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Vielfliegerei und Sex-Symbole

(Bild: cf)

Diese Woche schreibt unser Bar-Kolumnist über Flugzeuge und Liebesdinge.

Nein, obwohl Schreiber eine gewisse Neigung zur narzisstischen Selbstverklärung haben, hat dieser Titel für einmal nichts mit mir zu tun. So viel mal vorweg. Letzte Woche habe ich über das Rockstar-Leben von Gastro-Mitarbeitern geschrieben und dabei einen wesentlichen Punkt unbewusst ausgeblendet. Grund genug, diesem Thema eine ganze Kolumne zu widmen.

Die Charakter-Klischees und Vorurteile, welche dem Servicepersonal anhaften, gehören nicht zu den charmantesten. So hört man im Zusammenhang mit dem Leben an der Bar öfters das Wort Promiskuität. Für all jene, die das Wort zum ersten Mal hören: Nein, damit ist nicht Vielfliegerei gemeint. Obwohl, es gibt doch augenscheinliche Parallelen zwischen den zwei Begriffen. In beiden Fällen muss man – vorausgesetzt man hat einen Fensterplatz – über eine/einen Unbekannte/n steigen, um auf die Toilette zu gelangen. Auch Turbulenzen, die ein stetiges Auf und Ab zur Folge haben, sind keine Seltenheit. Und zu guter Letzt: Bei der Landung rüttelt die Kiste gehörig. Grösster Unterschied: Bei der Vielfliegerei gibt’s am Ende des Jahres Bonusmeilen, bei der Promiskuität höchstens Chlamydien oder andere ungebetene Untermieter.

Doch wie gesagt, das sind Klischees, die in einer grauen Vorzeit anzusiedeln sind. Ich kenne mittlerweile viele Leute, die sich hinter dem Tresen ihr Geld verdienen und dennoch in mehr oder weniger schlecht laufenden Beziehungen stecken. Immerhin! Klar ist die Versuchung grösser als bei anderen Jobs. Die Nächte sind lang, der Zapfhahn glüht, das Licht ist schummrig und mit jedem Tropfen Wasser, der am späten Abend die Reuss hinunter fliesst, steigt das Bedürfnis der Menschheit nach profunder Emotionalität und Nächstenliebe. Doch daran ist ja eigentlich nichts auszusetzen. Das ist purer Humanismus.

An der Bar gibt es zudem ein weiteres Phänomen zu sehen. Logischerweise sind die meisten Barmaids von Natur aus mit Schönheit gesegnet. «Sex sells» gilt ja auch in der Gastronomie. Doch steht ein halbwegs hübsches Fräulein hinter dem Tresen, hantiert mit Flaschen und Gläsern und dreht dabei grazile Pirouetten im Dunstkreis ihrer hechelnden Klientel, steigert sich ihr objektives Erscheinungsbild bis hin zum regelrechten Sex-Symbol (leider funktioniert dieses Prinzip bei Männern nicht im gleichen Masse. CF weckt höchstens den Mutterinstinkt bei älteren Damen. Wie oft muss ich hören: «Ich könnte deine Mutter sein.»). Und auch wenn es im ganzen Lokal an schönen Frauen nicht mangeln sollte, so will letzten Endes jeder Mann nur die Eine (und glaubt wirklich an seine Chance). Wie dann plötzlich aus einem griesgrämigen, ungehaltenen Flegel ein einfühlsamer Rosenkavalier wird, ist tragisch komisch mit anzusehen und schürt in mir Gefühle zwischen Mitleid, Ekel und Fremdschämen.  

Aber letztlich ist das ja alles nur menschlich und in einer Bar gelten nun mal andere Gesetze als im Büro. Wobei, wie war das jetzt mit der Sekretärin?

Nächste Woche gibt’s einen Abstecher ins Wunderland, wo die grünen Feen süsse Träume bereiten. Schönes Wochenende!

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Über Bars und Restaurants wurde schon viel geschrieben. Doch stets aus der Perspektive des Gastes. Dieser Blog ist anders. Gänzlich aus der Optik des Barkeepers verfasst, eröffnet er den Lesenden einen bunten Einblick in das Leben zwischen Zapfsäule und Kaffeemaschine. Ein Leben in der Schnittmenge von flüssigem Glück und seelischen Abgründen.
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