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Entschuldigung, ich bin Touristin

Touristische Sehenswürdigkeiten grundsätzlich meiden oder nur von der Ferne bestaunen. (Bild: Anja Glover)

Die grösste Bestrebung eines Schweizer Touristen besteht wohl darin, nicht als solcher erkannt zu werden. Paris und Luzern dürften nicht allzu viel gemeinsam haben, aber dennoch erlaube ich mir, die Touristen als gemeinsamen Nenner zu erwähnen.

Die grösste Bestrebung eines Schweizer Touristen besteht wohl darin, nicht als solcher erkannt zu werden. Wahrscheinlich, weil wir in der heutigen globalen Welt alle mehr oder weniger vom Massentourismus traumatisiert sind. Und weil wir doch Land und Leute so repräsentativ wie möglich kennenlernen möchten. Als Luzerner dürfte das Bedürfnis noch drastischer ausfallen: Wir wollen nicht nur kein Tourist sein, wir wollen auch möglichst keinen antreffen. Als Austauschstudentin glaubte ich immer, mich dieser Gattung entziehen zu können. Aber dieses Gefühl von Abneigung überkam mich in den letzten paar Tagen nicht nur bei meinen Spaziergängen durch die bekannten Strassen von Paris, sondern vor allem auch bei der Erasmus-Welcome Party. Es wird gebrüllt, gesoffen und geschrien, aber bestimmt nicht auf Französisch. Ab und zu trifft man in einer ruhigen Ecke ein paar hilfesuchende Gesichter, mit denen man sich in den nächsten Tagen auf die Suche nach Unentdecktem macht.

Paris und Luzern dürften nicht allzu viel gemeinsam haben, aber dennoch erlaube ich mir, die Touristen als gemeinsamen Nenner zu erwähnen. In Massen strömen sie durch die Gassen von Paris so wie über den Schwanenplatz in Luzern und fuchteln mit Selfie-Sticks und Stadtkarten umher. Immer darauf bedacht, möglichst viele Fotos geknipst, gut gegessen und viele «must-sees» gesehen zu haben. Voilà fünf Gründe, weshalb man als Luzerner in Paris kein Tourist sein will.

1. Sehenswürdigkeiten

Wir kennen sie zu gut, den Löwen, die Kapellbrücke und die Jesuitenkirche. Wir haben sie ein paar Mal auf der Schulreise besucht und hin und wieder unseren ausländischen Freunden gezeigt, aber wirklich selber waren wir selten da. Und heute meiden wir sie, um nicht überrannt zu werden oder um zu verhindern, in asiatischen Fotobüchern verewigt zu sein. Warum also im Ausland alles bis ins Detail kennen? Paris hat den Eiffelturm, das Sacré-Coeur und die Notre Dame, um nur ein paar wenige zu nennen. Wer sie besuchen will, läuft ähnlich Gefahr mitgerissen zu werden. Randzeiten gibt es kaum und am besten lassen sich diese doch sehr schönen Monumente, die des Sehens würdig sind, aus der Ferne beobachten.

2. Die Franzosen, die in Paris leben

Wer Stadt und Leute kennenlernen will, entfernt sich am besten möglichst weit vom Touristengetümmel. Hier wird kein Franzose nervös, wenn man seine Sprachkünste etwa beim Baguette-Kauf versucht, im Gegenteil: Mir sind bisher fast ausschliesslich freundliche Franzosen begegnet, die geduldig und stets schmunzelnd versuchten meine Botschaft zu entschlüsseln. In den Touristen-Vierteln sieht das etwas anders aus. Hier wird schnell und genervt englisch gesprochen und wer im Restaurant die Toilette benutzen möchte, wird unfreundlich zurückgewiesen oder aufgefordert zu bezahlen.

3. Das französische Essen

Wer kennt das nicht: Die französische Küche hat eigentlich einen guten Ruf, aber nach jedem Besuch in Paris ist man vom Gegenteil überzeugt. Das Problem liegt oft daran, dass man sich in den Touristenvierteln aufgehalten hat. Das überteuerte Essen muss dort auf die Schnelle produziert werden und die Konkurrenz ist gross. Restaurants, Bars und Souvenirläden reihen sich dicht aneinander, wobei das Essen meist wenig mit französischer Küche zu tun hat. Auch hier gilt: Etwas weiter weg begeben und man geniesst deliziösen Gaumenschmaus. Und die Preise? Nehmen, je weiter weg vom Touristenviertel, rasant ab.

4. Der Hektik entfliehen

Paris macht einen überfüllten hektischen Eindruck. Im Zentrum entscheidet man sich oft nicht selbst, wohin man geht, sondern wird von der Masse getrieben, wie etwa über die Seebrücke in Luzern. Anders als Luzern, das ziemlich klein ist, geht es in Paris auch sehr schnell anders. Die Stadt der Liebe hat tatsächlich sehr romantische Plätzchen und Aussichtspunkte, wo man ungestört die Zweisamkeit geniessen kann.

5. Bootstour

Die Bootstouren auf der Seine gehören etwa so fest zum touristischen Tagesablauf in Paris, wie die Dampfschifffahrt auf dem Vierwaldstättersee. Auch hier geht es anders, nicht weit nördlich der Seine können auf dem Quai de Valmy Pedalo-Boote ausgeliehen werden, um dann individuell inmitten typischer französischer Viertel herumzutreten.

Es ist spät abends, die Sonne blinzelt noch zwischen den Strassen Paris hervor, ehe sie sich bald verabschieden wird. Ich bin froh, ein Café am Rande der Stadt gefunden zu haben, eines, in dem sich an diesem Sonntagabend ein paar Pariser treffen und in das sich keine Touristen verirren. Es wird Zeitung gelesen, diskutiert, gegessen oder tagträumerisch rumgesessen. Ich komme oft hierher, um zu schreiben und den französischen Gesprächen zu lauschen. Um 18 Uhr mache ich, was sie alle auch tun, ich stelle mich in die Schlange, um ein Baguette zu kaufen, als gehörte ich heimlich längst dazu. Kaum vor die Tür getreten, fragt mich eine Frau etwas nervös nach dem Weg. Noch während sie fragt, überkommt mich die bittere Erkenntnis, ich erahne ihren enttäuschten Blick, der gleich folgen wird und antworte: «Désolée Madame, je suis une touriste.»

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Kommilitonen, Nebenjob, Credits, Wohngemeinschaften, Prüfungszeit, Ausgang, Semesterferien, Essays – Begriffe, die den Alltag von Studierenden prägen. Im Campus-Blog schreiben Studierende aus unterschiedlichen Semestern über ihr Leben in Luzern, ihre Freizeit sowie die Hürden und Freuden an der Uni oder Hochschule.
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