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Warum man sich manchmal nach dem Klapphandy sehnt

Studieren als Mitglied der Generation (WH)Y

Die Generationen Z und Alpha haben eine Welt ohne Internet nie kennengelernt. (Bild: unsplash)

In ihrem Beitrag macht sich unsere Campus-Bloggerin Eliane Ruesch Gedanken darüber, was die Erfindung des Internets für ihre Generation und ihr Studium alles ausgelöst hat. Sie fragt sich, ob man sich nach einer Zeit sehnen kann, die man selber nie so richtig erlebt hat – und sehnt sich dann und wann nach ihrem Klapphandy zurück.

Das Internet macht mein Leben als Studentin gleichzeitig unfassbar einfacher und viel komplizierter. Studieren ohne Internet? Unvorstellbar! Aber Studieren ohne Internet? Wie toll wäre das denn! Anders formuliert: Meine Generation und ich – die Millennials – wir haben ein kompliziertes Verhältnis zum World Wide Web.

Wir haben als letzte Generation eine Kindheit durchlebt, die grösstenteils ohne das Internet auskam. Doch in unserer Jugend kam der grosse Aufbruch in das digitale Zeitalter. «Schuld daran» sind unsere Vorgänger. Sie vernetzten Computer miteinander, was zur Geburt des Internets führte. (Ich weiss zwar, dass das Internet und das WWW nicht dasselbe ist, aber fragt mich nicht nach den Details. Ich schreibe keinen Technik-Blog...)

Das Generationen ABC

Vielleicht sollte ich erwähnen: Ich gehöre mit meinem Jahrgang noch knapp in die Generation Y (aka Generation Why / Millennials), geboren zwischen 1981 und 1995. Nach mir kommen die Angehörigen der Generation Z (1996 – 2009) und heute (2010 – 2025) die Kids der Generation Alpha (ein mächtiger Name für jemanden, der durchaus noch in Windeln stecken könnte).

Doch es waren die Babyboomer (1956 – 1965) und Mitglieder der Generation X (1966 – 1980), die eine Welt schufen, in der sich die allgemeine Akzeptanz und alltägliche Nutzung mobiler Geräte etablierte. Sie veränderten die Mediennutzung, das Bildungswesen, das wissenschaftliche Forschen.

Liebes Internet, danke für deine Hilfe!

Wie anders das Studium wohl war, ohne den freien Zugang zu unlimitiertem Wissen aus dem World Wide Web? Wie hätte ich mich für eine Universität und einen Studiengang entschieden, hätte ich vorher nicht ausgiebig alle Webseiten anschauen können? Musste man sich mit seinen Mitstudierenden um Bücher streiten, da es nur eine Ausgabe davon in der Bibliothek gab? Wie hätte ich mich spontan mit ihnen zu einem Tee verabreden können, wenn nicht mit der Hilfe von WhatsApp?

Müsste ich die Handschrift meiner Freunde entziffern, würden wir nach der Vorlesung Notizen austauschen? Und hätte ich ständig einen abgenutzten Duden herumgetragen, um Fremdwörter in meinen Texten nachzuschlagen? Liebes Internet: Danke für den Luxus, das nicht tun zu müssen!

Während meiner Primar- und Oberstufenzeit nutzte ich nämlich noch regelmässig den Duden. Damals war ich noch stolze Besitzerin eines Klapphandys. Niemals wäre ich damit ins Internet gegangen, um ein Wort zu suchen. Die Rechnung wäre kolossal gewesen. Doch manchmal denke ich auch...

... Liebes Internet, warum tust du mir das an?

Denn das alles bringt nicht nur Vorteile. Klar habe ich schnell online ein Wort nachgeschlagen, doch dabei bemerke ich auch eine neue Nachricht im Gruppenchat. Oder ich bleibe – statt kurz fünf Minuten Pause zu machen – eine halbe Stunde auf Twitter hängen. 

Auch die Pausen zwischen dem Studieren haben sich verändert.

Innert zwei Minuten kann ich unterwegs meine E-Mails checken, aber vielleicht erhalte ich dabei auch die Absage zur Bewerbung auf meinen Traumjob und die Motivation, den Rest des Tages etwas Produktives zu machen, ist dahin. Ich kann nie wissen, was für persönliche oder globale Neuigkeiten jede Sekunde mit einem *Ding* vor meinen Augen auftauchen.

Der Spagat wird grösser

Millennials finden sich zwischen zwei Extremen wieder: Im Studium wird erwartet, dass wochenlanges, intensives Lesen und vertieftes Arbeiten-Schreiben, kein Problem darstellen. Unsere Vorgänger haben das ja auch geschafft. Studiert, einen Beruf erlernt und so weiter.

Aber unsere Vorgänger studierten auch nicht in einer Zeit, in der sich das komplette soziale Leben online organisierte und man ohne Anschluss aussen vor stehen würde. Sie studierten nicht in einer Zeit, in der man unendlichen Zugriff hatte auf ein Meer voller fesselnder Unterhaltung – seien dies Bücher, Filme, Serien oder fünf Sekunden kurze Videos.

Nicht nur das Studium, das ganze Leben hat sich mit dem Internet grundsätzlich verändert. Und wir erhielten nur einen kleinen, kurzen Eindruck des «Vorher» und finden uns inzwischen mitten im «Nachher» wieder.

Deshalb werde ich manchmal nostalgisch, wenn ich an mein Klapphandy denke. Und ich frage mich, wie ich so stark eine Welt vermissen kann, an die ich mich nur noch schwach erinnere. Ich kann mir nur vorstellen, wie es wohl war: Eine Welt (und ein Studium) ohne das Internet.

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Kommilitonen, Nebenjob, Credits, Wohngemeinschaften, Prüfungszeit, Ausgang, Semesterferien, Essays – Begriffe, die den Alltag von Studierenden prägen. Im Campus-Blog schreiben Studierende aus unterschiedlichen Semestern über ihr Leben in Luzern, ihre Freizeit sowie die Hürden und Freuden an der Uni oder Hochschule.
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2 Kommentare
  • Profilfoto von Andreas Peter
    Andreas Peter, 23.11.2020, 17:22 Uhr

    Das Problem sind die sog. «sozialen Medien». Da wird zu viel Energie hineingesteckt und die haben offenbar Suchtpotenzial.
    Als ich noch zur Uni ging war es faszinierend, wenn ich via Email einem amerikanischen Professor eine Frage stellen konnte und am anderen Tag seine Antwort am Unirechner lesen konnte.
    Das habe ich als echten Fortschritt wahrgenommen.
    Privat hatte man damals noch kein Internet. Vielleicht BBS (Mailbox) über Telefon.
    Aber das konnte im Auslandsverkehr teuer werden. 😉

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  • Profilfoto von Remo Genzoli
    Remo Genzoli, 23.11.2020, 14:23 Uhr

    studieren ging auch «damals» ohne intermet und computer bestens: rechenschieber, voelmy logarithmentafel, duden, div. wörterbücher und andere nachschlagwerke, wochenlanger aufenthalt in den archiven von bibliotheken zwecks quellenstudium, telefon mit wählscheibe, kopierer etc.

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