Werde ich alt und spiessig?
Schon des Öftern waren im Campus-Blog Erfahrungsberichte über studentisches Wohnen zu lesen: von Studentenpartys in WGs, der Einsamkeit in der eigenen Wohnung und potenziellen Badezimmerkonflikten. Schöne Texte sind das, welche die studentischen Wohnformen gut veranschaulichen – nur bei mir ist natürlich alles anders.
Vor einiger Zeit habe ich beschlossen, dass die WG als Wohnform nichts mehr für mich ist und ich keine Lust mehr auf zugestellte Küchen, regelmässige Cup-Cake-Partys oder Putzpläne habe. Ohne Frage, es war eine tolle Zeit, als ich noch mit Zigarette und Dosenbier auf dem Bett Texte von Bourdieu, Hoffmann, und wie sie alle heissen, lesen konnte. Die Teller vom Abendessen schob ich einfach ein wenig ausser Reichweite von meinem Bett, anstatt sie abzuwaschen.
Geschlafen wurde auf einer alten Matratze in der hinteren Ecke des Zimmers, die Dusche befand sich in der Küche und anstelle einer Zentralheizung gab es einen kleinen Ofen im Nebenzimmer. Es war rustikal, aber schonte mein Portemonnaie, sodass ich sogar noch genügend Geld für anderes hatte – Sangria aus dem Tetrapak oder gar eine gute Flasche Whisky. Kurz: Es war perfekt für den Moment.
Die Entdeckung der eigenen Spiessigkeit
Doch irgendwann hatte ich genug von dieser improvisierten Lebensweise, von stetig wechselnder WG-Besetzung und Cup-Cake-Orgien – die Dinger sind wirklich schrecklich und auch nicht mehr als ein Muffin mit Schlagrahm. Und als die Abrissbirne das Ende der Wohngemeinschaft einläutete, suchte ich mir etwas anderes. Kein schäbiges 300-Franken-Zimmer in einem Haus, welches auf dem Papier schon künftigen Bauvorhaben weichen musste, sondern eine richtige Wohnung sollte es sein: drei Zimmer, Küche und ein Bad für mich und meine Liebste.
Seit einer ganzen Weile wohne ich nun schon in dieser kleinen Wohnung etwas ausserhalb von Luzern. Keine Spur von WG-Partys, keine Teller, die einfach zur Seite geschoben werden können, und keine Cup Cakes! Dafür ein grüner Balkon, Vorhänge und eine gut sortierte Küche mit Geschirr, das zusammenpasst. Anstatt zu improvisieren, wird nun geplant. Möbel werden bewusst ausgesucht, nicht gesammelt und die alte Matratze wich einem richtigen Bett. Es ist, wenn ich ehrlich bin, fast schon ein wenig spiessig.
«Werde ich alt?»
Seit einiger Zeit bin ich sogar stolzer Besitzer einer Stichsäge. Mittlere Preisklasse. Aber für meine Zwecke reicht es. Ich habe nämlich begonnen, so dies und das in der Wohnung zu verändern und nach meinen Vorstellungen zu gestalten. Die alten IKEA-Möbel werden nach und nach durch selbstgezimmerte Regale und Tee-Ecken ersetzt. Vielleicht ist es der Traum vom Eigenheim, einem kleinen Rückzugsort für die Zeit nach Seminaren und Vorlesungen, vielleicht aber sind es auch die ersten Alterserscheinungen. Auf jeden Fall aber ist es auch eine Form studentischen Wohnens. Meine eigene Form studentischen Wohnens.