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Gedanken eines Luzerner Studenten rund ums Homeoffice

Homeoffice or no Office?

Was ist eigentlich Homeoffice? (Bild: Unsplash) (Bild: zvg)

Letzte Woche fand ich mich erneut gezwungen, Homeoffice einzurichten. Die Universität Luzern musste nämlich aufgrund der Corona-Pandemie den Präsenzunterricht wieder gänzlich einstellen. Alle Vorlesungen und Seminare werden jetzt ausschliesslich über die Videokamera gehalten.

Hinter mir sind meine besten Bücher zu sehen. Homer, Goethe, Schiller, Tolstoi, Hesse, Kafka sowie die neueste Edition des Dudens zieren mein Bücherregal und zeugen von meiner Belesenheit. Zumindest hoffe ich das, denn ungefähr die Hälfte von ihnen befindet sich eigentlich auf meiner «Noch zu lesen»-Liste.

Die Transformation meines Schlafzimmers

Meinen unansehnlichen Stuhl, auf dem ich diverse Kleidungsstücke verstaue, die zu frisch für den Wäschekorb, aber zu getragen für den Kleiderschrank sind, habe ich diskret ausserhalb des Sichtfelds meiner Kamera versteckt.

Neben dem Laptop liegt ein Stapel Notizbücher, während mein Schulrucksack im Schrank auf seinen nächsten Einsatz wartet, wann auch immer das sein wird. Dies sind meine Anpassungen für die Umstellung auf den Online- und Video-Modus.

Corona-Jargon

Es war getan. Mein Homeoffice war eingerichtet. Ich hatte sowohl praktische als auch ästhetische Änderungen vorgenommen. Nachdem ich genug über mein Werk gestaunt hatte, musste ich jedoch innehalten und mich fragen, was Homeoffice überhaupt bedeuten sollte.

Seit dem Eintritt der Pandemie schwirren lauter neue Begriffe durch den Alltag. Sie werden in unserer spezifischen Situation gebraucht und verflüchtigen sich wieder, nach dem hoffentlich baldigen Fund einer Impfung. Teils handelt es sich um medizinische und virologische Fachbegriffe, wie Risikogruppe, SARS-CoV-2, Fallraten usw., teils aber auch um Modewörter, wie Social Distancing. Homeoffice gehört zu letzterer Gruppe von Wörtern, die seit dem Eintritt der Pandemie gebraucht werden.

Homeoffice or no Office?

Legen wir den Begriff unter die Lupe. Er setzt sich zusammen aus den englischen Wörtern für Heim und Büro. Ergibt Sinn, schliesslich handelt es sich beim Homeoffice um ein Büro daheim. Aber auch vor der Pandemie gab es Leute, die Büros zu Hause hatten.

Das Komische ist aber, dass diese Leute ihr Büro damals nie Homeoffice nannten, sondern eben Büro. Warum hätten sie es denn anders nennen sollen? Egal ob es nun daheim oder irgendwo extern ist: Ein Büro ist halt ein Zimmer mit einer Arbeitsfläche und den dazugehörenden Utensilien wie Schreibtisch, Computer, Drucker usw. Sie mussten nicht erst betonen, dass es daheim lag.

Handelt es sich bei dem, was ich bei mir zu Hause eingerichtet habe, wirklich um ein Büro? Es ist schliesslich nur eine Ecke meines Schlafzimmers, die ich als Büro nutze.

Ich wage jetzt einen Vergleich. Das Homeoffice ist ein Büro im selben Sinn, wie eine Gabel ein Kamm ist, wenn man sich mit ihr kämmt, oder wie die gekrümmten Handflächen ein Becher sind, wenn man aus ihnen trinkt. Es handelt sich schlicht um eine provisorische Nutzung einer Sache, ausgelöst durch das Fehlen einer anderen, die speziell für jene Nutzung gemacht worden ist.

Das macht die eine Sache längst nicht zur anderen. Es ist offensichtlich, dass eine Gabel kein Kamm ist und erst recht, dass gekrümmte Handflächen kein Becher sind, warum soll also mein Schlafzimmer ein Büro sein?

Es ist, was es ist

Vielleicht juckt mich dieser Begriff nur deswegen, weil ich durch mein Philosophiestudium bezüglich Begrifflichkeiten feinfühlig geworden bin. Sich über Begriffe streiten ist schliesslich das, was Philosophen schon mehr als 2000 Jahre lang machen.

So zumindest verstand es der Philosoph Ludwig Wittgenstein. Später in seinem Leben vertrat er aber auch die These, dass die Bedeutung eines Wortes seinem Gebrauch entspreche. Ich sehe also auch, wie es nützlich sein kann, mein Zimmer als Büro zu bezeichnen.

«Nomen est omen» – der Name ist Programm: Das Schlafzimmer ist der Ort, wo man sich ausruht; das Büro ist der Ort, wo man arbeitet. Wenn man also seinen Schlummerort als Arbeitsort bezeichnet, ist man vielleicht eher geneigt, nicht während des Unterrichts einzuschlafen. Über das Einschlafen mache ich mir dennoch keine Sorgen, obwohl ich mein Zimmer als das bezeichne, was es ist: ein Schlafzimmer.

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Kommilitonen, Nebenjob, Credits, Wohngemeinschaften, Prüfungszeit, Ausgang, Semesterferien, Essays – Begriffe, die den Alltag von Studierenden prägen. Im Campus-Blog schreiben Studierende aus unterschiedlichen Semestern über ihr Leben in Luzern, ihre Freizeit sowie die Hürden und Freuden an der Uni oder Hochschule.
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