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Neubau im Industriequartier Hochdorf

Aufwerten mit Glanz und Gloria

Auffällig: Der Neubau an der Siedereistrasse 1 in Hochdorf ist mit verzinktem Blech verkleidet. (Foto: Gerold Kunz)

Die Luzerner Dolmus Architekten bauen in der Kernzone Hochdorf ein Wohnhaus mit einer glänzenden Metallfassade. Auch die verspielte Grundrissform passt nicht in das traditionelle Bild eines Ortszentrums. Was auf den ersten Blick fremd anmutet, macht bei näherer Betrachtung der Umgebung durchaus Sinn.

Die glänzende Metallfassade fällt sowohl von der Strasse als auch vom Zug aus auf. Das verzinkte Blech wird zwar schon bald an Glanz verlieren, doch was bleiben wird, ist ein für das Zentrum Hochdorf massgeschneidertes Haus. Nicht nur die Metallfassade, sondern auch der mit runden Einbuchtungen versehene vieleckige Grundriss ist aussergewöhnlich.

Wie viele andere Neubauten, die in zahlreichen ländlichen Ortszentren am Entstehen sind, passt sich auch der Hochdorfer Neubau seiner Umgebung an. Einziger Unterschied: Hier grenzt die Kern- an die Industriezone, deren bestes Stück die von Bert Allemann 1963 errichtete Milchsüdi ist, ein in brutalistischer Manier errichteter Betonelementbau von grosser architektonischer Qualität. Und an diese Qualität knüpft der Neubau der Luzerner Dolmus Architekten an.

Randständigen Ort aufgewertet

Die Metallfassade nimmt direkten Bezug auf die Lage neben dem Industriequartier, das sich seit der Jahrhundertwende um den Bahnhof entwickelt hatte. Im kreuzförmigen Grundriss fanden die Architekten eine präzise Antwort für eine von Strassen, Parkplätzen und Industriebauten umgebene Parzelle. Es ist ihnen gelungen, mit ihrer Architektur den randständigen Standort zu veredeln.

Das Dach wird von einem traditionellen Kreuzfirst bestimmt, einer im Hochdorfer Ortsbild vertrauten Dachform. Um 90 Grad abgedreht und aufgesetzt auf den polygonalen Grundriss ergeben sich interessante Schnittflächen. Sie geben dem Gebäude seine aussergewöhnlichen Konturen, machen es zugleich zum Prototypen eines neuen Gebäudetyps. Und das Haus nutzt die unbestimmte Lage im Ortsbild für einen grossartigen Auftritt.

Wohnen wie im Einfamilienhaus

Der symmetrisch angelegte Grundriss gibt auf der Zugangsseite eine grosszügige Terrasse frei, die den Bewohnerinnen und Bewohnern als Spiel- und Aufenthaltsraum dient. Die auf allen Geschossen identischen Wohnungen sind auf die Ecken und somit auf die Balkone ausgerichtet, die wie bei einem Schiffsbug einen grossartigen Rundblick bieten. Die auf drei Seiten belichteten Grundrisse lassen ein Wohnen wie im Einfamilienhaus zu.

Den Architekten gelingt in Hochdorf, was ich bei vielen anderen Neubauten vermisse. Ihr spielerischer Umgang mit zeitgenössischen Architekturthemen befreit sie von einer Routinearchitektur, die mir an vielen Lagen oft als eine allzu stereotype Vorwegnahme der gesetzlich geforderten Einpassung begegnet. Dolmus fordern in Hochdorf mit ihrem Neubau an der Siedereistrasse zum Überdenken eingespielter Positionen auf.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Sidler Lothar
    Sidler Lothar, 13.10.2019, 16:38 Uhr

    Eine Korrektur:
    Im Artikel «Aufwerten mit Glanz und Gloria» von Gerold Kunz hat es einen Fehler: Der Bau von Bert Allemann heisst nicht «Milchsüdi» sondern «Heliomalti». Die Milchsüdi war der obere Gebäudekomplex vis-a-vis des Bahnhofs. Dort wurde die Milch vorwiegend zu Milchpulver verarbeitet. In der Heliomalti wurde, wie der Name sagt, vorwiegend Heliomalt hergestellt, abgepackt und gelagert und vertrieben.

    Eine Ergänzung zum Standort des Neubaus:
    Der Bau ist ein weiterer Schritt bei der wesentlichen Veränderung des Quartiers, inhaltlich und volumenmässig. Das Quartier unterhalb des Bahnhofs entlang des Schmitterain, der Sempachstrasse und der Küferstrasse war das alte Handwerkerquartier von Hochdorf. Dort, wo jetzt das neue, von Gerold Kunz beschriebene Wohnhaus steht, stand ursprünglich die Schmitte Brun. Vis-a-vis, über den Schmitterain, war die Wagnerei Baumli. Schräg gegenüber, über die Sempachstrasse, war die Küferei Amrein, und in westlicher Richtung war die Sattlerei Buck. Umgeben waren diese vier Handwerker vom Schlachthof der Metzgerei Alchenberger, von der Baumschule Leu, von der Viehwage Bucher, von der Hafnerei Moos, von der Sagerei Baumli, von der Mühle Sticher und vom Südihof. Daran schloss, in nördlicher Richtung, die Südi (mit Heliomalti) und die Kerzenfabrik Balthasar an.

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