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Gartenstadtsiedlung in Emmenbrücke nachverdichtet

Eine neue Siedlung in der alten Viscose-Fabriksiedlung

Die Neubauvolumen wurden nach Vorgaben der Altbauten dimensioniert.

(Bild: Gerold Kunz)

Nach einem Konzept von bekannten Luzerner Architekten wurde die Viscose-Fabriksiedlung Sonnenhof in Emmenbrücke nachverdichtet. Nun bestimmen die neuen Bauten das Ortsbild mit.

In zwei Etappen zwischen 1916/25 und 1944/55 erbaut, ist die Viscose-Fabriksiedlung Sonnenhof in Emmenbrücke in den 1980er-Jahren auf dem Radar der Denkmalpflege erschienen. Die Gründe liegen im hohen Zeugenwert der Siedlung: Sinnbild des Zusammenlebens unterschiedlicher sozialer Gruppen, die alle für die Viscose tätig waren. Gemeinsam mit weiteren Siedlungen wurden im Zonenplan der Gemeinde Emmen Schutzgebiete festgesetzt, die den wertvollen Bestand sichern sollten. Mittlerweile hat jede Siedlung ihre eigene Entwicklungsgeschichte erfahren.

Während beispielsweise die Chaletsiedlung beim Gersag noch heute ungeschmälert erhalten geblieben ist, wurde das Schindler-Dörfli im Feldbreitegebiet längst abgebrochen und durch Neubauten ersetzt. Der Sonnenhof ist nun nach einem Konzept der Architekten Bosshard & Luchsinger nachverdichtet worden. Das Projekt ging 2004 aus einem Studienauftrag hervor, an dem sich weitere namhafte Architekten wie Miroslav Šik, Rolf Mühlethaler und Lussi + Halter beteiligten.

Damals, als Innenverdichtung noch ein Fachbegriff war

Damals überzeugte das Projekt, weil es auf einfache Art und Weise die Zeilenbausiedlung mit ähnlich dimensionierten Neubauten ergänzte. Auch bezogen die Architekten die Gestaltung der bestehenden Bauten in ihre Neubaufassaden mit ein. Das Projekt versprach einen massvollen Eingriff, der den Erhalt der zeugenhaften Siedlung sicherstellen, aber auch eine Nachverdichtung zulassen würde. Insbesondere von der Konzentration der Neubauten am tiefsten Punkt des Geländes versprach sich die Jury eine optimale Integration.

Der Studienauftrag wurde zu einer Zeit durchgeführt, als die Innenverdichtung noch ein Fachbegriff war und die Politik diese nicht als ihren Auftrag wahrnahm. Dem Projekt wurde in Fachkreisen deshalb viel Potenzial zugesprochen. Es galt dem Heimatschutz und den kantonalen Behörden als Vorzeigebeispiel. «Der Respekt gegenüber den ausgezeichneten architektonischen und räumlichen Qualitäten der bestehenden Siedlung und die daraus ergebende enge Verbindung von alter Bausubstanz und neuzeitlicher Erweiterung wird», schrieb Roger Strub im Jahresbericht der Denkmalpflege des Kantons Luzern, «einerseits sehr erheblich zur Wohnqualität in den neuen Bauten beitragen und andererseits die materielle Erhaltung der Siedlung Sonnenhof längerfristig sichern können.»

Die Erwartungen werden erfüllt

Die Umsetzung entspricht dem ursprünglichen städtebaulichen Konzept. Mit wenigen Ausnahmen wurde seit dem Studienauftrag am Situationsplan kaum etwas verändert. Dennoch ist in der Siedlung eine neue Siedlung entstanden. Die klaren Kuben der Neubauten bestimmen das Ortsbild, die Altbauten fügen sich gewissermassen dem Neubaukontext unter. Mag sein, dass die starke Anlehnung an die Gebäudevolumina auf der einen, die konsequente moderne Gestaltung auf der anderen Seite das labile Gleichgewicht verantworten. Im Vergleich zu den Wettbewerbsplänen haben die Neubauten an Ausdruck verloren. Die Gestaltung wirkt monoton und ist zu wenig differenziert. Angesichts der Ausgangslage hätte ich ein stimmigeres Gesamtbild erwartet.

Bosshard & Luchsinger zählen zu den renommiertesten Luzerner Architekten. Bei der abl-Siedlung Am Weinbergli in Luzern haben sie eine ähnliche Aufgabe wie beim Sonnenhof bearbeitet. Ihr Konzept verfolgte auch dort den Erhalt der bestehenden Zeilenbauten und die Ergänzung der Siedlung mit einem ansteigenden Grossvolumen. Bei beiden Siedlungen ist ein nüchterner Realismus das Stichwort, wenn es um die Beschreibung ihrer Architektur geht. Konkret zeigt sich diese Haltung beim Sonnenhof im Umgang mit Fassaden- und Dachgestaltung. Während der Dachrand in Analogie zu den bestehenden Bauten mit sichtbarer Rinne, jedoch ohne Vordach ausgebildet wird, übernimmt die Fassade das Motiv der Loggien von den Altbauten. Hier sind es die markanten Einfassungen der Loggien, die den Baukörper zwar gliedern, aber auch unterteilen und dominant in Erscheinung treten lassen.

Auch wenn von mir Vorbehalte vorgebracht werden: Diese Nachverdichtung ist geglückt. Die Architekten waren sich der anspruchsvollen Aufgabe von Beginn an bewusst: «Die Siedlung Sonnenhof zu verdichten bedeutet im Grunde genommen, gegen die Prämissen dieser von offenen, generösen Räumen geprägten Gartensiedlung zu verstossen», hielten sie schon 2004 im Studienauftragsverfahren fest. Nun wurde im Sonnenhof gebaut und also bewusst gegen die Prämissen verstossen. Ich vermute, die Architekten halten es mit Luigi Snozzi: «Jeder Eingriff bedingt eine Zerstörung: Zerstöre mit Verstand!»

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