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#Geburtshashtag

Der Barkeeper über Herzrhythmusstörungen, Eierstöcke und den Zerfall der sprachlichen Sitten.

Eins mal vorweg. Jetzt, da ich diesen Text schreibe, ist es fünf Uhr früh an einem nassgrauen Septembermorgen. (Noch etwas vorweg: Gut möglich, dass diese Kolumne nichts mit dem Titel zu tun haben wird. Ist ja auch egal. Das Wortspiel gefällt mir.) Jeder Normalsterbliche wäre unendlich dankbar, könnte er um die Zeit in süssen Träumen (CF hat gerade geträumt, er wäre nie zur Schule gegangen. Nun, schaue ich mir das selbstunterschriebene Absenzenheft des Oberstufengymnasiums an, ist dem auch so.) schwelgen, ehe des Weckers Schlachtruf zur täglichen Persönlichkeitsverleumdung in Büro, Werkstatt oder Baustelle erklingt. Nicht so meine Wenigkeit. Hellwach haue ich voller Energie in die Tasten und könnte mich ohrfeigen, dass ich meinen kleinen Brand mit einem eiskalten Redbull (wie ich gerade auf einem anderen Schweizer Onlineportal lese, kann das zu Herzrhythmusstörungen bis hin zum Tode führen) gelöscht habe. Klassischer Anfängerfehler. Scheint so, als hätte ich auch bei der so genannten Lebensschule einige Lektionen verpasst, oder ich kann mich einfach nicht daran erinnern.

Apropos Leben und Erinnerungen. CF hat letzte Woche Geburtstag gefeiert (glaube ich zumindest). Dankeschön! Wie alt ich geworden bin? Das spielt hier überhaupt keine Rolle. (Dank meiner Farbenblindheit – ich wäre gerne Pilot geworden – kann ich nicht mal das Bild entziffern. Steht da wirklich mein Alter?) Mir bleibt noch ein gutes Jahr (und die Gewissheit, dass ich doch noch auf meinen Titel zurückkomme). Mein jährliches Älterwerden habe ich im Kreise meiner Familie in Italien gefeiert. Ein bisschen Abstand tut in solch schweren Zeiten gut. Das sehen jedoch nicht alle so…

Der Storchen ist ja nun schon seit fast 10 Jahren meine/unsere Stamm-Bar. Doch seit ich dort selbst Hand anlege, ist der Zulauf von Freunden, Kollegen, Halb- und falschen Freunden, Verwandten, Bekannten, Verflossenen und eventuell Zukünftigen noch ein wenig mehr gestiegen. Der Storchen ist ja bekanntlich klein und fein und versprüht etwas von traditionellem, familiärem (Wer bringt die Kinder?) Charme. (Ach ja: Herzliche Gratulation an alle, die gerade Vater oder Mutter geworden sind. Persönliche Grüsse kann ich leider nicht versenden. Das wäre unprofessionell.) Das ist Balsam für die Seele vieler Bar-Gänger, die sich der allgemeinen Lifestyle-Obsession, welche in der «Bar-Szene» vorherrscht, nicht beugen mögen. Und genau diese Geselligkeits-Attribute haben nun dazu geführt (ja gut, Charly mag auch seinen Einfluss gehabt haben), dass der Storchen für viele die erste Anlaufstelle geworden ist, um in Saus und Braus ein neues Jahr(zehnt) zu begehen.

CF mag Geburtstagsfeierlichkeiten. Dies aus verschiedenen Gründen: Erstens wird meist auf eine Rechnung getrunken. Das erleichtert die Arbeit sehr. Zweitens ist die Stimmung allgemein heiter bis ausgelassen (Geburtstagsfaschismus halt) und drittens ist es herrlich mit anzusehen, wie gerade bei Single-Frauen, die einen runden Geburri feiern und ob des bislang nicht eingetretenen Kinderwunschs der Verzweiflung nahe sind, bei Eintritt eines gut gebauten Adonis geradewegs die Eierstöcke zu schwellen beginnen.

Doch eine Bitte (und hiermit komme ich endgültig auf meinen Titel zurück): Ich weiss, dank Social Media gratulieren einem plötzlich Leute zum Geburtstag, von denen man gar nicht wusste, dass man sie kennt. Und es anerbietet sich wunderbar, diese herzlichen und alles Glück der Erde umfassenden Wünsche mit einem simplen Statuseintrag zu verdanken. Dagegen ist auch nichts einzuwenden. Doch verwendet hierbei bitte eine angemessene Sprache, denn #hashtags #sind #definitiv #scheisse!

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Über Bars und Restaurants wurde schon viel geschrieben. Doch stets aus der Perspektive des Gastes. Dieser Blog ist anders. Gänzlich aus der Optik des Barkeepers verfasst, eröffnet er den Lesenden einen bunten Einblick in das Leben zwischen Zapfsäule und Kaffeemaschine. Ein Leben in der Schnittmenge von flüssigem Glück und seelischen Abgründen.
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