Architektur
Blog
Kleinschulhaus Alpenblick in Cham

Dieses unscheinbare Gebäude ist so viel mehr als du denkst

Ein Zwerg unter Riesen: Das eingeschossige Schulhaus ist umgeben von mehreren Hochhäusern. (Bild: Saskja Rosset)

Das Zuger Verwaltungsgericht hat unlängst ein Machtwort gesprochen und den Schutzstatus der Siedlung Alpenblick Cham bestätigt. Deren Qualität zeigt sich auch am dazugehörigen Kleinschulhaus, das unlängst gekonnt saniert worden ist.

Wer sich im Kleinschulhaus Alpenblick verabredet, muss wissen: Umgeben von zehn Hochhäusern und grossen Bäumen ist es gar nicht so leicht zu finden. Der einstöckige Bau mit einer Grundfläche von lediglich 300 Quadratmetern ist so perfekt in die Umgebung eingebettet, dass man ihn erst wahrnimmt, wenn man direkt vor ihm steht.

Kein Wunder: Das 1969 von Josef Stöckli (1929-2021) erbaute Schulhaus war von Anfang an Bestandteil der bauhistorisch bedeutenden Siedlung, die in mehreren Etappen bis 1971 in Seeufernähe realisiert wurde. Im Bebauungsplan von damals war festgehalten, dass die Grundeigentümer der Gemeinde kostenlos ein Terrain von rund 1000 Quadratmetern abtreten. Auf diesem wurde ein Schulhaus gebaut, das 2022 saniert worden ist.

Alpenblick Zug: Archivaufnahme
Eine Flugaufnahme von 1997 zeigt die Einbettung der Siedlung in die Landschaft. (Bild: Beat Krähenbühl)

Auch die Umgebung wurde aufgewertet

Im Zentrum des Unterfangens standen die Dämmung des Flachdachs, Unterhaltsarbeiten am Sichtmauerwerk, die Auffrischung von Böden, Decken und Einbauten, die Realisierung einer neuen Küche und die Erneuerung der Toiletten. Eine Aufwertung erfuhr auch die Umgebung. Hier ersetzte man die in die Jahre gekommenen Waschbetonplatten, brachte einen sickerfähigen Belag an und es wurde eine befahrbare Rampe realisiert. Der neue Zugang zum Schulhaus wirkt deutlich einladender als vor der Sanierung.

Um das Gebäude auch energetisch zu optimieren, hat man die alte Ölheizung durch eine neue Luftwärmepumpe ersetzt, auf dem Dach eine Fotovoltaikanlage installiert und die über 50-jährigen bauzeitlichen Fenster durch dreifach verglaste Fenster mit Holzrahmen ersetzt. Hinzu kamen die Erneuerung aller Elektroinstallationen und der Ersatz der alten Lamellenstoren durch textile Vertikalmarkisen.

Eine Rückkehr zum Ursprung stellt die Farbgebung der Fenster dar. Eine Untersuchung hat nämlich ergeben, dass die Holzrahmen zur Bauzeit hellgrün waren. Besser gesagt: «Resedagrün», ein Farbton, der an das Grün der Resedapflanze erinnert und in der offiziellen RAL-Farbtabelle unter der Nummer 6011 aufgeführt ist. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte sich diese Farbe zeitweise als Grundanstrich für Maschinen und sonstige technische Anlagen etablieren, weshalb sie in der Industrie über Jahrzehnte stark verbreitet war. Eine Alternativbezeichnung lautet darum «Maschinengrün».

Stöcklis Umsetzung überzeugt bis heute

Für die Denkmalpflege gehört die Siedlung Alpenblick  – auch «Manhattan von Cham» genannt –  zu den wichtigsten Zeugen der Nachkriegsmoderne im Kanton Zug. Nicht nur, weil sie die erste Hochbausiedlung überhaupt war, sondern weil sie über zahlreiche Qualitäten verfügt. Die Siedlung besticht durch eine reduzierte Materialwahl und Formensprache, folgt einer strengen Fassadengliederung, überzeugt durch ein kluges Wegsystem und eine gekonnte Stufung und Platzierung der Volumen, die spannende Zwischenräume und Sichtachsen generieren.

