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Realitätsflucht in der Wodka-Sauna

Was ist dein Mittel gegen die Winterdepression? Der Barkeeper macht Vorschläge. Und Gin Tonic ist nichts für Mädchen.

Wieder einmal kann ich nicht schlafen. Und einmal mehr ist dafür ein klassischer Anfängerfehler verantwortlich. Wer schiebt sich denn auch noch um halb zehn Uhr abends einen «coq au vin» zwischen die Kiemen und vergnügt sich ausschweifend im Bordeaux und Umgebung!? Auf jeden Fall liege ich jetzt mit übersäuertem Magen, Herzflattern und Schuldgefühlen – mein Badehosetraumfigurvorsatz wird schon wieder arg strapaziert – im Bett und versuche die wirren Gedanken meiner chaotischen Existenz in eine kreative Spielwiese/Bleiwüste umzumünzen. Flucht nach vorne, so zu sagen. Und Gin-Tonic ist ein Herrengetränk, findet CF. Das ist im folgenden Zusammenhang zwar nicht von Belangen, wichtig erscheint mir diese Tatsache im Allgemeinen aber trotzdem.

Thema heute: Das Januarloch. Ein Schelm, wer hierbei schon wieder Frivolitäten wittert. Nichts da. Wer kennt sie nicht!? Die finanzielle Zwangslage zu Beginn des Jahres, wenn einem die Geschenke an die lieben Verwandten an den Rand des monetären Kollapses gebracht haben. Das ist jetzt einer dieser sonderbaren Momente, in dem ich eine rhetorische Frage wirklich beantworten muss. Denn CF kennt das Januarloch wirklich nicht. Erstens hab ich’s mit dem materiellen Schenken nicht so und zweitens herrscht in meinem Portemonnaie ein Dauerungleichgewicht zugunsten der Ausgaben, was sich wiederum auch auf ersteres auswirkt. So habe ich mich halt im Laufe der Zeit auf das Schenken von Liebe und Wärme konzentriert. Beides hat der Mensch ja überschüssig in seiner Seele – wenn ihm der Sinn danach steht. Und beides ist überaus erschwinglich. Nun gut, bei der Liebe ist das so eine Sache, aber zumindest die Wärme gibt’s für wenig Geld. Ein Halbeli Grappa und die minus 20 Grad fühlen sich an wie ein angenehmer Frühlingsmorgen.

So, nun ist es 6.46 Uhr. Zeit zu schlafen. Melde mich später…

Hier bin ich wieder. Ausgeschlafen, erholt und motiviert – war ich noch vor 10 Minuten. Hab mir schon die Jogging-Schuhe umgeschnallt, meine Thermowäsche aus dem Schrank geholt und mir eine mehr oder weniger anspruchsvolle Route zusammengestellt, um mir die Endorphine zu holen, die ich verdient habe. Doch ein Blick ins trübe Grau des sich über Luzern ergiessenden Griesgram-Himmels lässt meine Bestrebungen verflüchtigen wie das Parfum von gestern Abend. Und das Schlimmste daran: Das geht jetzt wohl noch drei Monate so. Mein mentales Januarloch erstreckt sich mittlerweile bis weit in den März hinein. Zeit für Realitätsflucht. Doch wie?

Ins Auto steigen und wegfahren? CF hat zwar wieder einen Führerschein (und die Bewährung hab ich auch schadlos überstanden), doch leider keinen fahrbaren Untersatz. Wegfliegen? Naja, hätte es da nicht jenen kleinen Zwischenfall am Flughafen von Barcelona gegeben, wäre ich schon längst mit Easyjet (!) über alle Berge. Sich verlieben? Geht nur, wenn’s warm ist. Drogen? Bitte, es ist noch nicht mal Mittag. Da schlafen die Dealer noch. Yoga? Wen verarsch ich hier!? Bleibt also nur noch die Sauna oder der Gang an die Bar. Absaufen oder abdampfen. Was darf’s denn sein? Na beides zur gleichen Zeit. Denn nach Eyeballing (Alkohol direkt in die Augen) und Schnapstampons (bedarf keiner Erklärung) kommt jetzt die Wodka-Sauna (der Fusel wird über die heissen Steine gegossen). Der stilvolle Muntermacher gegen jede Winterdepression. Ich bin dann mal weg. 

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Über Bars und Restaurants wurde schon viel geschrieben. Doch stets aus der Perspektive des Gastes. Dieser Blog ist anders. Gänzlich aus der Optik des Barkeepers verfasst, eröffnet er den Lesenden einen bunten Einblick in das Leben zwischen Zapfsäule und Kaffeemaschine. Ein Leben in der Schnittmenge von flüssigem Glück und seelischen Abgründen.
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