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Warum ein Zürcher Student nach Luzern zieht

Nein, das Löwendenkmal ist kein trauernder Zürileu

Beim Besuch des Löwendenkmals muss unser Campus-Blogger an die stolzen Zürcher Wappentiere denken. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Als ich in Zürich meinen Freundinnen und Freunden erzählte, dass ich nach Luzern ziehen würde, reagierten alle in etwa gleich. Ich möchte nicht das Klischee der Zürcher Arroganz bespielen, doch muss ich eingestehen, dass wir alle – mich eingeschlossen – anfangs nicht verstanden, wieso ich in die Zentralschweiz umziehe. Nach gut einem Monat kann ich aber sagen: Es hat sich gelohnt.

Mein Hauptgrund für den Umzug von der inoffiziellen Hauptstadt runter in die Zentralschweiz – man ahnt es der Blogsparte nach – war meine Studienwahl: Die Uni Luzern bietet mir mit dem Studiengang «Kulturwissenschaften» die Chance, mich nicht nur mit meinem Hauptfach Soziologie auseinanderzusetzen, sondern ermöglicht mir, allen möglichen Veranstaltungen meiner Fakultät beizuwohnen.

Ausserdem fand ich den persönlichen Charakter dieser doch sehr kleinen Uni schon am Besuchstag sympathisch, gerade im Vergleich zur Uni Zürich. Doch die Studienwahl allein ist ja nicht ausschlaggebend für einen Wohnortwechsel, besonders weil die Uni nur zwei Minuten vom Bahnhof entfernt ist.

Teilhaben am Studileben

Nach einem lehrreichen, aber sozial eher abgeschotteten ersten Semester auf Zoom habe ich in den Sommerferien (auch den tieferen Fallzahlen geschuldet) erstmals Kommilitoninnen «in echt» getroffen – in Zürich. Wenn sich Studierende jedoch in Luzern trafen, so war das für mich immer mit sehr eingeschränkter Spontaneität, Kosten fürs Billett und einer doch eher frühen Heimfahrt mit dem letzten Zug um 23.35 Uhr verbunden. Also entschied ich eines Abends, meinen Job zu künden und meiner WG mitzuteilen, dass ich nach Luzern ziehen würde. Wegen des Soziallebens. Ich dachte mir: «Wenn ich schon studieren gehe, dann mit allem Drum und Dran.»

Und tatsächlich, schon in der zweiten Woche knüpfte ich beim «Kulturbier» im Neubad neue Kontakte mit Studierenden meiner Fakultät. Zu Fuss war ich dann in fünf Minuten bei einer Kollegin, die mir ihr Velorücklicht auslieh (man merkt ja erst, wenn’s dunkel ist, dass die Batterien leer sind), und weitere zehn Minuten später war ich zuhause. Gerade so, dass ich noch 7 Stunden schlafen konnte, bevor das nächste Tutorat an der Uni losging. Der Weg in die Uni kostet mich jetzt ja zum Glück nur zehn Minuten Velofahrt der Reuss entlang.

Schnell und sicher auf dem Velo

Während ich in Zürich noch ein begeisterter ÖV-Fahrer war und nur zum Spass auf dem Velo sass, hat mich das kleine Luzern zum «Velofüdli» gemacht. Egal, wohin ich will, mit dem Velo brauche ich höchstens 15 Minuten. Einmal waren’s 20, aber da ging ich von der Uni zum Dreilindenpark hoch, und bei so einer Aussicht darf das auch mal etwas länger dauern.

In Luzern habe ich als Velofahrer meistens meine eigenen Strassen und sogar Ampeln; wenn ich mir die Spur mit anderen Verkehrsteilnehmenden teile, habe ich einen sehr breiten Streifen, oft noch tiefrot gestrichen. Und es hat keine Trams, also auch keine Gleise, denen ich ausweichen müsste. So fühle ich mich sicher und sehe erst noch mehr von der Stadt.

Alltag als Dauertourist

Am zweiten Tag zum Beispiel landete ich versehentlich im Wochenmarkt, was in mir die Hoffnung steigen liess, endlich mal direkt ab Markt mein Gemüse zu holen. Dafür war ich in Zürich jeweils zu unorganisiert, aber wenn ich hier sowieso durchfahre auf dem Nachhauseweg von der Uni, wieso dann nicht gleich einkaufen? Und möchte ich doch zum Grossverteiler oder zum Unverpackt-Laden (es gibt sie zu meiner Freude auch in Luzern!): Es liegt irgendwie immer alles auf dem Weg.

Der Markt, die kurzen Strecken, ständig irgendeine Sehenswürdigkeit: Ein bisschen fühle ich mich hier wie ein Tourist. Nur unbefristet, sozusagen. Und ich geniesse es auch, nach der Uni mal einen kurzen Ausflug zu machen und neues über die Stadt zu lernen. Beim Löwendenkmal zum Beispiel informieren diverse Texte über die Geschichte des Monuments.

Und doch stelle ich mir beim Anblick des weinenden Löwen vor, es sei ein Zürileu, der um mich trauert. Dabei habe ich doch allen versprochen, nach der Uni wieder zurück in die Heimat zu ziehen. Aber wie bald nach der Uni, das ist noch ungewiss. Die Stadt Luzern hat zum Glück ja noch einen weiteren Vorteil: Jede Stunde fährt ein Zug in nur 41 Minuten nach Zürich.

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Kommilitonen, Nebenjob, Credits, Wohngemeinschaften, Prüfungszeit, Ausgang, Semesterferien, Essays – Begriffe, die den Alltag von Studierenden prägen. Im Campus-Blog schreiben Studierende aus unterschiedlichen Semestern über ihr Leben in Luzern, ihre Freizeit sowie die Hürden und Freuden an der Uni oder Hochschule.
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2 Kommentare
  • Profilfoto von Lizzo
    Lizzo, 03.11.2021, 12:34 Uhr

    So ein sympathischer, gelungener Text, da packt mich direkt der Gluscht, von Züri nach Luzern zu reisen. Löwenstarke Schreiber*innen gibts bekanntlich ja in beiden Kantonen. Was für eine Freude! Warme Grüsse all the way an die Luzerner Unimäuse.

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  • Profilfoto von Dom Rüegg
    Dom Rüegg, 03.11.2021, 12:31 Uhr

    Zwar weint das Löwendenkmal nicht, aber ich weil du weggezogen bist! Aber ich will bemerken, dass Luzern absolut gleich schön wie Zürich ist, daher kann ich dich gut verstehen. Grüessli us Züri!

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