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Widerspruch zur Ausstellung von Lukas Hoffmann

Urbane Kontraste in Zug

Die Treppen prägen als Raumstruktur die Ansichten.

(Bild: Gerold Kunz)

In Zug präsentiert gegenwärtig der Fotograf Lukas Hoffmann seine jüngsten Arbeiten. Der Kontrast zwischen seinen Architekturaufnahmen und der Umgebung des Kunsthauses, wo die Arbeiten gezeigt werden, könnte grösser nicht sein. Unser Blogger Gerold Kunz fragt sich, ob hier die Kunst atmosphärische Defizite im Ortsbild kompensiert.

Meine Erfahrung mit dem Novartis Campus in Basel, den ich vor Jahren besuchte, waren widersprüchlich. Strassenräume und Plätze erschienen mir wie aus einem Filmset – ich vermisste Abfalleimer, Lichtsignale, Werbung: das urbane Mobiliar eben. Erst hinter den Vorzeigebauten der renommierten Architekten, quasi hinter den Kulissen, wurden im Neonlicht Container sichtbar – eine Wohltat für das Auge.

Ähnlich ist es mir beim Besuch der Ausstellung von Lukas Hoffmann im Kunsthaus Zug gegangen. Draussen das schmucke Städtchen, drinnen Hoffmanns Bilderreigen urbaner Randgebiete. Hoffmann zeigt viel Alltägliches: Gewerbebauten, schmucklose Wohnhäuser, abgenutzte Strassenbeläge oder geflickte Wände; und damit alles, was in der herausgeputzten Zuger Altstadt fehlt.

Die Kunst kompensiert atmosphärische Defizite im Ortsbild.

Die Kunst kompensiert atmosphärische Defizite im Ortsbild.

(Bild: Gerold Kunz)

Doch als Kontrastprogramm ist die Ausstellung in Zug nicht angelegt. Die grosszügige Hängung setzt die Bilder eher in einen Dialog zum Museum, das, etwas in die Jahre gekommen, die reale Gegenwelt zu Hoffmans Bilderwelt darstellt. Der Fotograf widmet sich den urbanen Randgebieten, und in diesen den Rückseiten, Hinterhöfen, Gewerbegebieten und ihrem Zufallsgrün.

Die grosszügige Hängung arbeitet mit den Räumen.

Die grosszügige Hängung arbeitet mit den Räumen.

(Bild: Gerold Kunz)

Die mit poetischem Gespür ins Bild gesetzte Alltagsarchitektur dieser planerisch vernachlässigten Zonen wird im Museum nobilitiert. Sie entfaltet in Hoffmanns Fotografien einen Reichtum, den es zu entdecken lohnt. Hoffmanns präzise Bildausschnitte fügen das Unansehnliche in Kompositionen von hohem ästhetischen Wert.

Hoffmanns Zuwendung zum Hässlichen ist als Strategie in der Architektur nicht fremd. Venturi Scott Brown beispielsweise widmeten sich um 1970 Las Vegas. Als junge Architekten zählten Hans Kollhoff und Rem Koolhaas zu den Begründern des Dirty Realism – einer Bewegung, die in den 1980er-Jahren die globalen Urbanisierungsprozesse begrüsste und mitgestalten wollte.

Den Bildern wird viel Raum gegeben.

Den Bildern wird viel Raum gegeben.

(Bild: Gerold Kunz)

Berlin – europäischer Handlungsschwerpunkt der Bewegung, bleibt mit vielen, zum Teil nicht realisierten Projekten in Erinnerung. Auch die von Miroslav Sik gelehrte Analoge Architektur ist aus diesem geistigen Umfeld hervorgegangen. Heute ist sogar diese Architektur längst zum Mainstream geworden. Das Provokative in diesen Bauten ist kaum mehr zu erkennen. Haben sie deshalb auch an Sprengkraft und Bedeutung verloren?

Durchblicke setzen die Bilder in Beziehung.

Durchblicke setzen die Bilder in Beziehung.

(Bild: Gerold Kunz)

Mit Hoffmanns Arbeiten verhält es sich irgendwie ähnlich. Sie sind schön – das macht sie gewissermassen suspekt. Im Begleittext zur Ausstellung sieht Maren Lübbke-Tidow eine Nähe zu Kompositionen der klassischen Moderne, was meine Vertrautheit erklärt.

Die Hängung ist Fensterbändern nachempfunden.

Die Hängung ist Fensterbändern nachempfunden.

(Bild: Gerold Kunz)

Zudem wurden die Arbeiten mit einer beeindruckenden handwerklichen Präzision gefertigt. Die Wahl der Bildausschnitte, die feinen Graustufen und die Qualität der Belichtung ist beachtlich. Die vorwiegend schwarzweissen, an Kontrasten reichen Bilder zeigen den Gegenstand bis ins kleinste Detail. Hoffmanns Fotografien regen die Sinne an. Fast wünscht man sich, diese Orte zu besuchen. Aber es gibt sie nicht. Denn es sind Bilder, nicht Orte.

Ausstellung von Lukas Hoffmann: Bis 17. März, Kunsthaus Zug

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