Campus
Blog
Alter schützt vor doofen Fragen nicht

Was? In deinem Alter noch an die Uni?

Für das philosophische Universum ist man nie zu alt. (Bild: unsplash)

Da denkt man, dass man genau im richtigen Alter ist, um so etwas Komplexes wie ein Philosophiestudium angehen zu können. Und dann wird man ständig gefragt, ob man denn mit 39 nicht schon zu alt sei für die Uni. Anfänglich versuchte ich mich zu erklären, mittlerweile geht es mir aber nur noch auf den Keks.

Mal ganz abgesehen davon, dass ich sehr jung Mutter geworden bin – während meiner Zeit am Lehrerseminar – war es mir auch aus anderen Gründen nicht möglich, den üblichen Weg einzuschlagen und gleich nach dem Lehrerpatent an die Uni zu gehen. Und ganz ehrlich: ich wäre für die Philosophie als akademische Disziplin noch nicht reif gewesen.

Zwar habe ich mir schon als Kind den Kopf darüber zerbrochen, ob meine beste Freundin die Farben genau gleich wahrnimmt wie ich oder was vor dem Urknall – sofern dieser tatsächlich stattgefunden hat – denn eigentlich da war und was nicht; mir war allerdings nicht bewusst, dass ich gerade philosophierte.

Hellgrüne Ideen und goldrichtige Zeiten

Und nun bin ich an der Uni und fühle mich da goldrichtig – wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist. Immer wieder werde ich aber mit dieser Fragerei bezüglich meines Alters konfrontiert – echt jetzt Leute? Ich gehe ja auch nicht zu den jüngeren Studierenden, die direkt nach der Matura mit dem Studium begonnen haben, um ihnen ans Herz zu legen, doch erst etwas Lebenserfahrung in Form einer Arbeit zu sammeln, da sie ja noch komplett hellgrün hinter den Ohren seien.

Was übrigens auch nicht meiner Meinung entspricht. Meine Tochter ist gerade 18 Jahre alt geworden und wird genau diesen Weg einschlagen und ich stehe voll hinter ihr. Nur: warum soll das der einzig richtige Weg sein?

Warum das späte Studium kein «Problem» ist

Neulich fragte mich jemand, ob es sich denn finanziell überhaupt noch lohne in meinem Alter zu studieren und ob ich es denn gut fände, dem Staat nochmals auf der Tasche zu liegen, da ich ja kaum noch berufliche Aussichten hätte. Erstens – wenn man Philosophie studiert, dann neigt man schon mal ganz grundsätzlich nicht zu übersteigerten Karrierewünschen und gibt sich auch mit einem Holzfass als Behausung zufrieden, wenn es denn sein muss.

Zweitens – man höre und staune – habe ich bereits zwei Jobangebote von Zeitungen bekommen und angenommen. Bei der einen arbeite ich als freie Mitarbeiterin, bei der anderen als Kolumnistin. Warum ich diese Angebote bekommen habe? Weil ich Philosophie studiere und im Schreibteam der Uni dabei bin. Ha!

Der Philosoph Diogenes soll seinerzeit in solch einem Fass gewohnt haben. (Bild: unsplash)

Kategorienpolizei und Luftschlossarchitekten

Und wer weiss schon, was noch kommt? Wenn ich eines gelernt habe in meinem Leben, in dem lange Zeit die Inkonstanz die einzige Konstante war und mich die Kategorienpolizei vermutlich mit dem Attribut «Luftschlossarchitektin» versehen hätte, dann, dass man nie vor Überraschungen sicher ist. Zumindest ich nicht.

Und leider sind es auch nicht immer nur die besten Überraschungen, die mein Leben so auf Lager hat, dafür manchmal richtig gute. Wie zum Beispiel, mich auf die Homepage der Uni Luzern stossen zu lassen, von deren Existenz ich bis zu diesem Zeitpunkt noch gar nichts gewusst habe.

Ja, auch in meinem Alter

Ich möchte allen, die sich ebenfalls jenseits der 30 befinden und mit dem Gedanken spielen, ein Studium zu beginnen, Mut machen es auszuprobieren. Schon alleine das Dazulernen von Neuem tut unsäglich gut – meine grauen Zellen feiern seit Studienbeginn regelrechte Auferstehungspartys.

Und wie eben schon beschrieben, auch beruflich tut sich bereits nach so kurzer Zeit die eine oder andere Türe für mich auf, obwohl ich das mitnichten erwartet hätte – was will man denn noch mehr? Deshalb habe ich mich entschieden, falls ich wieder einmal auf die vermeintliche Inkompatibilität meines Alters mit meinem Studium angesprochen werde, einfach innerlich zu lächeln und frei nach Diogenes zu denken: «Geh mir ein wenig aus der Sonne.»

Themen
Campus
Blog
Kommilitonen, Nebenjob, Credits, Wohngemeinschaften, Prüfungszeit, Ausgang, Semesterferien, Essays – Begriffe, die den Alltag von Studierenden prägen. Im Campus-Blog schreiben Studierende aus unterschiedlichen Semestern über ihr Leben in Luzern, ihre Freizeit sowie die Hürden und Freuden an der Uni oder Hochschule.
Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


2 Kommentare
  • Profilfoto von Patrik Müller
    Patrik Müller, 30.11.2020, 17:20 Uhr

    Damals, als man noch Präsenzunterricht gehabt hat, habe ich es immer sehr geschätzt, auch mit Menschen ins Gespräch zu kommen, die nicht wie ich den «kanonischen» Weg Kanti zu Uni direkt gemacht haben.
    Ihr seid eine Bereicherung, vielen Dank!

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
    • Profilfoto von Denise Donatsch
      Denise Donatsch, 18.12.2020, 15:46 Uhr

      🙂

      👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
Apple Store IconGoogle Play Store Icon