«Stöcklis Umsetzung war visionär und besticht bis heute», so Saskia Roth von der Zuger Denkmalpflege. Der rotbraune Sichtbackstein und die Kupferverkleidungen ziehen sich als Charakteristika durch die ganze Siedlung. Ein natürliches Gegengewicht zu den Hochhäusern bilden die grossen Baumgruppen. Sie schliessen an die Freiräume aus Uferzone, Sumpfgebiet, Lorzenebene und Zugersee.

Toll ist, dass bei der Sanierung des Schulhauses sämtliche für die 1960er-/1970er-Jahre typischen Ausstattungselemente und Oberflächenmaterialien erhalten blieben: Das Sichtbacksteinmauerwerk, die Türen inklusive Metallzargen, der Kunststeinboden, die Kunststeinlavabos, ja sogar die alten Sitzbänke in den Garderoben erstrahlen wieder in neuem Glanz.

Neu ist der pflegeleichte, marmorierte Linoleumboden. Auch hier hat man sich für einen hellen Grünton entschieden, der gut zum Erscheinungsbild passt. Am «guten Altbewährten» hat man sich bei den Lichtschaltern orientiert und sich für das Modell «Standard» der Firma Feller entschieden: ein formvollendeter Klassiker, der seinerzeit von Max Bill (1908−1994) entworfen wurde.

Lehrerinnen und Schüler lieben das Gebäude

Jugendliche treffen wir bei unserem Besuch keine an. Sie sind im Rahmen einer Projektarbeit ausnahmsweise extern beschäftigt. Nur zwei Lehrpersonen sitzen an ihren Schreibtischen und nutzen die Gunst der Stunde, um ungestört administrative Arbeiten zu erledigen. Von Christine Gander und Danielle Räber erfahren wir, dass im Kleinschulhaus sechs Schüler unterrichtet werden, die sich gerade im «Time-out» befinden.

Lehrerin Christine Gander engagiert sich für die Kleinklasse und mag ihren Arbeitsort. (Bild: Saskja Rosset)

Sie mussten also für eine gewisse Zeitspanne die Regelschule verlassen und werden hier spezifisch betreut und beschult. So können sie ihre Schullaufbahn erfolgreich fortsetzen und nach der Oberstufe eine Anschlusslösung finden. Die beiden Pädagoginnen lieben nicht nur ihren Beruf, sondern auch den Arbeitsort. «Ein wunderschönes Schulhaus», sind sie sich einig. «Es ist ein Privileg, hier unterrichten zu dürfen. Wir fühlen uns wohl.»

Auch in einem 56 Jahre alten Schulhaus kann moderner Unterricht stattfinden, wie dieses Beispiel zeigt. (Bild: Saskja Rosset)

Kommen wir nochmals auf das Thema Nachhaltigkeit zu sprechen. Da hat man besonders viel erreicht. So konnte der Heizwärmebedarf durch die neuen Fenster und die neue Dachdämmung von rund 54’000 Kilowattstunden auf 40’000 Kilowattstunden pro Jahr reduziert werden. Die verbrauchte Primärenergie ist durch den Einbau einer Wärmepumpe ebenfalls markant gesunken, nämlich von 240 auf 75 Kilowatt pro Quadratmeter, was einer Reduktion um den Faktor drei entspricht. Umgerechnet in CO₂-Äquivalenz konnte der Ausstoss von rund 20 Tonnen CO₂ auf eine Tonne reduziert werden. Fazit: Auch in einem denkmalgeschützten Gebäude lässt sich mit passenden Massnahmen den CO₂-Verbrauch deutlich reduzieren.

Architektur
Blog
Von Architektur und Städtebau sind wir alle betroffen. Im Architektur-Blog werden aktuelle Projekte aus Luzern und Zug verhandelt. Er dient Laien und Fachleuten als Diskussionsplattform und macht das regionale Bewusstsein für Baukultur öffentlich.
0 Kommentare
Aktuelle Artikel
Apple Store IconGoogle Play Store Icon