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Als indischer Student an der Uni Luzern

«Dude, how boring was studying in India»

Hauptgebäude der Universität Luzern.  (Bild: rew)

Für viele indische Studenten ist eine Ausbildung im Ausland ein grosser Traum. Jedes Jahr fliegen mehr als 200’000 Inder in die Welt hinaus, um die Universitätsausbildung an einer ausländischen Bildungsstätte zu absolvieren. Und auch ich kam vor einiger Zeit vom indischen Bundesstaat Kerala nach Luzern.

Nach all meinen Bemühungen, bereits in Indien Deutsch zu lernen, und dank meiner Überzeugungskunst gegenüber der Dame auf der Schweizer Botschaft traf ich vor einer Weile in Luzern ein. Noch im letzten Augenblick bekam ich mein Visum und konnte so eines schönen Herbstes pünktlich zum Semesterbeginn nach Luzern reisen. Schon mein zweiter Tag in dem kleinen Städtchen am See war bereits mein erster Vorlesungstag an der Universität Luzern – ein Start mit einigen Überraschungen.

Bibelähnliche Skripte in Indien

Eine dieser Überraschungen war die Form der Kurse an der Universität. Ich sollte mich entscheiden zwischen Seminaren, Vorlesungen und Übungsveranstaltungen. Nicht nur musste ich meine Kurse nie zuvor selber wählen, auch die verschiedenen Kursformen waren mir gänzlich unbekannt. In Indien besuchte ich die Universität nach vorgegebenem Plan, setzte mich ins vorgegebene Zimmer und liess die Kurse an mir vorbeiziehen.

Es war immer das Gleiche. Die Studierenden hatten ein festgelegtes Klassenzimmer und die Professoren besuchten die Klasse im immer gleichen Rhythmus. Sie lasen aus ihren bibelgleichen Skripten, beantworteten einige Verständnisfragen und zogen weiter ins nächste Klassenzimmer. Nach meiner ersten Uni-Woche in Luzern schrieb ich einem indischen Kollegen: «Dude, how boring was studying in India.»

Verschiedenste Kursformen in Luzern

Doch was ist nun genau der Unterschied zwischen Seminaren und Vorlesungen? Was tut man in einer Lesegruppe und was versteckt sich hinter dem Wort Kolloquium? Während die Vorlesung noch mit meinen Vorstellungen und Erfahrungen aus Indien vereinbar war, zeigten sich die anderen Formen als gänzlich neue Erfahrungen. Plötzlich durfte ich mitdiskutieren, sogar meine Meinung äussern. Ich wurde dazu aufgefordert, nicht nur Verständnisfragen, sondern auch grundsätzliche Fragen zum Inhalt zu stellen.

«In Indien stellte ich nur bescheidene Fragen, ohne zu provozieren.»

Ich sass auch nicht mehr immer nur auf einer Bank und starrte auf den Dozierenden, sondern ich stand selber vor meinen Mitstudierenden und bemühte mich, mir unbekannte Themen verständlich zu präsentieren. Nein, in Indien war das anders. Dort stellte ich einzig im Plenum Fragen, bescheiden und ohne zu provozieren, oder gar den Dozierenden in die Ecke drängend.

Selbstvertrauen gewonnen

Einmal, als wir Studierenden in einem Seminar über einige Aspekte zu den Gedanken von Pierre Bourdieu diskutierten, machte ich einen kleinen kritischen Kommentar zu seiner Theorie. Die Antwort des Professors war atemberaubend. Er sagte: «Genau, du hast recht!» Ich musste kräftig schlucken, konnte aber nichts weiter sagen, so überrascht und ratlos war ich. Kann ich als Studierender auch recht haben? Ja! Dies war die erste Lektion, die ich an der Universität Luzern gelernt habe: Selbstvertrauen.

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Kommilitonen, Nebenjob, Credits, Wohngemeinschaften, Prüfungszeit, Ausgang, Semesterferien, Essays – Begriffe, die den Alltag von Studierenden prägen. Im Campus-Blog schreiben Studierende aus unterschiedlichen Semestern über ihr Leben in Luzern, ihre Freizeit sowie die Hürden und Freuden an der Uni oder Hochschule.
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