Sorry, das ist eigentlich mein Platz!
:focal(50x50:51x51)/www.zentralplus.ch/wp-content/uploads/2019/12/Bibliothek-am-Boden.jpg)
Konzentriertes Arbeiten in lernorientierter Umgebung? Schön wär’s! Die Prüfungszeit ist wieder da und in der Bibliothek der Uni Luzern sitzen die Studierenden dicht gedrängt – trotzdem reicht der Platz nicht aus. Der Kampf um Sitzplätze in Zeiten der überfüllten Bibliothek beginnt.
Frühmorgens aufgestanden, ein kurzer Kaffee auf dem Balkon, das Frühstück wird auf später verschoben. Mit dem Fahrrad auf schnellstem Weg zur Uni, dazwischen ungeduldige Stopps an den endloslang roten Ampeln. Sobald das Fahrrad geparkt ist, schnellstmöglich in den ersten Stock. Ein freundliches Nicken links und rechts, nur keine Zeit vergeuden mit morgendlichen Plauderpausen. Trotz all dem Stress wieder einmal zu spät. Jeder einzelne Platz in der Bibliothek ist bereits besetzt.
Der tägliche Frust
Als tägliche Bibliotheksbesucherin bin ich erstmal frustriert und meine sowieso schon wackelnde Motivation hat sich gerade in Luft aufgelöst. Passiver Ärger breitet sich in mir aus. Der junge Mann, der schon seit einem halben Jahr jeden Morgen am gleichen Platz sitzt und wohl seine Masterarbeit schreibt, kann von mir aus gerne da bleiben. Genauso wie der ältere Herr hinten am Fenster, der bereits zur Grundausstattung der Bibliothek zu gehören scheint. Aber was sollen all die anderen hier? All die Fremdstudierenden, die plötzlich unsere Bibliothek belagern? Das da drüben ist eigentlich mein Platz!
Nach zahlreichen Beschwerden hat sich die Uni dem Frust ihrer Studierenden angenommen. Der hintere Teil der Bibliothek ist nun ausschliesslich für Studierende der Uni Luzern bestimmt. Leider reicht der Platz trotzdem noch lange nicht aus. Ausserdem hat uns die Geschichte schon mehrfach gelehrt, dass der Ausschluss von Fremden keine vertretbare und langfristige Lösung sein kann.
Nach einer weiteren zwangsläufig eingelegten Kaffeepause sehe ich selbst ein, dass man eigentlich keiner Medizinstudentin übelnehmen kann, wenn sie während der Lernphase nicht unbedingt mehr als zwei Stunden täglich mit Zugfahren verbringen möchte. Es muss also eine andere Lösung her.
Unbefriedigende Notlösungen
Um nicht noch mehr Zeit zu vergeuden, quartiere ich mich vorübergehend auf den Sofas der Bibliothek ein. Momentan ist der Akku noch voll und mein Rücken beklagt sich erst leise über die ergonomisch ziemlich ungünstige Haltung, in der ich mich über meinen Laptop beuge, während dieser auf meinen Knien hin und her wackelt. Mit Arbeiten wird’s trotzdem nichts, da ich damit beschäftigt bin, die Fensterplätze mit Argusaugen zu überwachen. Schliesslich möchte ich die Erste sein, die sich den möglicherweise frei werdenden Platz schnappt.
Nach einem Gang zum Klo entdecke ich eine kleine Lücke zwischen zwei konzentrierten Studentinnen. Ich nutze den Moment, schnappe mir einen Stuhl aus dem Vorraum und quetsche mich dazwischen – meine neuen Sitznachbarinnen kommentieren die Aktion mit irritierten und entnervten Blicken. Sorry!
Alternativen müssen her
Heute habe ich nochmal Glück gehabt. Langfristig kostet die katastrophale Bibliothekssituation unnötig Nerven und ist nicht unbedingt das, was ich mir unter dem von der Uni beworbenen «lernförderlichen Umfeld» vorstelle.
Dabei wäre eine Lösung naheliegend. Gerade während der vorlesungsfreien Zeit stehen unzählige Vorlesungsräume leer. Würden diese den Studierenden als Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt, wäre genug Platz für alle da. Dabei wäre es besonders erfreulich, wenn nicht nur die Kellerkammern, sondern auch die Seminarräume mit Tageslicht geöffnet würden. Schliesslich sollen wir dort nicht nur effizient, sondern auch kreativ und offen denken und arbeiten.