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Freizeitanlage gilt nicht mehr als schützenswert

Fachleute sorgen sich um berühmtes Baarer Schwimmbad

Die Identifikation der Bevölkerung mit dem Bad ist gross. Generationen lernten hier schwimmen. (Bild: Andreas Busslinger)

Das Schwimmbad Lättich gilt als architektonisches Vorzeigebeispiel für Freizeitanlagen der 1970er-Jahre. Bald steht eine Sanierung an. In Sorge um allzu starke Veränderungen am legendären Bauwerk wurden Fachverbände schon mal präventiv bei der Gemeinde vorstellig.

Die Klage von überfüllten Schwimmbädern, in denen sich Hobbysportler, Schulkinder und fitnessbewusste Senioren in die Quere kommen, hält viele davon ab, überhaupt eine Schwimmhalle aufzusuchen. Wer aber frühmorgens um 6.30 Uhr parat ist, geniesst viel Platz und freie Bahn.

Auch das Schwimmbad Lättich präsentiert sich an diesem Dezembermorgen von seiner charmantesten Seite. Draussen ist es noch dunkel und das Licht im Gebäudeinnern lässt die von Wald und Wiese umspielte Halle wie ein Aquarium leuchten. Vereinzelt befinden sich ein paar Menschen im Wasser: bei Aquafit, Crawl und Brustschwumm.

Schwimmbad Lättich Baar
Das Dach wurde als Faltwerk aus Betonelementen konzipiert - ideal für eine möglichst stützenfreie Schwimmhalle. (Bild: Sabine Windlin)

Realisiert wurde das Bad 1972 vom Büro Naef + Studer + Studer und vom Landschaftsarchitekten Fred Eicher. Ein Besuch vor Ort macht sofort deutlich, warum dieses Bad in Fachkreisen so viel Beachtung findet und über welche Qualitäten es verfügt:

Der gewählte Standort

Das Grundstück an einem leicht ansteigenden Westhang, das die Korporation Baar Dorf seinerzeit im Baurecht abgab, ist auch 52 Jahre nach dem Bau noch ideal gelegen.

Schwimmbad Lättich Baar
So präsentierte sich der Lättich unmittelbar nach der Fertigstellung 1972. Das Bad kostete die Gemeinde rund 9 Millionen Franken. (Bild: Archiv ETH Bibliothek)

Das Konzept

Die Kombination von Hallen- und Freibad besticht und bewährt sich bis heute, war in der damaligen Zeit schweizweit aber pionierhaft.

Die Formgebung und Materialisierung

Das trapezförmig konzipierte und vorfabrizierte Flachdach, die hohen Glasfronten, die teilweise gerundeten Bauteile, die schlanken Betonpfeiler und die eigenwilligen Pilzstützen verleihen dem Ensemble ein charakterstarkes Gepräge.

Der Aussenraum

Terrassierungen, Aufenthaltsbereiche und Bepflanzung sind perfekt auf die reizvolle Landschaft der Umgebung abgestimmt. Es lohnt sich, die Anlage auf der leicht erhöhten Sihlbruggstrasse zu umfahren und etwas aus Distanz zu überblicken. Dann realisiert man, wie sich Gebäudeteile und Aussenraum zu einem harmonischen Ensemble fügen.

Schwimmbad Lättich Baar
Im Jahr 1995 wurde die Anlage um ein Sportbecken erweitert, das links aussen ersichtlich ist. (Bild: Andreas Busslinger)

Inventarentlassung fachlich nicht nachvollziehbar

Aus all diesen Gründen hat der Kanton das Objekt im Jahr 2015 ins Inventar der schützenswerten Denkmäler aufgenommen. Doch im Juni dieses Jahres wurde es in Absprache mit der Gemeinde und nach einem Augenschein plötzlich wieder aus diesem entlassen.

Fachverbände wie das Bauforum Zug und der Zuger Heimatschutz wurden schriftlich über den Entscheid informiert und haben ihn erstaunt zur Kenntnis genommen. Für sie ist der Gesinnungswandel aus fachlicher Sicht nicht nachvollziehbar, der Entscheid «eine Folge des politischen Drucks». Was nicht einmal falsch ist, denn seit 2019 ist das verschärfte kantonale Denkmalschutzgesetz in Kraft, mit dem die Kriterien für eine Unterschutzstellung – insbesondere für Bauten der Nachkriegsmoderne – massiv erhöht wurden.

Für relativ junge Bauwerke wie das Lättich, und seien sie architekturhistorisch noch so relevant, hat dieser Gesetzesvollzug kein Gehör. Auf eine Beschwerde der Inventarentlassung verzichten Heimatschutz und Bauforum aber für einmal. Der Aufwand für ein Gegengutachten wäre zu hoch und die Erfolgsaussichten in einem Verfahren werden als zu gering eingeschätzt.

Baukultur nicht erneut zerstören

Die Hände in den Schoss gelegt hat man trotzdem nicht, denn das Bad soll laut Gemeinderat saniert, allenfalls sogar erweitert werden. Darum gelangten Vertreter der Verbände schon mal präventiv an Bauchef Zari Dzaferi mit der Bitte, bei der Ausarbeitung eines konkreten Projekts den bauhistorischen Wert der Anlage doch bitte im Auge zu behalten.

