Kundenunfreundliche Regelungen in Zentralschweiz

Billiger Strom zu überhöhten Preisen

Strom, der am Wochenende durch die Inwiler Leitungen fliesst, wird den Kunden zum teuren Hochtarif verrechnet. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Strom ist während des Tages teurer als in der Nacht. Besonders gross sind die Preisunterschiede in der Zentralschweiz, wo der Kunde schon mal doppelt so viel bezahlt. Und auch beim Hochtarif haben sich die regionalen Anbieter auf Zeiten geeinigt, die zu den kundenunfreundlicheren der Schweiz zählen.

Eine nicht repräsentative Blitzumfrage unter den Redaktionskollegen zeigt: Der Niedertarif gilt jeweils abends ab 19 Uhr sowie an den Wochenenden. So zumindest glaubt der Volksmund. Doch mit der Rechnungsrealität hat dies wenig zu tun. In Tat und Wahrheit dreht sich die Scheibe des Stromzählers im Zentralschweizer Durchschnittshaushalt nur noch sehr langsam, wenn der Niedertarif gilt. Angetrieben allenfalls noch durch den Fernseher oder die Nachttischlampe. Bei allen vier Zentralschweizer Stromanbietern gilt der Hochtarif nämlich bis um 22 Uhr, erst dann wird es billiger. Dafür aber massiv. Mehr als doppelt soviel verlangen die Wasserwerke Zug AG zum Hochtarif je Kilowattstunde (siehe Tabelle am Ende des Artikels).

Tarife in Bewegung

Dabei sind solche Unterschiede heute kaum mehr begründbar. Die Marktpreise für Tagesstrom sind weltweit stark gesunken. Solarstrom sorgt dafür, dass sich die Tarife im Tagesverlauf stark angenähert haben. Dies zeigen Auswertungen der Strombörse Epex-Spot. Dass die Tarife in Bewegung sind, bestätigen auch die Wasserwerke Zug AG: «Zwar sind die Preisdifferenzen zwischen Tag und Nacht relativ volatil, tendenziell aber ist die Energiebeschaffung zu Spitzenlastzeiten nach wie vor teurer», sagt Robert Watts, Leiter Kommunikation und Marketing bei den WWZ.

Dies bestätigt auch Samuel Schnyder,
 Leiter Marketing
 bei den ewl energie wasser luzern: «Mittlerweile hat sich zwar der Preisunterschied bei der Beschaffung reduziert, die Netzbelastung ist jedoch gleich geblieben». Die höchste Netzauslastung sei weiterhin tagsüber. Mit günstigem Strom würde ein Anreiz geschaffen, zu den Spitzenstunden mehr Strom zu verbrauchen, was zu höheren Kosten beim Netzausbau und –unterhalt führe.

Hochtarif selbst an den Sonntagen

Doch nicht nur im Tagesverlauf wirft die Preisgestaltung Fragen auf. Der Hochtarif gilt in der Zentralschweiz nämlich auch an den Wochenenden, einschliesslich sonntags oder an Feiertagen. Dass es auch anders ginge, zeigt eine Übersicht des Konsumentenmagazins «Saldo». In Basel, St. Gallen oder Schaffhausen wird an den Wochenenden nur der Niedertarif verrechnet, während in Zürich und dem Aargau zusätzlich am Samstag Vormittag höhere Preise verlangt werden. Die Zentralschweiz, Bern und Graubünden bilden hier in Sachen Kundenfreundlichkeit das einsame Schlusslicht.

Eine stichhaltige Erklärung war hierzu nicht zu erhalten. «Das ist historisch bedingt», vermutet Mediensprecherin Simona Gambini von den Centralschweizerischen Kraftwerken CKW.

Minuspreise letztes Wochenende

Wie schlecht sich der sonntägliche Aufschlag begründen lässt, zeigt beispielsweise das letzte Wochenende. Mussten am Samstag um 10 Uhr an der Börse noch je rund 2,5 Rappen je Kilowattstunde bezahlt werden, so sorgte der schöne Frühlingstag sogar für negative Preise. Während Stunden erhielten Einkäufer mehr als einen Rappen je kWh. Die Elektrizitätswerke kassierten so doppelt. Vom Produzenten erhielten sie Geld, dass sie überhaupt Strom abnahmen. Und diese Energie stellten sie den Privatkonsumenten danach zum Hochtarif in Rechnung.

Börsenpreis vom letzten Sonntag: Während Stunden erhielten Einkäufer Geld dafür, Strom abzunehmen. In der Zentralschweiz wird dieser Strom dann zum Hochtarif verkauft.

Börsenpreis vom letzten Sonntag: Während Stunden erhielten Einkäufer Geld dafür, Strom abzunehmen. In der Zentralschweiz wird dieser Strom dann zum Hochtarif verkauft.

(Bild: Screenshot Epex Spotbörse)

Die Zentralschweizer Stromanbieter dementieren, dass sich die Börsenpreise stark auf die Privatkundentarife auswirken. Stellvertretend Simona Gambini: «Stromproduktion ist mit rund 85 Prozent Fixkosten verbunden.» Diese würden vor allem durch das Netz und durch die eigenen Kraftwerke verursacht. «Der Niedertarif soll unseren Kunden einen Anreiz geben, Geräte, die in den Nachtstunden genutzt werden können, an Werktagen wie auch am Wochenende auch in den Nachtstunden einzuschalten», ergänzt Marcel Schmid, Fachexperte Medien bei den CKW. Damit könne man Stromspitzen reduzieren, die typischerweise zwischen 7 und 22 Uhr liegen würden.

Der hohe Preis an den Wochenenden soll also erzieherisch wirken. Ähnlich argumentieren die ewl Luzern: «In Luzern sind im Vergleich zu anderen Städten wie Basel oder Winterthur verhältnismässig weniger Grosskunden ans Netz angeschlossen. Somit reduziert sich die Netzlast am Wochende verhältnismässig geringer», sagt Samuel Schnyder.

Geringe Differenzen bei Zuger Anbieter

Dass es auch anders ginge, zeigt die Energiegenossenschaft Hünenberg. Zwar verlangt auch der kleine Zuger Anbieter am Sonntag einen Hochtarif. Allerdings beträgt der Unterschied zwischen den beiden Tarifen lediglich 15,5 Prozent.

Ist also damit zu rechnen, dass auch die übrigen Anbieter bald zu einer kundenfreundlicheren Regelung übergehen? «Wir stehen einer Dynamisierung von Preis- und Tarifmodellen durchaus offen gegenüber. Hierzu müssen jedoch schweizweit erst noch die technischen Rahmenbedingungen geklärt und vorhanden sein», verweist Samuel Schnyder von den ewl auf nationale Entwicklungen.

Tarife im Vergleich

AnbieterTarifartHochtarif-ZeitenPreis NTPreis HTAufschlag
ewl LuzernNaturstrom-KombiMo-So 06.00-22.0012.6722.0174%
CKW LuzernNaturkraftMo-So 07.00-22.0019.4928.8948%
WWZ ZugNaturstromMo-So 07.00-22.0010.6921.71103%
EG HünenbergSonne und WasserMo-So 07.00-22.0017.0619.7115%

Preise beinhalten Netznutzung und Energielieferung, es können Grundpreise und Abgaben dazu kommen. Angaben in Rappen je kWh inkl. MWSt.

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