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Studentin fühlt sich wie Alice im Wunderland

Als Midlife-Crisis-Streberin an der Uni Luzern

Ein Studium verändert einen leise, aber kraftvoll. Auf einmal steht man da und merkt: Ich bin schon ganz tief drin, im Kaninchenbau. (Bild: ddo)

Als ich 39-jährig an der Uni Luzern mein Studium begann, hatte ich nicht erwartet, wie umfassend sich dieses Studium auf mich auswirken würde. Ohne es zu wissen, folgte ich wie Alice im Wunderland dem weissen Kaninchen in den Bau. Und wie Alice fand ich mich in einer neuen Realität wieder. Doch ist das überhaupt erstrebenswert?

Mein fünftes Semester hat angefangen und mehr und mehr fühle ich mich wie Alice im Wunderland. Denn je tiefer ich mich in die Geisteswissenschaften vergrabe, umso verrücktere Welten ploppen in meinem Kopf auf. Die Themengebiete sind mir zwar nicht völlig neu, die Gedanken, die ich mir nun mache, nicht gänzlich unbekannt.

Nur – früher habe ich sie als Hirngespinste abgetan und sie nicht weiter ernst genommen, geschweige denn verfolgt. Auch weil ich nicht wusste, wozu das gut sein sollte. Denn da war nichts in meinem Leben, wozu diese Überlegungen gepasst hätten.

Hirngespinste oder neue Denkwege?

Nun aber, nachdem ich Einblick in die Arbeiten und Gedanken verschiedener Geisteswissenschaftlerinnen erhalten habe, realisiere ich, dass diese vermeintlichen Hirngespinste durchaus Möglichkeiten repräsentieren, auch noch anders über die Welt nachzudenken.

Meine Lust am gedanklichen Herumspinnen scheint hier schon einmal am richtigen Ort zu sein. Meine Freude, mich intensiv in ein Thema zu vertiefen, ebenso. Vergleicht man das Ganze mit einem Hasenbau, dann bin ich mittlerweile wohl schon ziemlich weit vorgedrungen, bemerke aber: Hier geht’s noch viel tiefer.

Midlife-Crisis-Streberin

Damals, vor zwei Jahren, habe ich mir nicht viel dabei gedacht, als ich mich fürs Studium einschrieb. Ich hatte lediglich Lust darauf, auszuprobieren, wie das so ist an einer Uni. Und ob ich das kann, also studieren und so.

Es war mehr wie eine Midlife-Crisis-Challenge à la «Hallo, ich will mit 39 noch nicht zum alten Eisen gehören, sondern beweisen, dass mein Gehirn noch tipptopp in Schuss ist». Meine alte Strebernatur feierte innerlich ein Revival, während ich nach aussen krampfhaft versuchte, gelassen und reif zu wirken.

Testergebnis: Ravenclaw

Dass meine Tarnstrategie nicht ganz wasserdicht sein konnte, wurde mir klar, als ein Mitstudent wollte, dass ich den digitalen Harry-Potter-Schulhaustest ausfülle. Bei diesem geht es darum, mithilfe einiger Fragen herauszufinden, in welches der vier Hogwarts-Häuser man am besten passt. Ich wurde schliesslich Ravenclaw zugeteilt und mein Mitstudent meinte, das sei ja wohl klar gewesen – in Ravenclaw seien die Streber. Dass er selber ins gleiche Haus eingeordnet wurde, lassen wir jetzt mal beiseite.

Was ich damit sagen will: Meine ursprüngliche Triebfeder, mich zu immatrikulieren, war wohl nicht in erster Linie jene, meinen Horizont zu erweitern, sondern jene, meinem Ehrgeiz zu frönen. Glücklicherweise hat sich dies ganz von allein verändert.

Gehirn gut, alles gut?

Ausschlaggebend für eine neue Form der Motivation war die Möglichkeit, im Herbstsemester 2021 endlich vor Ort studieren zu können. Mir wurde in dieser Zeit bewusst, inspiriert von Diskussionen mit Mitstudierenden, dass es hier um mehr geht als bloss darum, sich selbst etwas zu beweisen. Und zudem hat mich der eine oder andere Misserfolg dazu gebracht, über Sinn und Zweck meines Studiums nachzudenken.

Ich stellte mir denn auch die Frage, was mir dieses Studium denn überhaupt bringen soll und ob ich das hier Gelernte je in irgendeiner Form beruflich werde nutzen können. Und die Bestätigung, dass mein Gehirn noch funktioniert, hatte ich mittlerweile erhalten. Was wollte ich also noch hier?

Langeweile – das war einmal

Ohne es anfänglich zu bemerken, habe ich mich mit meinem Studium auf ein gigantisches Abenteuer ins Wunderland, oder eben in den Kaninchenbau, begeben. Warum es sich definitiv lohnt, noch tiefer zu graben? Nie zuvor bin ich auf abgefahrenere Lerninhalte und spannendere Rätsel gestossen als hier an der Uni. Und genau darauf stehe ich total! Zurzeit denke ich zum Beispiel intensiv über den menschlichen Geist nach und darüber, was künstliche Intelligenz damit zu tun haben könnte. Ich meine nur: Wo sonst könnte ich das tun und mich auch noch mit anderen darüber austauschen?

Solche Themen lassen mein Herz höherschlagen und bringen mich dazu, Ressourcen in meinem Kopf anzuzapfen, die normalerweise auf Schlummermodus eingestellt sind. Und: Auch wenn ich 100 werden sollte – langweilig wird mir garantiert nie mehr, im Gegenteil. Ich wünschte, ich hätte diese Reise schon früher angetreten, denn es gibt noch so viel zu lernen und zu entdecken.

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Kommilitonen, Nebenjob, Credits, Wohngemeinschaften, Prüfungszeit, Ausgang, Semesterferien, Essays – Begriffe, die den Alltag von Studierenden prägen. Im Campus-Blog schreiben Studierende aus unterschiedlichen Semestern über ihr Leben in Luzern, ihre Freizeit sowie die Hürden und Freuden an der Uni oder Hochschule.
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