Mein Corona-Tagebuch: Heute Valentin Gmür
Mein liebes Corona-Tagebuch, während Mitarbeitende im Gesundheitswesen und der Grundversorgung beweisen, dass sie systemrelevant sind, während mein Bruder (und mit ihm hunderte weitere Soldaten) innert Tagesfrist in die Armee beordert wurde und während nicht die Teppichetagen, sondern der Coronavirus die digitale Transformation von Unternehmen beschleunigt, sitze ich teetrinkend vor meinem Bildschirm und überlege mir, was […]
Mein liebes Corona-Tagebuch,
während Mitarbeitende im Gesundheitswesen und der Grundversorgung beweisen, dass sie systemrelevant sind, während mein Bruder (und mit ihm hunderte weitere Soldaten) innert Tagesfrist in die Armee beordert wurde und während nicht die Teppichetagen, sondern der Coronavirus die digitale Transformation von Unternehmen beschleunigt, sitze ich teetrinkend vor meinem Bildschirm und überlege mir, was ich dir denn heute erzählen soll.
Mitbewohner als unangenehmer Gegner
Mein Alltag hat sich in den letzten drei Wochen grundlegend verändert: Mein geliebtes Generalabonnement habe ich für einen Monat hinterlegt, mein Radius beschränkt sich nun auf die wenigen Meter zwischen Löwencenter und Rotsee, zwischen Schlafzimmer, Küche, Bad und Home Office.
Kein Emmi-Fussball am Dienstagmittag, keine Bartouren am Donnerstagabend, keine FCL-Spiele am Sonntagnachmittag. Stattdessen Kochen und Essen, Essen und Kochen, dazwischen Joggen (für einen Ballsportfanatiker eine Tortur! – aber für einen passionierten Esser eine Pflicht), Netflix (lassen Sie uns das bitte, Frau Sommaruga!) und Playstation (mein Mitbewohner erweist sich im «FIFA» als äusserst unangenehmer Gegner).
Die Bildschirmzeit, die mir mein iPhone täglich vorwurfsvoll vor Augen führt, ist geradezu besorgniserregend – aber zwischenmenschliche Kontakte können momentan leider nur noch in den sozialen Medien oder der App «Houseparty» gepflegt werden.
Valentin Gmür arbeitet beim Luzerner Milchverarbeiter Emmi im Bereich «New Business & Innovation». Ausserdem co-präsidiert der 26-jährige Stadtluzerner das 80-köpfige Organisationskomitee des Kantonslagers 2020 von Jungwacht Blauring Luzern (Kala 2020) im Ehrenamt.
Jubla-Lager vorbereiten – Durchführung ungewiss
Neben der eben beschriebenen Freizeit und den Stunden im Home Office plagt mich jedoch eine unangenehme Ungewissheit. Bald schon – Anfang Juli – steht das Kantonslager 2020 von Jungwacht Blauring Luzern vor der Tür. Ein Zeltlager für 4000 Kinder und Jugendliche, seit Herbst 2016 in ehrenamtlichem Engagement organisiert – von 80 Freiwilligen, ja fast Idealisten.
Und nun, mitten im intensivsten Teil der Planungsphase, weiss ich nicht, ob wir das Lager überhaupt durchführen können. Die Arbeit müssen wir aber trotzdem plangemäss fortsetzen, sonst könnten wir diese ja dann nicht pünktlich abschliessen. Für mein Motivationsmanagement eine nicht zu unterschätzende Herausforderung – aber es bleibt mir nichts anderes übrig als zu hoffen, zu bangen und weiterzumachen.
Jammern auf hohem Niveau
Bei all meinen Erst-Welt-Klageliedern darf ich aber nicht vergessen, dass Einschränkungen in der Freizeit oder ungewisse Planungssituationen für ehrenamtliche Projekte in der jetzigen Situation frühestens an dritter Stelle kommen.
Die Gesundheit von uns allen und unseren Nächsten sowie langfristige berufliche und somit auch finanzielle Stabilität von Einzelnen, Familien und Unternehmen stehen jetzt im Zentrum.
Für mich heisst es deshalb also weiterhin: Home Office statt Headquarter, Joggen statt Jonglieren, Einkaufen statt Einkehren. Und wohl noch einige Polaroid-Bilder für das Quarantäne-Tagebuch.
Der gestrige Tagebuch-Eintrag: Michelle Kalt