Campus
Blog
Nächster Halt: Luzern

Eine kitschig-romantische Vorstellung vom Uni-Leben

Ein nicht ganz so perfekter Start ins Luzerner Uni-Leben. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Kurz vor Beginn meines Studiums hatte ich eine feste Vorstellung davon, was mich erwarten würde: eine tolle Uni mit einem Studiengang, der mich interessiert, viele Unipartys sowie Vorlesungen, von denen man die Hälfte verpasst, da man mit den Mitstudierenden zu viel getratscht und Kaffee getrunken hat. Doch es sollte anders kommen.

In einem Schnellschuss, ohne gross zu überlegen, habe ich mich für ein Studium an der Universität Luzern eingeschrieben, ohne überhaupt jemals in Luzern gewesen zu sein. Es begann das erste Semester, das so gar nicht meinen Klischeevorstellungen entsprach.

Greenhorn in Aktion

Als ich das Unigebäude zum ersten Mal betrat, dachte ich: «Mein Gott ist die Uni klein! Wie funktioniert hier die Raumaufteilung? Die Mensa ist ja noch kleiner als an der Kanti und warum steht jetzt hier PH, für Pädagogische Hochschule, geschrieben?» Ich war total überfordert.

Dinge wie den Stundenplan zusammenzustellen oder «Olat», die Online-Lernplattform zu finden, waren weniger das Problem, da ich eine Kollegin zwei Semester über mir habe, die mir dabei geholfen hat; an dieser Stelle ein dickes Dankeschön an sie!

Fragen über Fragen

Viel grössere Schwierigkeiten bereiteten mir alltägliche Dinge. Darf ich zum Beispiel an den Fenstersitzplätzen vor der Bibliothek essen? Kann ich meine Flasche auf den «Brünneli» stehen lassen, ohne dass sie mir jemand klaut, während ich pinkeln gehe? Muss man in den Vorlesungen einen Platz zwischen Kommilitonen und Kommilitoninnen, die man nicht kennt, frei lassen oder kann man sich einfach ganz frech dazu setzen, um Hallo zu sagen?

Das Greenhorn hat gelernt

Heute denke ich, dass diese Fragen ganz normal sind. Es leuchtet ein, dass man an einer neuen Schule nicht gleich alles richtig macht und dafür einige komische Blicke einfängt. Doch damals musste für mich alles schnell gehen – ich wollte mich schneller zu Hause fühlen als überhaupt möglich war.

Ich wollte schnell einen Lieblings-Lern-Ort oder ein «Lieblingskafi» finden, wollte eine eigene Gruppe von «Studybuddies» und mich in Luzern auskennen. Das alles im ersten Semester zu erreichen war illusorisch.

Eine wahrscheinlich einzigartige Unizeit

Ziemlich schnell war das erste Semester um und ich konnte mir sagen: Wenigstens bin ich nicht durchgefallen! Ich hatte mich an das kalte Wasser, in das ich geworfen worden war, gewöhnt und hatte das Schulische irgendwie gemeistert. Ich wollte anschliessend alles andere auf meiner «To-do-Liste» nachholen.

Und dann kam Corona! Ich weiss nicht, wie viel ihr noch darüber zu lesen ertragt, darum werde ich mich kurzhalten: Mein Zimmer wurde zum Büro, meine Kaffeedosis übermässig hoch und plötzlich war keine saubere Trainerhose mehr im Schrank zu finden.

Ich konnte mir aber auch drei Stunden Zugfahrt pro Tag ersparen, genoss den Ausblick aus dem Zimmer und hatte wieder Zeit für Sport. Trotzdem fiel das Nicht-Schulische dadurch auch wieder weg und alles, was mir gegen Ende des zweiten Semesters blieb, war, mir wieder zu sagen: Ich bin immerhin nicht durchgefallen.

Mein Klischee-Traum wird doch noch wahr

Ich springe nun also ins dritte Semester – in die Gegenwart: Wie wahrscheinlich alle Studierenden habe ich unglaublich viel zu tun. Aber ich kann sagen, dass es bis jetzt ein tolles Semester ist. Durch das Home-Studium schätze ich nun die «normalen, kleinen Dinge» wieder mehr.

Zum Beispiel, wenn meine Kollegin mit mir Zug fährt oder wenn ich spät nach Hause komme und meine Mutter das Essen warm gestellt hat. Ich kann in den Pausen wieder einen Kaffee holen, der nicht nach meinem Wasserhahn und der Kuh von nebenan schmeckt, und die Leidensgenossinnen und -genossen in der «Bib» wieder «face-to-face» beim Untergang beobachten.

