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Die Soziologin in mir

Jungs und Mädchen braten ihre eigene Wurst oder den Maiskolben über dem Feuer. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Warum mich mein Studium zum Kampf um eine Armlehne motiviert…

Neulich ist es mir zum ersten Mal passiert, dass jemand sagte: «Da spricht etz aber d’Soziologin us dir!?» Vorausgegangen war der Situation eine Diskussion darum, ob Grillieren nicht eine typisch männliche Beschäftigung sei. Ich hörte mir eine Weile die Pro- und Contra-Argumente meiner Freunde an und liess mich dann zu der Aussage hinreissen, dass alle ihre Punkte, aufgrund der uns gemeinsamen Weltanschauung, berechtigt seien. Aber, so fügte ich an, es sei doch viel wichtiger, sich einmal zu fragen, weshalb wir denn so denken. Weshalb es denn wichtig sei, männliche und weibliche Eigenschaften bzw. Beschäftigungen klar zu unterscheiden. Und auf eben diese Aussage meinerseits folgte die eingangs erwähnte Reaktion einer Freundin.

Die Uni hat was bewegt

Ich musste zugeben, dass das von mir im vergangenen Semester belegte Hauptseminar zum Thema Gender Studies Auslöser dieser Überlegung war. Es handelte sich hierbei um eine Frage, welche mich weit über den Rahmen des Seminars hinaus beschäftigte und ich empfand es als meine Pflicht die Menschen in meinem Umfeld dafür zu sensibilisieren. Meine Freunde, egal ob sie Medizin oder Jura studieren, ver- oder übermitteln mir ja auch jenes aus ihrem Studium, das sie für besonders relevant und wissenswert halten.

Nun lasse ich mir das Ganze bei einer kleinen Erfrischung am Dok 14 nochmals durch den Kopf gehen. Inwiefern haben mich meine acht vergangenen Semester beeinflusst? Bestimmt lebe, denke und diskutiere ich heute anders als noch 2011 direkt nach dem Erreichen meiner Matura. Ich bin schliesslich ein ganzes Stück selbständiger und in vielerlei Hinsicht auch erfahrener geworden. Aber inwieweit ist meine gegenwärtige Art der Wahrnehmung und des Denkens denn auch explizit soziologisch gefärbt?

Mein eigenes Fazit ziehen

Ich würde sagen, dass ich seit dem Beginn meines Studiums bewusster das Handeln und die Motive meiner Mitmenschen analysiere. Selbstdarstellung, Gruppendynamiken, Konflikteskalationen, dies sind nur einige jener Phänomene des sozialen Zusammenlebens, mit welchen ich mich viel intensiver beschäftige, als ich dies noch vor vier Jahren tat. Ich nehme gesellschaftliche Strukturen, Werte und Normen viel ausgeprägter wahr und versuche sie nicht einfach nur als gegeben zu betrachten. Es ist unglaublich faszinierend, was man über unsere Gesellschaft alles erfahren kann, wenn man sich, beispielsweise im Zug, einmal bewusst um die Armlehne zu «streiten» traut. Und auch die Art des Einreihens, vor dem Ein- oder Aussteigen, bei der Zugsankunft im Bahnhof bietet interessante Ergebnisse. Meiner Erfahrung nach präsentieren sich in diesen Fällen die Frauen deutlich als das stärkere Geschlecht. Aber probiert es doch selber einmal aus!

Ich habe mich versoziologisiert

Zweifellos ist auch mein Wortschatz etwas «versoziologisiert». Zum Unmut meiner Familie haben sich Fachbegriffe, wie Paradigmenwechsel, Indiz oder Mikro- bzw. Makrosystem, in meinen Sprachgebrauch eingeschlichen. Ich kann mir vorstellen, dass dies für Menschen, welche mich ein ganzes Leben lang kennen, manchmal etwas arrogant wirken dürfte. Doch in Diskussionen mit Freunden sind es eben genau jene Begriffe, welche meine Fachkompetenz unterstreichen und mir Respekt einbringen. Kurzum, ich glaube, ich darf durchaus sagen, dass meine Ausbildung Früchte trägt. Ich habe mich von der Schülerin zur angehenden Soziologin gemausert und bin so gesehen ziemlich stolz auf jene Bemerkung meiner Freundin.

 

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Kommilitonen, Nebenjob, Credits, Wohngemeinschaften, Prüfungszeit, Ausgang, Semesterferien, Essays – Begriffe, die den Alltag von Studierenden prägen. Im Campus-Blog schreiben Studierende aus unterschiedlichen Semestern über ihr Leben in Luzern, ihre Freizeit sowie die Hürden und Freuden an der Uni oder Hochschule.
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