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Wolken vor der Tür

(Bild: cf)

Diese Woche schreibt unser Bar-Kolumnist über blauen Dunst und rauchende Köpfe.

Zieht man Lifestyle-Parallelen zwischen Musikern und Arbeitern, so sind die Gastro-Arbeiter ganz klar die Rockstars (CF bloss zu 20-40%) des Proletariats, während der schreibtischtätige Versicherungssachbearbeiter dabei eher mit einem spiessigen Chorsänger zu vergleichen wäre. Der Grund: Bar-Menschen arbeiten häufig nachts, trinken überdurchschnittlich viel, rauchen zu neunzig Prozent wie ein alternder Dieselmotor und tun im Allgemeinen jene Dinge, die einen frühzeitigen Tod wahrscheinlicher machen. Getreu dem Motto: «live fast, die young», kosten sie die hedonistischen Elemente unseres Daseins im grösst möglichen Masse aus. Der Puls des Lebens will gefühlt werden. Heute und nicht erst morgen. Zu jeder Zeit. Tag und Nacht. Lustig eigentlich, dass diese sogenannten Lebemänner (und natürlich auch Frauen) meist vorzeitig ins Gras beissen. Das dabei enstehende Begriffs-Paradox wird aber stets grosszügig ausgeblendet.

Bleiben wir beim Thema Rauchen. Seit dem Rauchverbot ist der Storchen in der Luzerner Altstadt einer der wenigen übrig gebliebenen Ziggi-Hotspots, weil es im Vergleich zu vielen umliegenden Betrieben noch immer einen Automaten gibt, wo man sich schnell und bequem der Nervosität entledigen kann. Und so hat denn im Storchen mittlerweile ein regelrechter Zigarettentourismus Einzug gehalten. Wie die Büffel in der Savanne zum Wasserloch, pilgern spätabends die gierigen Raucher in den Storchen (wo es übrigens keine Krokodile und auch keine Hausdrachen gibt), um sich eine Schachtel flüchtiges Wohlsein zu erkaufen.

Dabei ist die Szenerie immer die Gleiche. CF steht am Tresen und freut sich auf neue Kundschaft, wenn er durch die Tür jemanden mit hastigem Schritt anmarschieren sieht. Kommt der/die Unbekannte jedoch näher, wird mir schnell klar, woher der Wind weht. Leicht verkrampfte Gesichtszüge bis hin zu purer Verzweiflung herrschen bei den Nikotinsüchtigen vor, ehe ich den erlösenden Satz sage, dass man bei uns Zigaretten kaufen kann. Die darauf folgende Entspannung ist wunderbar mit anzusehen. Häufig sind sie nach Belohnung ihres Lustzentrums so froh, dass sie sich spontan zu einem Kurzaufenthalt an der Bar überreden lassen. Mich freut’s!

Doch weshalb rauchen die Menschen? Dazu gibt es viele Theorien. Langeweile, Sucht, Regression in die freudsche orale Phase, Coolness oder ganz einfach das verbindende Element der Rauchergemeinschaft. Letzteres ist seit dem Rauchverbot gerade in Bars augenscheinlich zu erkennen. Nebst dem gemütlichen Paffen mit seinen Raucherbuddys braucht man nun keine fadenscheinigen Gründe mehr, um mit der Frau seiner Träume (vorausgesetzt diese ist Raucherin) einige zweisame Minuten vor der Türe zu verbringen und dabei sanfte Wolken in den Nachthimmel zu blasen. Das „chonsch eis cho rauche“ ist mehr und mehr zum subtilen Anmachspruch mutiert und kann im erfolgreichen Falle zu einer letzten Zigarette bei ihr oder ihm führen. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann rauchen sie noch heute.        

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Über Bars und Restaurants wurde schon viel geschrieben. Doch stets aus der Perspektive des Gastes. Dieser Blog ist anders. Gänzlich aus der Optik des Barkeepers verfasst, eröffnet er den Lesenden einen bunten Einblick in das Leben zwischen Zapfsäule und Kaffeemaschine. Ein Leben in der Schnittmenge von flüssigem Glück und seelischen Abgründen.
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