Primär will man sicherstellen, dass das Ensemble eine bevorstehende Modernisierung heil übersteht, sprich, bauliche Anpassungen in Respekt zur alten Substanz vorgenommen werden. Angesichts der vielen unwiderruflich (und zum Teil mutwillig) zerstörten historischen Bausubstanz in Baar ist dies eine durchaus berechtigte Sorge.

Zur Erinnerung: bei Joachim Naef, Ernst Studer und Gottlieb Studer handelte es sich um ein Architektentrio, das zu den bedeutendsten Vertretern der Schweizer Nachkriegszeit gehörte. Mit seinen progressiven Bauten in den 1970er-Jahren spielte es in der obersten Liga. Das zeigen auch andere ihrer Gebäude, wie die Kollegiumskirche St. Martin in Sarnen, das Zentrum Mattli in Sachseln oder die Kirche St. Agatha in Buchrain – allesamt eindrückliche, mutige und kompromisslos moderne Bauten mit Charakter.

Kollegiumskirche St. Martin
Mutig und modern: Die Kollegiumskirche St. Martin in Sarnen wurde von den gleichen Architekten gebaut wie das Baarer Lättich. (Bild: Alpöhi / Wikimedia Commons)

Genau wie bei den Objekten im Luzernischen und Obwaldnischen wurden auch dem skulpturalen Sichtbetonbau in Baar starke und bunte Farben entgegengesetzt. Landschaftsarchitekt Fred Eicher agierte genauso gekonnt und schuf grosszügige, radikal reduzierte Raumzonen mit hoher Aufenthaltsqualität und ein durchdachtes Bepflanzungskonzept ohne jeglichen Schnickschnack.

Bedarfsabklärung für die Anlage läuft

Ein professioneller und sorgsamer Umgang mit dem Lättich ist auch deshalb geboten, weil die Identifikation der Bevölkerung mit der Badi gross ist. Hier lernten Generationen über Generationen das Schwimmen. Das Bad war vom ersten Moment an ein Magnet. 1976 wurde der «millionste» Badegast empfangen, 1996 der «fünfmillionste» Gast und im Sommer 2024 vermeldete die Badi-Betriebsleitung per Medienmitteilung stolz, dass der «fünfzehnmillionste» Klient das Drehkreuz passiert habe.

Immer wieder hat man in die Anlage investiert, zahlreiche Veränderungen im Innen- und Aussenbereich vorgenommen. Insbesondere wurde das Bad im Jahre 1995 durch eine zusätzliche Halle mit einem 25-Meter-Sportbecken erweitert. Das ist jene mit den runden Bullaugen.

Beim Baarer Gemeinderat rennen die Verbände mit ihrem Anliegen nach einem sorgsamen Umgang mit dem nun plötzlich nicht mehr schützenswerten Bad offene Türen ein. «Es ist in unser aller Interesse, dass die Sanierung in Einklang mit den bauhistorischen Qualitäten des Bestandes erfolgt», so Gemeinderätin Sonja Zeberg, verantwortlich für Liegenschaften und Sport.

Gegenwärtig laufe allerdings erst eine Bedarfsabklärung. Diese soll zeigen, welche Veränderungen nebst technischen und energetischen Massnahmen sonst noch angezeigt seien. Schliesslich, so die Gemeinderätin, müsse das Bad auch in Zukunft im Dienste verschiedener und vor allem wachsender Nutzergruppen – Schulen, Vereinen, Familien, Senioren – zur Verfügung stehen.

Zurück zu den Ursprüngen

Die Fachverbände werden der Gemeinde auf jeden Fall auf die Finger schauen. Auch hoffen sie, dass die Sanierung zum Anlass genommen wird, eher unschöne, aber reversible Eingriffe, die das Bauwerk im Laufe der Jahrzehnte über sich hat ergehen lassen müssen, zu korrigieren und zurück zur ursprünglichen Farbigkeit zu kehren.

Kurz und gut: Der Lättich des 21. Jahrhunderts soll laut den besorgten Zuger Architekten nicht nur neusten räumlichen, technischen und energetischen Anforderungen genügen, sondern auch (wieder) ein stimmiges Gesamtbild abgeben. Die Fachverbände wären auch gerne bereit, die Gemeinde mit ihrem Wissen beratend zu unterstützen.

Bis ein Projekt auf dem Tisch liegt, lassen sich im Lättich weiterhin nostalgische Erfahrungen machen. Dazu gehört, dass die Schliesskästen in der Garderobe nach wie vor mit einem Zweifränkler gefüttert werden müssen, bevor sich die Türen diebstahlsicher mit einem Schlüssel verriegeln lassen. Nachher kann man konzentriert seine Längen schwimmen, vom Sprungbrett hüpfen, in der Sprudelnische oder im Strömungskanal verweilen und die Atmosphäre dieses legendären und faszinierenden Bauwerks auf sich wirken lassen.

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