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Ein Erklärungsversuch

Das Ende der Evolution

Mit den Seminararbeiten im Fluss der Evolution?

(Bild: Bruno Raffa)

Viel hört man die Tage über das Schreiben von Seminararbeiten. Anstrengend sei es und die Zeit viel zu knapp. Doch was ist das eigentlich, was uns Studierenden das Leben so schwer macht, dieses Schreiben von Seminararbeiten? Ein Erklärungsversuch auf dem Weg nach Hause.

Ich lief da kürzlich nach einem langen Tag an der Uni die Reuss entlang. Es regnete in Strömen und die Blüten der Kastanien leuchteten wie vom Sturm zerzaustes Federvieh. War wohl das erste Sommergewitter dieses Jahres.

Die Reuss führt momentan viel Wasser mit sich, dachte ich. Nicht so kaltes Gebirgswasser wie im Winter, sondern dieses sommerliche, tiefgrüne Wasser, durchsetzt mit winzigen Algen.

Photosynthese

Algen? Das waren diese Photosynthese betreibenden kleinen Ein- oder Mehrzeller aus dem Biologieunterricht an der Kanti. Und im Sommer gibt es eben mehr davon als im Winter, was mit der stärkeren Sonneneinstrahlung zu tun hat.

So weit, so gut. Da schliessen sich dann ganz viele Zellen zusammen und bilden ein komplexeres Lebewesen. Die längsten Algen können so mehr als fünfzig Meter erreichen und lassen ganze Unterwasserwälder entstehen. Zumindest meine ich das mal irgendwo gelesen zu haben.

Im Grunde ist unsere Universität nicht anders, kam es mir in den Sinn, während ich mir eine Pfeife stopfte. Da sind es auch verschiedene Organe oder Fakultäten, die sich zu etwas Grösserem, der Universität, zusammenschliessen.

Alles nur Replikation?

Die Pfeife wollte bei dem Regen nicht so wirklich brennen. Die Reuss zerrte an den Ästen einer Weide und ich pustete traurige Rauchwölkchen in den Abend. Schon in ihrer Architektur, so kreisten meine Gedanken weiter, sieht die Uni Luzern nicht viel anders aus, als eine Zellansammlung.

Praktisch jedes Zimmer verfügt über die gleiche Einrichtung. Die gleichen Computer, die gleichen Wandtafeln und überall der Hinweis, dass der Konsum von Nahrung hier nicht gestattet sei.

«Tun wir tatsächlich nichts anderes, als die Theorien und Weltanschauungen in Form von Seminararbeiten zu reproduzieren?»

Die Dozierenden wären dann quasi die DNA dieses Zellkörpers, die Träger der Erbinformation, und wir Studierende die Polymerase, jenes Enzym, welches für die getreue Kopie der DNA zuständig ist. Das Studium als geistige Replikation?

Tun wir tatsächlich nichts anderes, als die Theorien, Methoden und Weltanschauungen grösserer Zellkerne in Form von Seminararbeiten zu reproduzieren?

Das Gurgeln und Säuseln der tiefgrünen Wassermassen zerschellt an den Betonpfeilern der Autobahnbrücke, in meinem Mund der süss-bittere Geschmack der Pfeife.

In der Tat erwähnte einer meiner Dozenten, dass man sich während des Verfassens schriftlicher Arbeiten nicht zu weit aufs Meer wagen sollte, auch wenn die wirklich genialen Veröffentlichungen der Wissenschaft genau dieses täten. Für Studierende sei dies jedoch keine gute Strategie.

«Das wäre sonst womöglich noch das Ende der Evolution.»

Geistige Inzucht oder Evolution?

Geistige Inzucht als Überlebensstrategie eines gesellschaftlichen Organismus namens Universität? Der Regen rann mir von der Kapuze. So ein Studium kann schon frustrierend sein.

Ein letzter Blick in das grüne Wasser der Reuss, dann bog ich ab. Seminararbeiten müssen mehr sein, so mein letzter Gedanke, als die biologische Replikation einer wissenschaftlichen DNA. Das wäre sonst womöglich noch das Ende der Evolution. Stillstand sozusagen.

Ich zog kräftig an meiner Pfeife, darüber könnte man mal schreiben.

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Kommilitonen, Nebenjob, Credits, Wohngemeinschaften, Prüfungszeit, Ausgang, Semesterferien, Essays – Begriffe, die den Alltag von Studierenden prägen. Im Campus-Blog schreiben Studierende aus unterschiedlichen Semestern über ihr Leben in Luzern, ihre Freizeit sowie die Hürden und Freuden an der Uni oder Hochschule.
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