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Richtstätten in der Leuchtenstadt

Ab mit dem Kopf: Wo in Luzern früher hingerichtet wurde

Auf dieser historischen Illustration wird die Hinrichtung des Protestanten Klaus Hottinger in Luzern am 9. März 1524 gezeigt. (Bild: Wikimedia Commons)

In der Schweiz ist die Todesstrafe verboten. In früheren Jahrhunderten wurde aber auch hier munter gefoltert und getötet – auch in der Stadt Luzern. Hier wurden 711 Menschen hingerichtet. Eine Chronologie der Grausamkeit.

Im Jahr 2021 wurden weltweit 579 Menschen mit der Todesstrafe hingerichtet – die Dunkelziffer dürfte gemäss Amnesty International jedoch höher liegen. In der Schweiz liegt die letzte offizielle Hinrichtung einige Jahrzehnte zurück. 1942 wurde die zivile Todesstrafe abgeschafft, im Militärstrafrecht offiziell erst 1992 – angewandtet wurde sie aber nach 1944 nicht mehr.

Bis dahin wurden in der Schweizer Geschichte jedoch Menschen gehängt, gevierteilt, verbrannt, gerädert, ertränkt, geköpft und erschossen. Auch in Luzern. Von 1551 bis 1798 verurteilte man im Kanton Luzern 711 Menschen zum Tode – und richtete diese brutal hin. 40 Prozent dieser Exekutierten waren Bewohner der Landschaft, 46,5 Prozent sonstige Auswärtige und nur gerade 2 Prozent Luzerner Stadtbürger. Der Anteil der Männer war mit 473 (66,5 Prozent) rund doppelt so gross wie derjenige der Frauen, die mit 238 Getöteten etwa 33,5 Prozent aller Hinrichtungen ausmachten.

Während einige dieser Richtstätten aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden sind, können wir andere bis heute besuchen. Und eine gehört zu den beliebtesten Fotosujets der Schweiz.

Wasserturm: Selfiemagnet und Folterturm

Die meisten Stadtluzernerinnen dürften über die finstere Geschichte des Luzerner Wahrzeichens Bescheid wissen. Denn wo heute der Artillerieverein tagt und regelmässig unter dem Dach Hochzeitsfeste gefeiert werden, hallten früher statt Jubel- Schmerzensschreie durchs Gemäuer.

Denn zur Zeit des Ancien Régime diente der Wasserturm als Gefängnis, Verhörlokal und Folterkammer. Während inhaftierte Personen zuunterst im Verlies gefangen gehalten wurden, wurde im Dachgeschoss gefoltert – und es wurden Geständnisse erzwungen. Hier begann für viele Verurteilte die grausame Prozedur bis zur eigentlichen Hinrichtung.

Heute sieht man durch ein Gitter im Boden der Rüstkammer in das einstige Verlies und erhält dadurch einen flüchtigen Einblick in das dunkle Kapitel dieses Touristenmagneten.

Fischmarkt: Gericht und Pranger

Für die Verurteilten ging es danach weiter zum Fischmarkt – zu dem Platz, wo heute das Hotel Balance steht. Gemäss Unterlagen des Historischen Museums Luzern fanden hier noch bis ins 15. Jahrhundert unter freiem Himmel Gerichtsverhandlungen und Urteilsvollstreckungen statt. Meistens zwischen Mittag und 18 Uhr, wenn der Publikumsandrang am grössten war – und damit auch die Machtdemonstration der Obrigkeit über das Verbrechen. Hier wurden aber nicht nur die Todesurteile öffentlich verkündigt.

Auf dem Fischmarkt stellte man ebenfalls Menschen an den Pranger, welche kleine Diebstähle oder andere geringfügige Vergehen begangen hatten. Als zusätzliche Schande setzte man den «Angeprangerten» je nach Fall ausserdem einen speziellen Hut auf. Neben dem Pranger stand hier ebenfalls die Lasterbank, auf der körperliche Strafen öffentlichkeitswirksam vollzogen wurden.

Hinrichtungsstätte Sentimatt

Hatte man das Todesurteil auf dem Fischmarkt öffentlich verkündet, brachte man die Verurteilten zur Richtstätte bei der heutigen Sentimatt, an einen Ort, der früher noch ausserhalb der Stadtmauern lag. Hier wurden die bis 1562 alle Urteile ausgeführt – in einer ganzen Bandbreite der Grausamkeit.

Beim Rädern beispielsweise brach ein Scharfrichter den Verurteilten zunächst die Knochen und flocht danach deren Körper quasi in ein Speichenrad hinein. Diese Hinrichtungsart fand meistens bei Raubmördern Anwendung. Wer wegen Brandstiftung, Hexerei, Zauberei und «Unzuchtvergehen», wie Homosexualität, Sodomie oder Päderastie verurteilt wurde, landete hingegen auf einem Scheiterhaufen und wurde verbrannt – meistens lebendig.

Anna Vögtlin wird 1447 vor dem Städtchen Willisau verbrannt.
Anna Vögtlin wird 1447 vor dem Städtchen Willisau als vermeintliche Hexe verbrannt. (Bild: Diebold Schilling, Eidgenössische Chronik, 121)

Hinrichtungen auch in der Reuss

Nebst der Sentimatt diente auch die Reuss im weitesten Sinne als Richtstätte. Denn hier wurden Straftäter «geschwemmt». Beim Schwemmen warf man den gefesselten Verurteilten bei der Peterskapelle von einem Boot aus ins Wasser und drückte ihn mit einem Stock oder Paddel unter die Wasseroberfläche. Die Marter dauerte bis zur Reussbrücke – eine Strecke von fast 450 Metern.

