie es in der Geschichte «De Marchverrücker»vorkommt, muss der Täter büssen. Die frommen Schwestern von der Bogenmatt kommen dabei eher mild davon. 

Grenzen, Grenzzäune oder Hagstecken sind den Menschen seit jeher etwas Heiliges. Wer Hagstecken oder Abgrenzungen unrechtmässig verschob, musste damit rechnen, schwer bestraft zu werden – manchmal sogar über den Tod hinaus. Einige Zuger Sagen handeln davon, wie Menschen sich an Abgrenzungen zu schaffen machten. In den beiden ausgewählten Ägerer Sagen kamen die Verursacher jedoch recht glimpflich davon.

«De Hagstäcke»

Im Ägerital standen schon im 13. Jahrhundert sogenannte Schwesternhäuser, in denen fromme Frauen lebten. Eines dieser Häuser soll in der Bogenmatt gestanden haben. Die Frauen, die dort wohnten, sollen sehr fromm gewesen sein. Einmal im Jahr, so war es zu dieser Zeit Brauch, gingen die Schwestern auf Pilgerreise nach Einsiedeln.

Dabei hatten die frommen Frauen eine besondere und eigene Art, den See zu überqueren. Sie taten dies ohne Schiff. Sie schwebten oder glitten, wie auf einem Zauberteppich darüber, ohne nasse Füsse zu bekommen. Einmal, als sie nach einer langen und beschwerlichen Pilgerreise wieder auf dem Heimweg waren, legten sie auf St. Jost eine Rast ein. Als sie weitergingen, nahm eine der Frauen einen Hagstecken einer Umzäunung mit, der dort am Wegrand war. Diesen Stecken benutzte die Schwester als Wanderstock für die restliche Heimreise.  

Als sie dann endlich den See erreicht hatten, wollte das Wasser die Frauen nicht tragen. So riefen alle Frauen zusammen wie aus einem Mund: «Das muess am Hagstäcke ligge!» – Daraufhin blieb der Schwester, die diesen mitgenommen hatte, nichts anderes übrig, als diesen wieder zurückzubringen. Sie musste den ganzen weiten Weg zurücklaufen und ihn wieder an Ort und Stelle einstecken. Die anderen Schwestern warteten in der Zwischenzeit geduldig auf sie. Als sie dann wieder alle beisammen waren, konnten sie wie gewohnt über das Wasser schweben und zu ihrem Haus zurückkehren.

«De Marchverrücker»

Eine weitere Sage aus dem Ägerital erzählt die Geschichte eines landgierigen Bauern, der über Nacht seine eigenen Matten vergrössert habe, indem er die Grenzzäune zu seinen Gunsten veränderte. Seine Nachbarn haben diesen Betrug schnell bemerkt, schwiegen aber um des Frieden Willen. Lange Jahre ging das gut.

Als der Bauer schwerkrank auf dem Sterbebett lag, konnte er nicht sterben. Tagelang rang er um Erlösung. Sein Atem war schwer und es klang so, als würde ihm ein «Toggeli» auf der Brust sitzen. Seine Nachbarn beteten unaufhörlich, dass seine Seele endlich erlöst wird. Das Einzige, was er immer wieder rief, war: «De Hag, de Hag!» Sein Stöhnen und Klagen war fast endlos, bis die Leute nach draussen gingen, den Hag und die Stecken wieder an ihren ursprünglichen Ort setzten. Kaum hatten sie den letzten Stecken am alten Ort eingeschlagen, so konnte der Bauer endlich sterben.  

Schwesternhäuser in der Bogenmatt

Die schriftlichen Quellen zu den Schwesternhäusern in der Bogenmatt sind nur spärlich. In der Bogenmatt, in der Nähe des heutigen Altersheims Chlösterli, wurden Mitte des 19. Jahrhunderts Mauerreste gefunden, die auf ein solches Schwesternhaus hinweisen. Im Kanton Zug gab es in Baar, Zug oder Menzingen verschiedene solche Schwesternhäuser. Diese Schwesternhäuser, so die Quellen, waren vermutlich Beginengemeinschaften.

Die Beginen (Frauen) und Begarden (Männer) waren eine religiöse Laienbewegung, die in klosterähnlichen Gemeinschaften lebte, deren Regeln aber weniger streng waren als in einem Konvent. Bei den Frauen handelte es sich oft um Witwen oder alleinstehende Frauen. Sie waren unter anderem in der Krankenpflege tätig. Die Beginenbewegung kam aus Norddeutschland und Holland und fand auch den Weg in die Schweiz.    

Unterägeri: Blick auf die Bogenmatt und den See. (Bild: Maria Greco)
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