Ein bisschen entspannter!

Durch Corona sind alle etwas gesprächiger geworden und dadurch ergibt sich für mich nun doch noch die ersehnte «Nicht-Uni-Unizeit». Man kann gemeinsam stundenlang diskutieren, anstatt zu lernen. Ich habe nicht mehr das Gefühl, gleich nach Unischluss auf den Zug rennen zu müssen, aus Angst, zu spät zu Hause zu sein und noch zu viel zu tun zu haben.

Ich nehme mir nun lieber Zeit und gehe noch etwas trinken mit dem Gedanken: Ach, den Rest kann ich auch morgen noch erledigen! Und etwas Gutes hat es: Man lernt so viele Cafés und «Restis» kennen, dass man sich gar nicht mehr festlegen möchte, welches das beste ist.

Eine dieser typischen Moralpredigten

Wie ihr also seht, hat dieser Text ein Happy End. Aufgrund von Corona ist natürlich die Frage, wie lange das noch anhalten wird, aber darum kümmere ich mich, wenn’s dann so weit ist.

Ich habe in den ersten drei Semestern gelernt, dass man sich Zeit lassen muss. Ich schätze es, was die Uni mir gibt, anstatt nur das zu sehen, was halt nicht möglich ist. Ich habe gesehen, dass man den Dingen ihren Lauf lassen muss und nicht alles immer in die Richtung lenken kann, die man haben will.

Nur die Ruhe, die Moralpredigt ist gleich zu Ende. Es folgt nur noch ein letzter Satz, den ich euch mit auf den Weg geben will: Manchmal, wenn etwas nicht so wird, wie man will, wird es vielleicht besser.

Themen
Campus
Blog
Kommilitonen, Nebenjob, Credits, Wohngemeinschaften, Prüfungszeit, Ausgang, Semesterferien, Essays – Begriffe, die den Alltag von Studierenden prägen. Im Campus-Blog schreiben Studierende aus unterschiedlichen Semestern über ihr Leben in Luzern, ihre Freizeit sowie die Hürden und Freuden an der Uni oder Hochschule.
Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


5 Kommentare
  • Profilfoto von E. R.
    E. R., 06.11.2020, 15:33 Uhr

    «Manchmal, wenn etwas nicht so wird, wie man will, wird es vielleicht besser.»
    Das finde ich einen sehr schönen Schlusssatz und tröstlich hinsichtlich vieler Dinge im Leben!
    Danke für das Teilen deiner Erfahrungen. 🙂

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von Rudolf
    Rudolf, 05.11.2020, 17:34 Uhr

    «Man lernt so viele Cafés und «Restis» kennen, dass man sich gar nicht mehr festlegen möchte, welches das beste ist.» – Es gibt auch viele Studierende, die nie in einem Restaurant Geld ausgeben können; für ihr Studium müssen sie nebenher erwerbsarbeiten.

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von ludin
    ludin, 02.11.2020, 13:12 Uhr

    Man lernt «Restis» kennen…. Hört doch auf mit dieser saublöden Babysprache ….

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
    • Profilfoto von Andrea Aebischer
      Andrea Aebischer, 02.11.2020, 15:19 Uhr

      Ach, Resti. Welch böses Wort. Meine Tochter spricht auch so. Der ganze Text enthält solche Begrifflichkeiten, was den Gebrauch wieder zum Stilmittel macht. Erstaunlich, worüber man sich alles aufregen kann.

      👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
    • Profilfoto von CScherrer
      CScherrer, 03.11.2020, 07:57 Uhr

      Tatsächlich handelt es sich bei «Resti» um kein böses Wort. Auf der anderen Seite darf man auch zu bedenken geben, dass diese «Verniedlichung» von bestimmten Wörtern doch in die Sparte Sauglattismus gehört. Da gebe ich ludin recht, wenn er von Babysprache schreibt. Ob dies nun saublöd ist, darf man selber beurteilen. Ich beobachte jedoch schon, dass viele Menschen diesen Babyjargon nicht während der Kommunikation mit Kinder und Babies verwenden. Da geht man in die «Migi» einkaufen oder man geht «Bädele» etc.
      Darüber regt sich niemand auf. Man möchte lediglich den Infantilismus aufzeigen. Selbstkritisch darf ich hinzufügen, dass ich dabei auch feststelle, dass mir das Anhören des Infantilismus bei DRS3 doch nur aufzeigt, dass ich älter geworden bin. Da kann ich mich nur zurücklehnen, nicht aber aufregen.

      👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
Apple Store IconGoogle Play Store Icon