Ab 1562 verlagerte man das Geschäft mit dem Tod auf den Emmenschachen, den heutigen Seetalplatz. Hier urteilte neu das Hochgericht Emmen. Der Standort war bewusst gewählt: Denn das Gebiet war schon damals eine Hauptverkehrsachse – umso abschreckender war für Reisende das aus der Ferne gut sichtbare Galgengebäude.

Die Todesstrafe wird «humaner»

Eine deutliche Veränderung und Verbesserung des Strafrechts ergab sich erst nach 1798. Mit der Einführung des «Helvetischen Peinlichen Gesetzbuches» von 1799 wurde die Folter abgeschafft und die Anwendung der Todesstrafe stark eingeschränkt. Vollstreckt wurden Todesurteile nur noch durch Enthauptung mittels Guillotine oder Schwert.

Ab 1848 blieb der Öffentlichkeit das «Spektakel» einer Hinrichtung verwehrt. Dann nämlich wurden Hinrichtungen nur noch unter Ausschluss der Öffentlichkeit im Hof der Strafanstalt Sentimatt an der heutigen Baselstrasse 20 durchgeführt. Die Richtstätte in Emmenbrücke wurde 1866 beseitigt, weil die Bahnlinie Basel-Luzern direkt durch dieses Gelände führte.

Luzern kauft sich eine Guillotine

Mit der Bundesverfassung wurde die Todesstrafe 1874 abgeschafft. Knapp fünf Jahre später entschied das Volk in einer Abstimmung jedoch, dass es den Kantonen überlassen sein sollte, die Todesstrafe wieder einzuführen – was in Luzern 1883 geschah. Auch die Kantone Uri, Schwyz, Zug, Obwalden, St. Gallen, Appenzell-Innerrhoden, Schaffhausen und Fribourg folgen diesem Beispiel. Für die Hinrichtungen in Luzern lieh man die Guillotine zuerst von Schaffhausen aus und kaufte sie dann 1904 für eine Summe von rund 1000 Franken – heute steht sie im Historischen Museum Luzern (zentralplus berichtete).

Die letzte zivile Hinrichtung in Luzern fand am 2. Januar 1915 statt. Getötet wurde der Lustmörder Anselm Wütschert (zentralplus berichtete). Als Letzte wurden 1924 in Altdorf Clemens Bernet, 1939 Paul Irniger in Zug und 1940 der Mehrfachmörder Hans Vollenweider in Sarnen mit der Luzerner Guillotine hingerichtet.

Die Guillotine im Historischen Museum Luzern. Foto: Historisches Museum Luzern. (Bild: Historisches Museum Luzern, Theres Bütler)

Mit einem Denkmal hat es Luzern nicht eilig

Die Strafanstalt Sentimatt diente noch bis 1949 als Zuchthaus für Männer. 1951 wurde sie abgebrochen. Heute steht an dieser Stelle die Wohnüberbauung Sentihof. Wie das Historische Museum Luzern schreibt, entspricht der heutige Innenhof der Überbauung in etwa dem früheren Gefängnishof.

Um dem finsteren Kapitel der Hinrichtungen in der Luzerner Geschichte zu gedenken, plante die Stadt, Gedenktafeln an den entsprechenden Orten zu errichten. Nur eilig hat man es mit der Idee offenbar nicht (zentralplus berichtete). Bis dahin bleiben nur historische Dokumente, um die Gräuel eines früheren Justizsystems nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

Verwendete Quellen
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Ob Hintergründe zu alten Gebäuden, Geschichten zu Plätzen, stadtbekannte Personen, bedeutende Ereignisse oder der Wandel von Stadtteilen – im «Damals»-Blog werden historische Veränderungen und Gegebenheiten thematisiert.
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5 Kommentare
  • Profilfoto von Roger Geiser
    Roger Geiser, 03.04.2023, 10:01 Uhr

    Gibt es hierzu ein Buch, wo man das mittelalterliche Luzern nachlesen und kennenlernen kann?

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    • Profilfoto von Hannes Estermann
      Hannes Estermann, 04.04.2023, 23:54 Uhr

      Würde Ihnen empfehlen,sich zuerst bei Zentralbibliothek Luzern (Kostenlos)
      zu informieren.
      Dort gibt man Ihnen sicher gerne die nötigen Typs.
      Lohnenswert… gleichenorts zuerst einige Bücher ausleihen.

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  • Profilfoto von Hannes Estermann
    Hannes Estermann, 31.03.2023, 13:22 Uhr

    Eine kleine Anmerkung.
    …die meisten Hinrichtungen mit dem Doppelschwert (Original in Aarau) wurden von der
    über 3 Jh. führenden Scharfrichter Familienynastie MENGIS auf Bestellung im In-und Ausland ausgeführt.
    Ursprünglich aus der Stadt Willisau stammend und später bis in die Neuzeit hinein in Rheinfelden/AG ansässig.

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    • Profilfoto von Hanswurst
      Hanswurst, 31.03.2023, 17:17 Uhr

      Spannendes Hintergrundwissen, das auch im historischen Lexikon nachzulesen ist. Aber: In Willisau Lebte der Arzt (nicht Scharfrichter!) Josef Mengis.

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      • Profilfoto von Hannes Estermann
        Hannes Estermann, 31.03.2023, 20:32 Uhr

        Lieber Hanswurst..danke schön-sie haben Recht.
        Meine Aussage war zu allgemein.
        Genealogisch stammen-die Mengis aus dem süddeutschen Raum.Kamen dann u.a.nach Basel/ Flecken Schwyz-später Luzern und Willisau.
        Ein Ast der Willisauer siedelte nach Rheinfelden/AG,von diesen stammt die legendäre Mengis Scharfrichterdynastie. Lieber Gruss !

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