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Stiller Protest

An der Zürichstrasse nutzt die Metzgerei Doggwiler die Passantenlage ihres Geschäfts, um zum Erhalt des Luzerner Inselis aufzurufen. Ist dieser stille Protest ein Vorbote eines stürmischen Herbsts in Luzern?

Urs Doggwiler, Inhaber der gleichnamigen Metzgerei an der belebten Zürichstrasse und Rüüdiger Lozärner von 2011, hat eine klare Botschaft an seine Schaufensterscheibe geschrieben. Er tritt für den Erhalt des Luzerner Inselis und gegen den allfälligen Standort einer künftigen Salle Modulable auf dem Inseli ein. Damit macht der prominente Metzger ein Unbehagen öffentlich, das viele bewegt. Der Metzger befürchtet bei Veränderungen auf dem Inseli das Aus für die Määs, was den Geschäftsmann betrifft, ist er doch alljährlich mit seinem Wurststand auf dem Inseli präsent. Seinen Befürchtungen sind nicht unberechtigt. Die am Inseli angedockte Seerose hatte im Frühling bereits illustriert, was ein Eingriff an Veränderungen bewirken kann. 

Es wäre nun zu einfach, Geschäftsinteresse und Eigennutz als Motiv für Doggwilers stillen Protest zu vermuten. Von einem Unternehmer können wir in Luzern selten genug eine klare Haltung zu einem politischen Thema erwarten. Sein stiller Protest ist eher als Vorbote eines stürmischen Herbsts in Luzern zu werten. Denn bis Ende Jahr wird der Standortentscheid gefällt sein und der Bevölkerung bekannt gemacht worden sein. Wie sich die Bevölkerung in die Entscheidungsfindung einbringen kann, wird sich später zeigen. 

Luzern hat unterschiedliche Erfahrungen mit dem Einbezug der Bevölkerung bei grossen Bauvorhaben gemacht. Die Bevölkerung hatte sich an der Urne gegen ein Hallenbad im Freibad Tribschen und mit Leserbriefen gegen den Unineubau am Kasernenplatz entschieden. Zustimmung hat die Stadtbehörde beim KKL Luzern und beim Stadionneubau auf der Allmend bekommen. Hier wurde auf die Karte «Ein Haus für alle» gesetzt und damit die Bevölkerung vom breiten Nutzen des investierten Geldes überzeugt. 

Mit der Salle Modulable verhält es sich viel komplexer. Erstens ist die Standortsuche für einen Grossbau innerhalb des engen Perimeters der Stadtgemeinde Luzern sehr schwierig und nur zu Lasten von bestehenden Bauten umzusetzen. Zweitens werden Veränderungen am Stadtbild von Luzern von der stimmberechtigten Bevölkerung nicht akzeptiert. Sie fürchten die Risiken und somit die negativen Folgen für den Tourismus, der auf ein intaktes Stadtbild setzt. Drittens bevorzugen Stadtgestalter eine Lage direkt am See, um der Salle Modulable die Aufgabe einer Stadtikone zu geben, was sich negativ auf die Erstellungskosten auswirken wird. Viertens ist der Betrieb eines modulabel formbaren Konzert- und Theaterhauses bisher nur als Idee und nicht als real existierendes Gebäude greifbar. Und fünftens muss die Salle Modulable die Defizite des KKLs Luzern kompensieren, das spätestens nach der Eröffnung der Hamburger Elbphilharmonie im Ranking der besten Konzertsäle der Welt um einen Platz nach hinten rückt. 

Diese Hürden setzen die Messlatte für das Projekt einer Salle Modulable besonders hoch. Mit dem wenig berechenbaren Faktor «lokale Bevölkerung» kommt ein Akteur hinzu, den es in die Überlegungen einzubeziehen gilt. Ich denke, dass wir in diesem Herbst nach Bekanntgabe des Standortentscheids, des Nutzungsprofils und des Finanzierungsmodells eine spannende Zeit in Luzern erleben werden. Die Ansprüche sind nicht nur an die am Projekt Beteiligten hoch, sondern auch an die Luzerner Bevölkerung. Ich hoffe deshalb sehr, dass Doggwilers Aufruf eine Aufforderung zum Dialog bedeutet und nicht als Schlachtruf verstanden werden muss.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Pirelli
    Pirelli, 01.09.2015, 15:53 Uhr

    «Denn bis Ende Jahr wird der Standortentscheid gefällt sein und der Bevölkerung bekannt gemacht worden sein.» — Keine Mitsprache also. So macht man das. Muss man wohl auch, denn die Bevölkerung mag sich durchaus noch erinnern, wie gross die Kostenüberschreitung beim KKL war (glatt die Hälfte mehr) und wie teuer die Sanierung des Millionengrabs nun ist. Ein weiterer grössenwahnsinniger Moloch würde kaum auf Zustimmung stossen – und schon gar nicht auf dem Inseli; denn wo sonst kann man sich in dieser Stadt noch aufhalten ohne Konsumationszwang? Soll der letzte freie zentrale Seezugang nun auch noch dem Bonzenirrsinn geopfert werden? Als Luzerner kommt man sich da durchaus verarscht vor – zumal wir mittlerweile das gefühlt dreihundertachtundzwanzigste Sparpaket durchstehen müssen, während die bürgerlich-rechte Mehrheit an der Halbierung der Unternehmenssteuer festhält. (Und laut jammert, weil nun nicht mehr so viel Geld aus dem Finanzausgleich fliesst. Man bedenke: Luzern bezog über Jahre mehr Geld pro Kopf aus dem NFA als der viel geschmähte Kanton Bern.)
    Doch, Herr Kunz, «Nicht auf dem Inseli!» ist ein Schlachtruf. Auf Dialog ist die Stadt nie eingetreten – ich nahm selber an etlichen solchen Runden teil. Wie in Ihren Artikeln zum Thema war seitens der Verantwortlichen immer nur die uneingeschränkte Geilheit auf ein neues Architekturmonster zu spüren – das zusammen mit Sinfonieorchester, KKL und Luzerner Theater weit über 90 Prozent der öffentlichen und privaten Kultursubventionen vereinnahmen wird.
    Kein Wunder also, verweigert die Stadt den Dialog – das Ding ist schlicht nicht mehrheitsfähig, auch wenn das grossmannssüchtige Kulturmanager, Politikerinnen und Hofschreiber nicht wahrhaben wollen.

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